Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Haben die nichts Besseres zu tun? Die Bayern-Stars sind voll im Recht
Haben sie nichts Besseres zu tun? Bayern-Stars belasten Justiz und eigene Nerven mit Bußgeldverfahren, statt gleich zu zahlen. Doch daran gibt es nichts zu meckern.
So viel Optimismus muss man sich erst mal leisten können: Immerhin sind sie ja eigentlich schon überführt, ein Blitzerfoto oder ein Bluttest haben ziemlich wasserdicht nachgewiesen, was passiert ist: Sie sind gerast oder alkoholisiert gefahren. Trotzdem landen die Fälle von Bayern-Akteuren immer wieder vor Gericht, weil sie Einspruch dagegen einlegen. So auch am Mittwoch, als Verteidiger Benjamin Pavard seinen Führerschein wegen 1,4 Promille am Steuer abgeben musste.
So läuft es häufig: Spieler oder Funktionäre werden bestraft, wollen das nicht, müssen letztlich aber doch einlenken und tragen dann auch noch die Kosten des Verfahrens. Und das zu Zeiten, in denen der Deutsche Richterbund stöhnt, dass die Justiz überlastet sei und viele Verfahren zu lange dauern. Da fragen sich viele: Muss das sein? Könnte man der Allgemeinheit nicht einen Gefallen tun und sich die Prozesse sparen? Die Antwort: Ja, das muss sein. Oder zumindest: Es darf sein.
Benjamin Pavard in München vor Gericht: Führerschein weg
Es waren tatsächlich viele Fälle in den vergangenen Wochen und Monaten: Schon in den Wochen vor Pavards Trunkenheitsfahrt verhandelten Gerichte über Verkehrsdelikte von Sportvorstand Hasan Salihamidžić und Ex-Verteidiger Jérôme Boateng, sie hatten wie Pavard Einspruch gegen den Bescheid eingelegt. Vergangenes Jahr landete ein Fall vor Gericht, weil Lothar Matthäus – immerhin über 300 Mal für die Bayern am Ball – mit Handy im Auto erwischt wurde.
Dass Vorstandschef Oliver Kahn zudem wohl wegen Rasens schon mehrfach den Führerschein abgeben musste, Kingsley Coman 2018 eine Luxuskarosse zu Schrott fuhr oder Michael Ballack nach seiner Zeit bei den Bayern mal mit 212 Kilometern pro Stunde geblitzt wurde, passt da ins Bild.
Gleichzeitig sind die Gerichte so überlastet, dass sie kaum hinterherkommen. Einige Ermittlungsverfahren dauern so lange, dass die bayerische Justiz 15 Häftlinge allein im Jahr 2022 aus der Untersuchungshaft entlassen musste.
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Doch selbst wenn diese Zahl zehnmal so hoch wäre und die Geldstrafen für Bayern-Spieler noch bedeutungsloser: Einspruch einzulegen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder womöglich nur den kleinsten Restzweifel hat, ist immer in Ordnung und gutes Recht. Sich moralisch darüber zu erheben, dass Menschen den Rechtsweg wählen, kommt einer Vorverurteilung gleich. Gerichte sind da zum Glück weiter.
Und den Bayern liefert ein Beispiel aus der Vergangenheit gute Argumente: Ausgerechnet Oliver Kahn war 2009 geblitzt worden, soll 163 Kilometer pro Stunde gefahren sein und damit mehr als doppelt so schnell wie erlaubt – das sind drei Monate Fahrverbot und 600 Euro Strafe. Doch Kahn wurde nicht bestraft, bekam recht vor Gericht: Nicht er selbst, sondern sein "vorauseilender Lichtreflex" sei geblitzt worden.
"Vorauseilende Reflexionen lösten die Fotodioden aus", zitiert der Blog der Berliner Kanzlei Von Rueden die Aussage des Sachverständigen vor Gericht. "Ein physikalisches Wunder", ordnet der Artikel das Urteil süffisant ein, "denn normalerweise sind Lichtreflexe nicht doppelt so schnell wie der sich bewegende Gegenstand, und sie eilen auch selten voraus." Und doch zeigt der Fall: Für Kahn lohnte sich ein Einspruch.
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In der Regel standen die Bayern-Profis in ihren Prozessen jedoch schon zu Beginn auf verlorenem Posten. Am Ende trugen Spieler die Kosten für das Verfahren, zahlten ihre Anwälte und mussten Zeit und Energie auf Gerichtsprozesse verwenden. Aber so ist das nun mal in einem Rechtsstaat, zum Glück. Und mit ihrer Zeit, ihren Gedanken und ihrem Geld können die Bayern anfangen, was sie wollen.