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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Proteste nach Rammstein-Vorwürfen Sie grölten: "Wir brauchen Frauen"
Jenny Schröder organisierte eine Demonstration am Münchner Olympiastadion. Dort wurde sie nach eigener Aussage von Rammstein-Fans bedroht, beleidigt und angegriffen. Hier spricht sie darüber.
"Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so übergriffig wird." Die Frau, die das sagt, ist Jenny Schröder. Die Münchnerin hat die Demonstration "Solidarität mit den Opfern sexualisierter Gewalt" angemeldet, die am Mittwochabend am Olympiastadion im Umfeld des Konzertes der Rockband Rammstein protestierte.
Gegen Rammstein gibt es dieser Tage schwere Vorwürfe. Die richten sich vor allem gegen Sänger Till Lindemann. Kurz zusammengefasst: Lindemann soll seine Macht ausgenutzt haben, um junge Frauen für Sex zu benutzen. Dutzende Frauen berichten davon, darunter auch eine bekannte deutsche Influencerin.
Frauen und Männer demonstrieren in München
Sie wolle sich nicht gegen Rammstein an sich wenden, erklärt Schröder. "Ich wollte Solidarität zeigen, ganz ohne Vorverurteilung. Also habe ich mich mit 80 bis 100 Personen aufgestellt – Frauen und Männern. Wir haben unsere Meinung kundgetan. Das hat vielen wohl nicht gepasst."
Eigentlich, sagt Schröder, habe sie sich spontan alleine vors Olympiastadion stellen wollen, hatte sich dann aber für eine offizielle Anmeldung entschieden – "um Schutz durch die Polizei zu haben".
Rammstein-Fans sollen gedroht haben: "Aufs Maul!"
Der war wohl nötig: Männer, die auf dem Weg zum Rammstein-Konzert waren, hätten sie und die anderen Frauen beleidigt, bedroht, sich vor ihnen aufgebaut – und das trotz Polizeipräsenz. "Männer haben Flaschen nach uns geworfen." Man werde ihr "aufs Maul" geben, hätten einige gedroht.
Teilnehmerinnen berichten bei Twitter davon, dass Konzertbesucher Vergewaltigungsfantasien geäußert hätten. t-online-Reporter Alex Spöri berichtet, dass ein Mann jungen Frauen entgegengerufen habe: "Ihr seid süß, und ihr seid unten schon nass." Und weiter: "Wir brauchen Frauen."
Jenny Schröder: "Es geht um Macht"
Auch sie sei sexistisch beleidigt worden, erzählt Schröder. "Du stehst doch nur hier, weil dich eh keiner will. Schau dir doch mal die Socken an." Sie trug am Mittwochabend gepunktete Socken.
Dieser frauenfeindliche Angriff hat Jenny Schröder entsetzt. Sie ist selbst Überlebende sexualisierter Gewalt, leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. "Es geht dabei nie um das Aussehen, es geht um Macht. Wenn es ein Aussehen, wenn es bestimmte Socken gäbe, die mich als Frau vor diesen Übergriffen schützen, würde ich sie sofort tragen."
Jenny Schröder will wieder demonstrieren
Die Causa Lindemann und der gesellschaftliche Umgang mit ihr zeige ein Problem, "das wir als Gesellschaft haben". Es gebe bei einigen Männern kaum ein Bewusstsein für Consent, also die beiderseitige Zustimmung zu sexuellen Handlungen. "Selbst, wenn ich nackt auf ein Konzert gehe, gibt das niemandem das Recht, etwas mit mir zu machen, das ich nicht will."
Auch am Freitagabend ist am Olympiastadion eine Demonstration angemeldet – allerdings nicht von Schröder, die in München auch für ihren Aktivismus gegen die AfD bekannt ist. Vor Ort sein will sie trotzdem: "Ich möchte, dass die Überlebenden sexualisierter Gewalt abends die Nachrichten einschalten und sehen, dass andere solidarisch mit ihnen sind."
Darüber hinaus hat sich eine Berliner Künstlerin eine außergewöhnliche Aktion einfallen lassen und damit eine überwältigende Resonanz erfahren. Worum es dabei geht, erfahren Sie hier.
- Telefonat mit Jenny Schröder
- Eigene Recherche