Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zeugin schildert Angriff in München Plötzlich kam er hinein und begann zu schießen
Es ist ein ganz normaler Wochentag in der Münchner Innenstadt. Bis plötzlich Schüsse fallen. Eine t-online-Reporterin war ganz in der Nähe.
Donnerstagmorgen gegen 9.30 Uhr. Dem gemütlichen Treiben in der Maxvorstadt wird durch heulende Sirenen ein jähes Ende bereitet. Blaulichter zucken durch die Straßen: Nicht nur ein einzelner Einsatzwagen rast in Richtung Karolinenplatz. Es sind Dutzende. Über den Köpfen donnern die Propeller eines Polizeihubschraubers.
Mehrere Schüsse sind kurz zuvor zwischen dem NS-Dokumentationszentrum, dem israelischen Generalkonsulat und der Akademie für Technikwissenschaften gefallen. Inzwischen haben schwer bewaffnete Einsatzkräfte dort alles weitläufig mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Keiner darf durch. Die Lage für die Polizisten ist sichtlich angespannt. Spaziergänger bleiben verwundert stehen. Einige Autofahrer ärgern sich über die Straßensperrungen.
"Habe ihm ins Gesicht geschaut"
In all dem Trubel steht am Straßenrand ein junges Mädchen. Abseits und ganz alleine. Sie sieht aufgewühlt aus, tippt hektisch auf ihrem Telefon herum. Erst Minuten vorher sei sie über die Straße gestürmt, berichten Zeugen.
Sie habe in der Akademie für Technikwissenschaften, einem Nachbargebäude des NS-Dokumentationszentrums, gearbeitet, als plötzlich ein Mann mit Waffe in die Lobby hineinkam und zu schießen begann. Das erzählt die 20-Jährige auf Englisch. "Ich habe ihn ganz deutlich gesehen, ihm ins Gesicht geschaut. Der Mann hatte helle Haut, er war blond, groß und schlank."
Als der Täter nachladen wollte, sei sie gemeinsam mit einer Freundin in eine Putzkammer geflohen. Sie zeigt Videoaufnahmen: Verschwommen zu sehen ein Putzwagen, Reinigungsmittel – plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. Im Hintergrund die Stimmen der alarmierten Einsatzkräfte: "Schüsse! Schüsse auf uns. Komm zurück, komm zurück, komm zurück!"
Ob es Verletzte gibt, weiß die junge Frau aus Georgien zu diesem Zeitpunkt nicht. Ihre Freundin habe sie auf der Flucht aus dem Gebäude verloren. Telefonisch stehen sie in Kontakt – beide seien körperlich unversehrt. "Ich hatte solche Angst", sagt die junge Frau, während sie sich immer wieder nervös mit der Hand übers Gesicht fährt. Noch einmal ruft ihre Freundin an, die beiden versuchen sich zu finden. Hektisch kommunizieren sie in ihrer Muttersprache. Doch vorerst werden sie sich nicht treffen können. Das verhindert erst einmal die Polizei: Ihre Aussagen sollen aufgenommen werden. Und sie müssen ihre Handys abgeben.
Während die Beamten vor Ort zu Hunderten im Einsatz sind, kreist weiter ein Helikopter über dem abgeriegelten Gebiet. Drumherum geht das Leben allmählich weiter. Der Verkehr wird umgeleitet und nimmt wieder Fahrt auf, Gärtner setzen ihre Arbeit auf den Grünflächen der Pinakotheken fort. Touristengruppen lachen, Hunde spielen – auf die gesamte Szenerie strahlt die Sonne herab. Fast so, als wäre nichts gewesen.
Kurze Zeit später wird bekannt werden, dass der Mann mit der Waffe von der Polizei erschossen wurde. Der Schütze ist ein (18-jährigen) Österreicher, der den Behörden laut Medienberichten als Islamist bekannt gewesen sein soll. Zum genauen Motiv haben die Behörden noch keine Angaben gemacht. Hier lesen Sie alle weiteren Informationen, die bislang zu dem Vorfall bekannt sind.
- Reporterin vor Ort
- spiegel.de: Tatverdächtiger von München soll als Islamist aufgefallen sein