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Gemeinschaft kämpft für Idylle am Tegernsee: "Beute gieriger Investoren"


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Gemeinschaft kämpft für die Idylle
"Der Tegernsee ist zur Beute gieriger Investoren geworden"

Von Klaus Wiendl

Aktualisiert am 27.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Der Star des FC Bayern plant Großes: Das Forsthaus Valepp in den Alpen (Archivbild) ist das neue Projekt von Manuel Neuer.Vergrößern des Bildes
Der Star des FC Bayern plant Großes: Das Forsthaus Valepp in den Alpen (Archivbild) ist das neue Projekt von Manuel Neuer. (Quelle: DFL/FC Bayern/imago-images-bilder)

Sie waren lange vor den Grünen da: Vor 50 Jahren gründete sich die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal. Ihr Ziel war immer, die Idylle in den Bergen zu schützen. Aktuell auch auf der Agenda: ein Projekt von Manuel Neuer.

Weil es so schön ist, kommen sie. Aber weil sie kommen, ist es nicht mehr so schön. Das zumindest befürchtet Angela Brogsitter-Finck. Hunderte, vielleicht Tausende Münchner, außerdem Menschen aus vielen anderen Orten, machen sich jedes Wochenende auf den Weg zum Tegernsee. Sie wollen sich erholen, lassen viel Geld in der Idylle. Und werden für das Tal rund um den See zur Belastung.

"Seit fast 50 Jahren bemühen wir uns, die Schönheit dieses einzigartigen Lebensraums, seine Besonderheit zu bewahren, und es wird leider immer schwerer. Das Tegernseer Tal ist zur Beute gieriger Investoren geworden, die nur an maximalem Gewinn interessiert sind." Diese Losung der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) verfasste Brogsitter-Finck im vergangenen August.

Brief vom Tegernsee nach München an Markus Söder

Die 78-Jährige ist seit 2001 dabei und seit 2006 kämpferische Vorsitzende. Adressat ihres Briefes war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Ihm schrieb sie ins Stammbuch: "Der Flächenverbrauch wird immer unverantwortlicher. Und selbst wenn Gemeinden eine zu massive Bebauung verweigern, wird das Landratsamt sie gewähren." Damit könnten Investoren jeden Zentimeter eines Grundstücks versilbern.

Ein aktuelles Projekt: das Forsthaus Valepp, alleine im Wald an einem Sträßchen zwischen Tegernsee und Spitzingsee gelegen. Fußballer Manuel Neuer will es mit einem Geschäftspartner übernehmen. Ein "Drama" befürchten die Schutzgemeinschaft und andere Vereine dort.

Es könnte eine der immer zahlreicheren Event-Locations in den Bergen werden, ist eine Befürchtung. Das traditionsreiche Gebäude ist seit Jahren geschlossen, vor einer Wiedereröffnung wäre noch viel zu tun. Immer wieder versichert Neuers Geschäftspartner Johannes Rabl, dass dort keine Party-Location entstehen soll, Massenandrang sei nicht zu erwarten.

Projekt von Manuel Neuer bereitet Schutzgemeinschaft Arbeit

Er verspricht einen "klimaneutralen Betrieb mit vollem Bezug zur Tegernseer und Schlierseer Bergwelt". Und die Bayerischen Staatsforsten loben das Konzept Rabls und Neuers, es sei "sensibel und zielführend".

Doch am Tegernsee, da sind die Naturfreunde wie Brogsitter-Finck und ihre Schutzgemeinschaft gebrannte Kinder. Nach einer Petition hat in Sachen Valepp nun der Bayerische Landtag das letzte Wort. Bei vielen anderen Projekten ist es schon lange gesprochen: und fast nie, ohne dass die Schutzgemeinschaft mitgeredet hätte. Denn es gibt vieles, was sie zu besprechen hat.

"Mit Unmengen an Beton glaubt man auch die steilsten Hänge stabilisieren zu können. Inzwischen ist ein Großteil des Tegernseer Tals mit Tiefgaragen auch unterirdisch versiegelt", schrieb Brogsitter-Finck weiter in ihrem Brief an Ministerpräsident Söder. Es sei "dringend erforderlich", das bayerische Baugesetz endlich den Herausforderungen des Klimawandels anzupassen.

Eine unverbindliche Antwort bekam sie erst Monate später. Sie sei mit ihrer Überzeugung aber nicht allein, so die SGT-Vorsitzende, dass nur der Politiker die Menschen überzeuge, "der endlich den nicht mehr zu leugnenden Klimawandel erkennt und endlich danach handelt".

Inzwischen hat Söder wohl die Zeichen der Zeit erkannt: "2022 investiert Bayern eine Milliarde Euro in den Klimaschutz. Der Freistaat wird bis 2040 klimaneutral", twitterte er im November 2021.

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Deutliche Zeichen der Zeit waren es auch bei der Gründung der Schutzgemeinschaft vor 50 Jahren, als "die Baukräne im Tegernseer Tal wie Schwammerl in die Höhe schossen. Dies war ein beunruhigendes Signal, es scheuchte einige weitsichtige Heimatfreunde rund um den See auf", erinnerte sich Gründungsmitglied und Heimatkundler Beni Eisenburg.

Jahre später gelangte die SGT mit Plakataktionen auch in die Medien, Hörfunk- und TV-Auftritte folgten. Erfolgreich stemmte man sich gegen den Neubau des Tegernseer Gymnasiums im "großstädtischen Würfelstil", wie die Gemeinschaft es nannte, als Beton- und Glasklotz in die idyllische Landschaft oberhalb von Gmund.

Am Tegernsee war eine Verbindung nach Italien geplant

Verhindern konnte sie auch eine neue Transitstrecke nach Italien. Sie sollte am Westufer des Tegernsees über Bad Wiessee bis Kreuth geschlagen werden. Den größten Erfolg hatte die Schutzgemeinschaft bislang 2008. Das Ergebnis: Ein Luxushotel auf Gut Kaltenbrunn in Gmund wurde verhindert.

Die SGT klagte mit Erfolg, auch für den Denkmalschutz, wie man heute weiß. Anerkennung dafür zollen auch die, denen die Gemeinschaft unangenehm werden kann. Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn etwa sagt bei t-online: "Die Schutzgemeinschaft hat ihre großen Verdienste durch die maßgebliche Beteiligung an der Verhinderung des Hotelbaus in Kaltenbrunn und den Neubau des Gymnasiums in St. Quirin erworben. Dies zeigt, dass bürgerliches Engagement etwas bewirkt."

Auf "Dialog und nicht Konfrontation" setze auch Hagn. "Die SGT ist daher für mich ein Verein, der durch Argumente, weniger durch Aktionen, einen wichtigen Beitrag bei der Entscheidungsfindung leistet."

Aus einer Alm am Tegernsee wurde Großgastronomie

Zuspruch kommt auch von Hagns Amtskollegen Alfons Besel aus Gmund. Er attestiert der SGT, dass "sie mit ihrer Betrachtungsweise die Diskussion zu Vorhaben sensibilisiert". Der Grünen-Gemeinderat von Rottach-Egern, Thomas Tomaschek, überspitzt es so: "Die Schutzgemeinschaft ist der Stachel im Hintern der Bürgermeister." Und der tut freilich weh.

Dass Brogsitter-Finck und ihre Mitstreiter sich deshalb zwischen Kaltenbrunn und Schildenstein nicht nur Freunde gemacht haben, liegt auf der Hand. Die Mitglieder seien "Ewiggestrige", eine "Stör- und Schmutzgemeinschaft", ein "Verhinderungsverein", schallt es immer wieder an Kritik.

Futter dafür waren einige Niederlagen, wie beispielsweise in jüngerer Zeit für Brogsitter-Fincks Einsatz, "Bayerns schönstes Feuerwehrhaus" in Tegernsee vor dem Abriss zu bewahren. In Bad Wiessee kam zuletzt eine gemeinsame Protestaktion mit dem Verein zum Schutz der Bergwelt gegen den großzügigen Ausbau einer Alm hinzu.

Manuel Neuers Projekt ist nur eines von vielen in den Alpen

Doch aus der Idylle im Landschaftsschutzgebiet wurde dennoch die "Saurüsselalm", ein von einem Luxus-Caterer betriebenes Ausflugslokal – sehr zum Missfallen der beiden Vereine. Sie wussten viele Talbürger hinter sich, als sie die Staatsregierung aufforderten, die Umwandlung der Alm in eine Wirtschaft zu untersagen. Bislang ohne Erfolg. Ähnliches befürchtet die Schutzgemeinschaft mit Neuer in Valepp.

Diese Entwicklung bereite ihr Sorgen, beklagt Brogsitter-Finck im Gespräch mit t-online. "Inzwischen genügt den Investoren das Tegernseer Tal schon nicht mehr. Jetzt versuchen sie sogar, in der Bergwelt ihr Terrain zu schaffen."

Immerhin: Einen pittoresken Instagram-Hotspot wie den Infinity Pool am Königssee, den Eibsee bei Garmisch-Partenkirchen oder das Schloss Neuschwanstein bietet der Tegernsee nicht. Zu den genannten Orten strömen Influencer und solche, die es gerne wären, in Scharen, nur um ein Foto von sich vor der malerischen Kulisse in den sozialen Netzwerken zeigen zu können.

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Dass das Tegernseer Tal unter "Overtourism" leidet – so heißt das Phänomen, wenn Touristen eine Region über Gebühr belasten –, ändert daran nichts. Olaf von Löwis, Landrat des Landkreises Miesbach, sagte der "Süddeutschen Zeitung", er wolle auf die Touristen dennoch "nichts kommen lassen".

Von einer "Landplage" ist in dem Artikel die Rede, vom Problem Tagestouristen, die man vor Ort schlicht als "Münchner" zusammenfasst und die zugleich dem Tourismus ein Drittel seiner Einnahmen einbringen. Dass es für sie weiter einen Grund gibt, hierherzukommen, dafür kämpfen Brogsitter-Fink und ihre Schutzgemeinschaft. Für Nachgiebigkeit ist in der Tegernseer Idylle kein Raum.

Verwendete Quellen
  • Auskünfte von Angela Brogsitter-Finck, Beni Eisenburg, Johannes Hagn und Alfons Besl
  • Brief von Angela Brogsitter-Finck an Markus Söder
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