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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Usmanow äußert sich persönlich Putins "Lieblings-Oligarch" sieht sich zu Unrecht am Pranger
Der milliardenschwere Oligarch vom Tegernsee will plötzlich keiner mehr sein. Auf die Fragen von t-online hat Usmanow geantwortet.
Der schwerreiche Unternehmer und gebürtige Usbeke geriet in die Schlagzeilen, weil ihm in Europa viele Luxusimmobilien, eine Jacht und ein Airbus 340 zugeschrieben werden. Allein am Tegernsee erwarb Usmanow Villen im Wert von über 50 Millionen Euro. Doch "dieses Eigentum gehört mir schon lange nicht mehr", sagt der 68-Jährige nun in einem ausführlichen Interview zu t-online.
Hart ins Gericht geht Usmanow mit der EU-Sanktionsliste, die mit dem Überfall der Ukraine durch Putin Ende Februar in Kraft trat und nun ihre Wirkung zeigt. Mit drei weiteren Oligarchen klagt Usmanow am Europäischen Gerichtshof (EuGH) für die Herausgabe seines Vermögens in Europa.
EU-Sanktionen gegen Usmanow zeigen Wirkung
"Ich bin Aktionär mehrerer großer Unternehmen in der Metallurgie, Telekommunikation und Technologie, die Zehntausende von Menschen beschäftigen. Ihnen drohen durch die Sanktionen Insolvenzen", sagt Usmanow. Das Motiv seiner Klage gegen die EU sei, "dass die Sanktionen gegen mich aufgrund unbegründeter und unfairer Sanktionen verhängt wurden, wie z. B., dass ich Putins 'Lieblingsoligarch' sei." Niemand habe sich die Mühe gemacht, so Usmanow weiter, diese Anschuldigungen zu beweisen: "Mir wurde auch keine Gelegenheit gegeben, mich zu verteidigen."
Fakt ist, dass Usmanow auf der Sanktionsliste landete, weil er von der EU als "ein kremlfreundlicher Oligarch eingestuft wird, der besonders enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Putin unterhält", so steht es in der EU-Sanktionsliste. Mit dessen Wissen sei er mit "der Verwaltung von Finanzströmen betraut" worden und habe als "Putins Strohmann gedient und seine geschäftlichen Probleme gelöst".
Usmanow: "Ich war nie ein Oligarch"
Dem widerspricht Usmanow nun vehement. "Ich war nie ein Oligarch." Ein solcher "Geschäftsmann" bekomme sein Eigentum von der Obrigkeit geschenkt und habe "sein gesamtes Business auf einer gegenseitigen Abhängigkeit zu dieser Obrigkeit aufgebaut". Im "Gegensatz zu denen" habe er sich, so Usmanow, der sich als Wohltäter Usbekistans sieht, "nicht an der Privatisierung von Staatseigentum beteiligt, als große Unternehmen für wenig Geld in private Hände übergingen. Mir hat niemand etwas geschenkt. Alle meine Vermögenswerte habe ich zu fairen Marktpreisen gekauft." Doch welche es genau sind, will er nicht preisgeben.
Gleichwohl ahnte Usmanow bereits 2018, dass es an sein Vermögen in der EU gehen könnte. Vor allem dann, wenn er, sechsreichster Finanzmogul Russlands, auf der Sanktionsliste der USA landen würde. Mit dem Rückzug aus dem Konzern "Mail.ru", so seine Hoffnung damals, würden ihm einschneidende Strafmaßnahmen erspart bleiben. Die meisten Firmenbeteiligungen habe er längst "in unwiderrufliche Familienstiftungen übertragen".
Usmanow versuchte 600-Millionen-Jacht "Dilbar" zu übertragen
Die Begünstigten dieser Trusts seien bereits vor den EU-Sanktionen seine "Vertrauten" gewesen. "Ich besitze oder verwalte sie nicht mehr", so Usmanow, dennoch "sind sie von den EU-Behörden gesperrt" und seine "unschuldigen Schwestern" mit der Nennung auf der EU-Liste bestraft worden. Schließlich versuchte er seiner Schwester Gulbahor Ismailowa (56) noch rechtzeitig die 600-Millionen-Jacht "Dilbar" zu übertragen. Seine andere Schwester, Soadat Narzieva (56), wird laut EU mit "27 Bankkonten ihres Bruders Alisher in der Schweiz mit Hunderten Millionen Dollar" in Verbindung gebracht, außerdem mit sechs seiner Offshore-Firmen. "Umso schmerzhafter" sei es für ihn als Familienmensch, so Usmanow, die "Ursache" der Ungerechtigkeit zu sein, "die meinen Nächsten angetan wird".
Usmanow-Interview
Alischer Usmanow, der vor allem Stahl- und Medienunternehmen beherrscht, gilt als Gefolgsmann und Unterstützer Putins, weshalb ihn die EU sanktioniert hat. Unser Autor hat seinen Pressesprecher zu einem persönlichen Vorgespräch getroffen. Die Fragen an ihn hat Usmanow t-online schriftlich beantwortet.
Er sei "nie an politischen Entscheidungen beteiligt gewesen", habe keine "politischen Aufgaben" durchgeführt. "Geschäftliche Beziehungen zu Präsident Putin oder anderen Machthabern in Russland" habe er "nie gehabt". "Das sind Fantasien". Überliefert ist dagegen aber, dass es unter Usmanows Ägide zu Beschneidungen der Freiheit des Redaktionspersonals kam und der Übergang zu einer ausdrücklich kremlfreundlichen Berichterstattung erfolgte, als er die Kontrolle über die Geschäfte der Tageszeitung "Kommersant" übernahm.
Laut EU-Sanktionsliste wurden propagandistische, gegen die Ukraine ausgerichtete Artikel veröffentlicht. Daher habe Usmanow russische Entscheidungsträger, "die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell aktiv unterstützt".
Gefragt, wann ein Ende der Eskalation seiner Ansicht nach erreicht sein könnte, meint Usmanow: "Mit großem Schmerz im Herzen sehe ich die Tragödie, die sich heute in der Ukraine abspielt. Ich bin davon überzeugt, dass kein Problem militärisch gelöst und nichts Wertvolles für die Menschen geschaffen werden kann." Dem Begriff "Krieg" weicht er aus, wie alle, die an der langen Leine Putins agieren.
- Vorgespräch mit Usmanows Pressesprecher Grigory Levchenko am 27.07.2022
- Fragenkatalog an Usmanow, beantwortet am 15.08.2022