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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weniger Wähler in München Politik-Expertin Münch: "Die AfD mobilisiert mit Existenzsorgen"
![Politologin Ursula Münch: Sie ordnet Politik und Parteien regelmäßig in der Öffentlichkeit ein. Politologin Ursula Münch: Sie ordnet Politik und Parteien regelmäßig in der Öffentlichkeit ein.](https://images.t-online.de/2025/02/2BpFFODJj2Aj/0x122:2362x1329/fit-in/1920x0/image.jpg)
Bundesweit spricht sich knapp ein Fünftel der Wähler für die AfD aus, in München hingegen hat die Partei weniger Zuspruch. Woran liegt das und ist die Stadt damit allein?
Die Zustimmung zur AfD liegt bundesweit bei etwa 20 Prozent, das zeigen die Umfragewerte in den vergangenen Monaten. In München stimmten zuletzt deutlich weniger Menschen für diese Partei, bei der Europawahl im Juni waren es 8,2 Prozent. Welche Erfolgschancen hat die Partei bei der Bundestagswahl in München? Und wie sieht es im restlichen, konservativen Bayern aus?
Ursula Münch forscht seit Jahrzehnten zu Politik, Parteien sowie zu gesellschaftlicher Integration. Sie lehrte unter anderem an der Universität der Bundeswehr in München und leitet aktuell die Akademie für politische Bildung in Tutzing. Mit ihr hat t-online über die AfD in München, den Unterschied zwischen Stadt und Land sowie Ausländerfeindlichkeit gesprochen.
t-online: Frau Münch, München ist eine der wenigen Großstädte, in denen die AfD vergleichsweise schwach bleibt. Warum ist das so?
Ursula Münch: Das ist ein Phänomen, das wir nicht nur in München wahrnehmen. Generell wählen Menschen in Universitätsstädten eher links, grün oder inzwischen durchaus auch Volt. Das beobachten wir auch in Ostdeutschland. In Leipzig oder Halle etwa hat es die AfD im Vergleich zu ländlicheren Gebieten ebenfalls schwerer.
Wählen gebildetere Menschen also seltener die AfD?
Es geht eher um die Frage, wie sehr jemand für die Weltuntergangsstimmung empfänglich ist, die die AfD ja verbreitet. Und tendenziell trifft das mehr auf Menschen aus prekären Verhältnissen zu.
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Zur Person
Ursula Münch ist Professorin und seit 2011 Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing bei München. Sie lehrt seit über 25 Jahren Politikwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München und ist zusätzlich Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie tritt regelmäßig mit ihren Einordnungen im Fernsehen auf.
In Bayern ist die AfD im ländlichen Raum wiederum relativ stark. Woran liegt das?
Es gibt Studien, die zeigen, dass die Infrastruktur beeinflusst, wie zufrieden Menschen mit der Demokratie sind. Wo es zum Beispiel keine gute Verkehrsanbindung, wenige Schulen oder Krankenhäuser gibt, sind Menschen offenbar skeptischer, was die Demokratie angeht. Außerdem muss man dazu sagen, dass die Flüchtlingsheime ja nicht in der Innenstadt stehen, sondern in der Peripherie. In der Stadt sieht man die Problematik also schlicht weniger.
Die CSU ist die stärkste Kraft in Bayern, auch in München ist sie stark. Greift sie die konservativen Wähler ab?
Das kann man schon so sagen.
Es gibt immer wieder Proteste und Demonstrationen gegen rechte Politik in der Stadt. Werden dadurch AfD-Wähler abgeschreckt?
Nein, das sind Selbstvergewisserungsinszenierungen. Bei solchen Demonstrationen kommen die zusammen, die ohnehin nicht die AfD wählen. Und auch der CSU werden dadurch keine Wähler abhandengekommen sein.
"Die Demos sind Selbstvergewisserungsinszenierungen"
Ursula Münch
Ein Drittel der Stadt besteht aus Menschen mit Migrationshintergrund. Wie zugänglich sind diese für die Politik der AfD?
Wie ein Migrationshintergrund das Wählerverhalten beeinflusst, ist schwer zu sagen. Denn wählen darf, wer einen deutschen Pass hat. Wie lang jemand diesen bereits besitzt und welche Migrationsgeschichte sich dahinter verbirgt, wissen wir nicht. Aber oft haben Menschen, die schon vor langer Zeit nach Deutschland eingewandert sind, Angst, dass die um sich greifende Ausländerfeindlichkeit im Land auch auf sie überschwappt.
Wie meinen Sie das?
Ausländer, die sich in ihren Augen besonders darum bemüht haben, in Deutschland leben und arbeiten zu können, wollen sich von neu hinzukommenden Flüchtlingen abgrenzen. Die sogenannten Gastarbeiter gehören zum Beispiel dazu. Dahinter steckt also auch schlicht ein Leistungsgedanke.
Könnte sich die AfD in München in Zukunft stärker etablieren?
Es kann gut sein, dass bei der Wahl im Februar ein paar Prozentpunkte dazukommen. Existenzsorgen gibt es schließlich auch in München, und damit mobilisiert die AfD ihre Wähler. Aber der Wohlstand, das akademische Milieu und die grundsätzliche Offenheit der hiesigen Bevölkerung machen die Stadt dennoch immuner als andere.
- Gespräch mit Ursula Münch
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