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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bauprojekt des Bayern-Stars Forsthaus Neuer kein "Ort für den Lamborghini-Klub"
Manuel Neuer baut das Forsthaus Valepp zum Berggasthof um. Der Bürgermeister im Ort verteidigt das Vorhaben des Bayern-Spielers gegen Proteste.
Die Gemeinde Schliersee steht wegen des geplanten Berggasthofs von Bayern-Star Manuel Neuer im Valepp-Tal im Fokus. Im Ort liegt derweil einiges im Argen: Prominente und Reiche, etwa aus München, drängen immer stärker in die Berge, treiben auch für die Einheimischen die Preise nach oben. Neuers Projekt stehe ebenfalls für die Gentrifizierung, sagen Kritiker.
Doch Neuer und sein Geschäftspartner wehren sich dagegen. Und auch die Gemeinde steht hinter dem Bauvorhaben. Was die Menschen in der Region umtreibt und was er vom Fußballweltmeister erwartet, erzählt Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer im Interview mit t-online.
t-online: Herr Schnitzenbaumer, am Schliersee und am benachbarten Tegernsee sind die Immobilienpreise regelrecht explodiert. Der "Münchner Merkur" berichtet von einem Preisanstieg im Landkreis Miesbach um im Schnitt 15 Prozent – innerhalb eines Jahres.
Franz Schnitzenbaumer: In den letzten zwei Jahren kam eine regelrechte Goldgräberstimmung auf. Alle möglichen Investoren und Projektentwickler kamen hierher. Die Immobilienpreise sind stark steigend und hoch.
Die Namen der Investoren werden immer prominenter. Im Tegernseer Tal investiert neben Fußballstar Manuel Neuer etwa Schauspieler Til Schweiger.
Schnitzenbaumer: Es gibt zwei Regionen in Deutschland, denke ich, die unglaublich interessant für Investoren sind. Das sind die Insel Sylt und das bayerische Voralpenland mit der Region Tegernsee.
Wenn man zum Beispiel mit heimischen Handwerkern spricht, erzählen diese, dass sie sich in ihrer Heimat schlicht nichts mehr leisten können.
Schnitzenbaumer: Das ist eine sehr schlechte Situation. Wir haben hier viele Bürger, die sich vor 30, 40 Jahren noch ein Haus gekauft oder gebaut haben. Wenn von den Eltern nichts da ist, kann sich die jüngere Generation das heute nicht mehr leisten. Bei uns kostet ein Grundstück 1.000 Euro den Quadratmeter. Ein Einfamilienhaus unter 1,5 Millionen Euro werden Sie hier nicht bekommen. Die Entwicklung ist weiter eskalierend. Im südlichen Stadtteil Neuhaus hat vor zehn Jahren der Quadratmeter noch 240 bis 260 Euro gekostet, dann lag der Quadratmeterpreis irgendwann bei 400 Euro. Jetzt sind wir bei über 1.000 Euro.
In München versucht die Landeshauptstadt händeringend, Grundstücke im kommunalen Besitz nicht mehr an private Investoren zu veräußern.
Schnitzenbaumer: Bei uns ist es dasselbe. Wir als Gemeinde wollen die Preistreiberei nicht mitmachen. Wird auf dem freien Markt geboten, ist es egal, ob es letztlich 1.000 oder 1.400 Euro auf den Quadratmeter sind. Mit dem, was wir noch haben, wollen wir kommunalen Wohnungsbau für Einheimische vorantreiben.
Was sind die Probleme?
Schnitzenbaumer: Dass Auswärtige zu uns ziehen, haben wir seit über 20 Jahren. Weil die Zinsen so günstig waren, wurde zuletzt viel in Zweitwohnsitze oder in Ferienwohnungen investiert. Wo kann ich mein Geld besser unterbringen als in Immobilien? Für andere ist es lukrativ, Wohnungen über Airbnb oder andere Portale zu vermieten. Diese Entwicklung können wir nicht gutheißen, weil besagte Wohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen werden. Das Preisniveau wird erhöht und der Einheimische hat noch weniger Chancen.
Sind Ihnen kommunalrechtlich die Hände gebunden?
Schnitzenbaumer: Man kann schon gegensteuern. Punkt eins ist, Zweitwohnsitze zu verteuern. Die Steuer auf Zweitwohnungen muss so hoch sein, dass sie nicht mehr interessant sind. Punkt zwei ist, von Verwaltungsseite aus strikt darauf zu achten, wofür eine Wohnung gebaut wird. Und in der Baugenehmigung festzuhalten, dass die Wohnungen nicht gewerblich sind. Werden sie trotzdem als Ferienwohnungen vermietet, ist das eine verbotene Nutzungsänderung.
Wird das Thema in den Wirtshäusern heiß diskutiert?
Schnitzenbaumer: Nein, da muss ich Schärfe rausnehmen. Die Leute kennen es nicht anders. Tourismus gibt es in Schliersee schon seit über 100 Jahren, durch die Nähe zu München ist das historisch gewachsen. Anfang des 19. Jahrhunderts haben die Intellektuellen Münchens das nachgemacht, was der bayerische Regent vorgemacht hat. Die Wittelsbacher gingen bei uns auf die Jagd und kamen hierher zur Sommerfrische. Die Künstler folgten, haben über das Tal geschrieben oder es gezeichnet. Die tollen Trachten, die Brotzeit auf der Alm – so wurde der Schliersee romantisiert.
Zur Person
Franz Schnitzenbaumer (CSU) ist seit 2006 Erster Bürgermeister der Gemeinde Schliersee. In der Gemeinde leben knapp 7.000 Menschen, sie liegt in den Alpen und grenzt an Österreich. Der 60-jährige Schnitzenbaumer betreibt in seiner Heimat ein Gästehaus.
Bis heute. Bayern-Star Manuel Neuer hat auf Ihrem Gemeindegebiet ein altes Forsthaus per Erbpacht erworben, welches der Wittelsbacher König Maximilian I. 1841 bauen ließ.
Schnitzenbaumer: Ich wusste recht früh, dass ein prominenter Investor beteiligt ist, habe aber bewusst den Namen rausgehalten, weil von uns das Baurecht unabhängig vom Namen behandelt wird. Ich war selbst überrascht, als es aus irgendeiner Quelle an die Öffentlichkeit gesteckt wurde.
Es war ein langes Hin und Her.
Schnitzenbaumer: Wir haben uns in mehreren Gesprächen mit dem zweiten Investor, dem Gastronomen Johannes Rabl, wirklich so weit angenähert, dass wir die Vorstellungen der Gemeinde und der Investoren in Einklang gebracht haben. Ich vertraue Herrn Neuer und Herrn Rabl, dass sie es genauso umsetzen, wie wir es besprochen haben.
Warum sorgt der geplante Berggasthof dennoch für Protest?
Schnitzenbaumer: Heimat- und Naturschutzorganisationen betrachten die Entwicklung mit Sorge. Es gab im Tegernseer Tal zum Beispiel die Geschichte, dass eine ehemalige Waldhütte zum Luxus-Chalet ausgebaut worden ist. Oder dass eine landwirtschaftlich genutzte Alm plötzlich zur Eventfläche wurde. So was betrachten auch wir mit Sorge. Deswegen haben wir uns beim Forsthaus Valepp die Frage gestellt: Was darf nicht passieren? Nachts um 24 Uhr in den Bergen mit einem Feuerwerk eine Geburtstagsparty zu feiern, das geht nicht. Es ist Naturraum der Alpen und Lebensraum für Tiere, keine Eventarena. Nicht, dass jemand mit viel Geld kommt, und dann wird der Berggasthof ein exklusiver Ausflugsort für den Lamborghini- oder den Ferrari-Klub.
Im Interview mit t-online hatte Rabl versichert, dass am Spitzing nicht die Schranke hochgeht und die Porsche nicht durchfahren.
Schnitzenbaumer: Darum geht es. Wir wollen nicht, dass das Tal der Valepp dort hinten abgesperrt wird. Und oben wird Champagner getrunken, während die Wanderer und Radfahrer nicht einkehren dürfen.
Die Investoren wollen bei der Sanierung – von fünf Millionen Euro ist die Rede – aufs Tempo drücken. Was erwarten Sie vom Duo Neuer/Rabl?
Schnitzenbaumer: Dass das Forsthaus Valepp in seiner Bausubstanz wieder so hergestellt wird, wie es früher war. Historisch und nicht verkünstelt, sondern dem Denkmalschutz gerecht. Ich erwarte, dass es öffentlich zugänglich sein wird und dass es eine ganz traditionelle Bergwirtschaft wird, mit oberbayerischen Veranstaltungen.
Im Biergarten soll es zum Beispiel einen Tanzboden geben.
Schnitzenbaumer: Genau. Oder ein Almkirta mit bayerischer Blasmusik, dass man in der Kapelle oberhalb eine Maiandacht macht. Bodenständig und traditionell, damit der Einheimische einen Mehrwert hat.
Rabl kündigte bei t-online ferner an, dass er und Neuer die dunklen Seiten der Valepp mit Infotafeln beleuchten wollen. SS-Chef Heinrich Himmler hatte während des Dritten Reichs hier seine Alm …
Schnitzenbaumer: … Die ist ein Stückchen weiter hinten, ja.
Ein heikles Thema? Im Internet findet sich nicht wirklich viel dazu.
Schnitzenbaumer: Das ist aber alles bekannt. Es gibt mehrere Bücher, die die Geschichte der Nazi-Wohnhäuser und -Stätten im Landkreis Miesbach aufgearbeitet haben. Das waren eine ganze Menge, von Bad Wiessee am Tegernsee bis in die Valepp.
Die Valepp hat eine bewegte Geschichte, ist landschaftlich malerisch schön. Unterhalb des Berggasthofs liegt eine "Gumpen". Diese lädt Instagram-Fans mutmaßlich für Fotomotive ein.
Schnitzenbaumer: Das wird passieren. In gewissen Grenzen ist es okay. Ich hoffe aber, dass sich der erwartete Ansturm, an den wir uns mit unserer bestehenden Buslinie anpassen werden, recht schnell normalisiert.
- Interview mit Franz Schnitzenbaumer, Bürgermeister der Gemeinde Schliersee