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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Olympi-Ja" gegen "Nölympia" Olympische Spiele in München: Fluch oder Segen für die Stadt?

Der Stadtrat stimmt für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele in München. Nicht bei allen kommt das gut an. Auf dem Marienplatz treffen Befürworter auf Gegner.
Bevor drinnen im Rathaus das Bild von festlichen, frohen und fruchtbaren Olympischen Spielen in München gezeichnet wird, rührt sich draußen auf dem Marienplatz der Protest. "Olympia erstickt München" ist dort auf Plakaten zu lesen, die einige Dutzend Menschen in den Nieselregen recken. "Unser Acker, nicht für olympischen Kommerz", hat eine Frau auf ein Schild gepinselt. Und auf weiteren Bannern steht nur kurz und knapp: "Nölympia."
Unter diesem Motto protestieren am Mittwochmorgen mehrere Organisationen gegen jene Bewerbung Münchens um Olympische Spiele ab dem Jahr 2036, die der Stadtrat wenig später befürworten wird. Vor allem Umweltverbände vom Bund Naturschutz bis zu den Naturfreunden Deutschlands sind auf dem Marienplatz vertreten. Und natürlich die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die sich an die Spitze der Olympiagegnerbewegung gesetzt hat.
Olympische Spiele: "München kann sich das nicht leisten"
"Die Stadt kann sich Olympische Spiele nicht leisten", betont Stadtrat Tobias Ruff, der Sprecher der ÖDP. München steuere bis 2030 auf einen Schuldenberg von zehn Milliarden Euro zu. Daher sei es fahrlässig, sich ein teures Spektakel wie Olympia aufzubürden – auch mit Blick auf die Erfahrung in anderen Städten. So hätten die Spiele 2024 in Paris statt der avisierten drei fast acht Milliarden Euro gekostet.
"München braucht keine Image-Show für Funktionäre, sondern echten Einsatz für Klima, Lebensqualität und bezahlbares Wohnen", sagt Ruff. Er befürchtet zudem negative Folgen für Einheimische: "Sind es zwei Wochen olympische Partystimmung in der Stadt wert, dass die Mieten explosionsartig steigen und tausende Münchnerinnen und Münchner aus der Stadt verdrängt werden?"
Ringen zwischen Anhängern und Kritikern der Olympischen Spiele
Während die "Nölympia"-Fraktion noch für Fotos posiert, hat sich 20 Meter weiter eine zweite Gruppe eingefunden, die nun ebenfalls Plakate emporreckt. Statt Olympia-Kritik zeigen sie Olympia-Jubel – etwa Fotos strahlender Kinder mit dem Slogan "2040 wird mein Olympia!"
Die Befürworter von Sommerspielen in der Stadt stammen vor allem vom Bayerischen Landessportverband. In Sichtweite zu den Gegnern senden sie ihre Botschaft namens "Olympi-Ja" aus. Das dürfte ein Vorgeschmack auf das sein, was München in den nächsten Monaten erwartet. Nämlich: ein Ringen zwischen Anhängern und Kritikern der Olympiabewerbung – bis am 26. Oktober die Bevölkerung darüber abstimmen wird.
Einen solchen Bürgerentscheid hat der Stadtrat nun mit großer Mehrheit und lediglich gegen die Stimmen der Fraktionen ÖDP/München-Liste und Linke/Die Partei initiiert. Zugleich befürwortete das Gremium, wie erwartet, eine Bewerbung Münchens um Olympische und Paralympische Spiele. Dabei wird die Stadt auch von der bayerischen Staatsregierung und der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft unterstützt.
Hälfte aller Disziplinen soll im Olympiapark stattfinden
Das städtische Konzept spricht von nachhaltigen Veranstaltungen, da die Sportstätten größtenteils schon existieren – allen voran der Olympiapark, wo die Hälfte aller Disziplinen stattfinden soll. Spektakuläre Bilder verspricht man sich derweil von Reitwettbewerben am Schloss Nymphenburg, Beachvolleyball auf der Theresienwiese, Bogenschießen vor dem Schloss Schleißheim und Freischwimmen im Starnberger See.
Das Olympische Dorf soll im Münchner Nordosten entstehen, wo in einem Gebiet für städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen (SEM) bereits ein Quartier für 30.000 Menschen geplant wird. Hier könnten Unterkünfte für 10.500 Sportler und 5.500 Offizielle entstehen, die danach als Wohnraum zur Verfügung stünden – so wie es dereinst auch mit dem Olympischen Dorf der Spiele 1972 geschah.
Kritiker befürchten enormen Preisanstieg in München
"Wir haben ein Konzept für die wahrscheinlich nachhaltigsten Olympischen und Paralympischen Spiele, die es jemals gegeben hat", betont Beppo Brem (Grüne) in der Stadtratssitzung. Sollte München den Zuschlag erhalten, könne dies eine "Aufbruchstimmung in unserer Stadt erzeugen", glaubt Manuel Pretzl (CSU). Zudem werde München nur als Ausrichter von Olympischen Spielen dringend benötigtes Geld von Land und Bund erhalten, etwa für Infrastruktur und Wohnungsbau.
Nachdem Kathrin Abele (SPD) Sommerspiele in München noch als "Projekt für die Menschen in dieser Stadt" gelobt hat, melden sich die Kritiker im Stadtrat zu Wort. "Olympia wird die Preise in dieser Stadt noch mehr nach oben treiben", warnt Stefan Jagel (Linke). Und in Replik auf seine Vorredner, die den "Geist von 1972" beschworen, erwidert er: "Olympia 1972 hat 1,2 Milliarden Euro Verlust gemacht. Das gehört auch zur Wahrheit."
Derweil ist just am Tag vor der Sitzung eine aktuelle Umfrage der RIM Marktforschung GmbH zur Olympiastimmung in der Stadt veröffentlicht worden. Das Ergebnis: 66 Prozent der Münchnerinnen und Münchner stehen einer Bewerbung positiv gegenüber, während 31 Prozent diese ablehnen.
- Reporter vor Ort bei den Kundgebungen auf dem Marienplatz
- Reporter in der Stadtratssitzung