Prozess gegen Fußball-Star Boateng Zeugin bricht in Tränen aus – Urteil wird vertagt
Zwei Verhandlungstage hatte das Landgericht München I für den Berufungsprozess gegen Jérôme Boateng angesetzt. Doch an Tag zwei ist klar: Das wird nicht reichen.
Am Freitag hat Tag zwei im Berufungsprozess gegen den einstigen Nationalspieler Jérôme Boateng begonnen. Boateng wird vorgeworfen, seine Ex-Freundin während eines Karibik-Urlaubs ins Gesicht geschlagen zu haben. Zu Prozessauftakt am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München II hatte der 34-Jährige geschwiegen.
Auch zu Beginn des zweiten Prozesstages fragte der Vorsitzende Richter Boateng, ob er nochmal über das Angebot des Gerichts nachgedacht habe, berichtet eine Reporterin von vor Ort. Denn das stünde noch. Boateng verneinte und lehnt das Angebot weiterhin ab.
Der wegen des Vorwurfs der Körperverletzung angeklagte Ex-Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng hatte bereits am Donnerstag einen Vorschlag des Gerichts auf eine Verständigung abgelehnt. Boateng könne dies nicht "mit seinem Gewissen vereinbaren", sagte sein Anwalt am Donnerstag.
Zeugin bricht in Tränen aus – Gericht unterbricht Verhandlung
Nach rund zwei Stunden Verhandlung wurde der Prozess zunächst unterbrochen. Während der Aussage einer Zeugin brach diese in Tränen aus. Sie fühle sich nach eigenen Angaben durch ihren Auftritt vor Gericht und den damit verbundenen Aussagen bedroht und berichtete von zwei Männern, die sie vor Verhandlungsbeginn fotografiert hätten. Zunächst war unklar, um wem es sich bei den Männern handelte.
Im weiteren Verlauf ihrer Vernehmung habe die Frau jedoch die Bodyguards von Boateng als diejenigen identifiziert, die sie fotografiert hätten. Das Gericht unterbrach kurz darauf die Verhandlung. Die Staatsanwaltschaft forderte, die Personalien der Personenschützer aufzunehmen. Es bestehe der Verdacht einer Straftat oder der Vorbereitung jener, so die Argumentation.
Boatengs Verteidigung begründete die Videoaufnahmen so: Die Sicherheitsfirma, die für Boatengs Schutz verantwortlich ist, fertige Aufnahmen rund um den Prozess, um die Sicherheitslage beurteilen zu können. Die Zeugin sei nur zufällig durchs Bild gelaufen und nicht Ziel der Aufnahmen gewesen.
Zeugin: Boateng beschimpfte seine Ex als "Hure"
Bei der Zeugin handelt es sich um eine Freundin des mutmaßlichen Opfers. Vanessa W. sagt im Zeugenstand, sie sei dabei gewesen, als ein Streit zwischen Boateng und seiner Ex-Freundin ausbrach.
Grund des Streits sollen Ex-Affären gewesen sein. Boateng und seine ehemalige Lebensgefährtin hätten sich Vorwürfe gemacht und dann angeschrien. Dann sei der Streit eskaliert. Boateng habe seine Ex-Freundin beschimpft. Worte wie "Hure" und "Schlampe" sollen gefallen sein. Dann soll er das Windlicht auf einem Tisch umgetreten haben, das auf seine Ex-Freundin gefallen ist, die sich an den Scherben des Lichts verletzt haben soll. Im Anschluss habe er noch eine Kühltasche auf seine ehemalige Freundin geworfen, in der er sein Kokoswasser gekühlt haben soll.
Nach einer Unterbrechung des Streits sei es laut der Zeugin zu weiteren Auseinandersetzungen gekommen. In deren Verlauf soll Boateng seine Ex-Freundin erst bespuckt und dann mit Fäusten auf sie eingeschlagen haben – auch ins Gesicht.
Der Vorfall, der nun vor Gericht verhandelt wird, liegt mittlerweile rund vier Jahre zurück. Und immer mal wieder litt die Zeugin während ihrer Vernehmung unter Erinnerungslücken, die der Vorsitzende Richter beklagte. Laut Vanessa W. sei dies auf den langen Zeitraum zur mutmaßlichen Tat, aber auch eine Long-Covid-Erkrankung zurückzuführen.
Boateng-Anwälte: Vorwürfe der Ex-Freundin sind erfunden
Ursprünglich hatte das Landgericht am zweiten Prozesstag das Urteil sprechen wollen – doch dazu kam es nicht. Denn Boatengs Anwälte beantragten, Akten aus familienrechtlichen Streitigkeiten zwischen Boateng und seiner Ex-Freundin zum Verfahren hinzuzuziehen. Sie gehen davon aus, dass die Frau Gewaltvorwürfe gegen den Spieler von Olympique Lyon erfunden hat, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Zwillingstöchter zu erstreiten. Laut der Vorwürfe soll der Fußballspieler der Frau unter anderem seinen Daumen ins Auge gedrückt und ihr in den Kopf gebissen haben.
Boateng war vor gut einem Jahr zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt worden. Sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen das Urteil ein. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Weltmeister von 2014 seine Ex-Freundin geschlagen hatte. Boatengs damaliger Anwalt forderte Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine Geldauflage und eine Bewährungsstrafe.
Boateng bestreitet die Vorwürfe weiterhin, wollte im aktuellen Prozess aber nichts mehr sagen: "Er bestreitet strafbares Tun, wird sich ansonsten aber nicht zur Sache äußern", sagte einer seiner drei Anwälte.
Der Prozess soll am 2. November fortgesetzt werden.
- Reporter vor Ort
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa