CSU knickt vor zweiter Elbphilharmonie ein Münchner Konzerthaus wird für Söder zum Milliardenproblem
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Markus Söder gerät in Bayern gehörig in die Kritik, weil der Ministerpräsident Pläne für ein Konzerthaus von Weltformat infrage stellt. Die Fronten zwischen Politik und Kultur sind in München verhärtet.
Ein Konzerthaus von Weltformat wie die Hamburger Elbphilharmonie: Diese Dimensionen sollte Münchens künftiger Konzertsaal schon haben. So lauteten die Vorstellungen von Markus Söder (CSU) und der bayerischen Landesregierung anno 2018. Heute, vier Jahre später, klingt das ganz anders. Von dem Projekt bleiben nur noch die einst gespuckten großen Töne übrig.
Die Staatskanzlei hat das einstige Prestigeprojekt auf Eis gelegt. Und Söder, der sich zuletzt merklich aus dem politischen Tagesgeschäft rund um das Konzerthaus zurückzog, hat jetzt ein Milliardenproblem. Die nun an ihn gerichteten Worte hatten es entsprechend in sich. Die "Stiftung Neues Konzerthaus München" macht keinen Hehl aus ihrer Kritik.
Markus Söder: CSU-Boss in München wegen Konzerthaus kritisiert
"Wir empfinden das Vorgehen des Ministerpräsidenten als höchst befremdlich. Jede weitere Verzögerung des Projekts bedeutet eine kolossale Kostensteigerung", schreiben die Vorstandsmitglieder Georg Randlkofer und Hans Robert Röthel. In einem Brief an die Kuratoriumsmitglieder, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) zitiert, kritisieren sie "irrlichternde Meinungsschwankungen der Politik" und ein "Einknicken bei Gegenwind".
Ein Rückblick: Vor knapp vier Jahren formulierte die Landesregierung eine Zielvorgabe, die Münchens "Weltstadt mit Herz"-Charakter gerecht werden sollte: Ein Konzerthaus vom Niveau der Elbphilharmonie sollte in der Isarmetropole entstehen, und zwar im Werksviertel. Hier, nahe dem Ostbahnhof, wurde in den vergangenen Jahren ein modernes Eventquartier aus dem Boden gestampft.
Mit imposanten Bürobauten. Mit urbaner Gastronomie im Container-Format. Und mit lichtdurchfluteten Co-Working-Spaces. Im Zentrum des wie im Reagenzglas zusammengebrauten Viertels sollte das Konzerthaus thronen – laut ersten Plänen mit einer spektakulären Lichterfassade und der Möglichkeit, Konzerte digital in alle Welt zu übertragen.
Konzerthaus München: Milliardenplan von Markus Söder stockt
"Ich hoffe, dass ich in der von mir selbst gewählten Amtszeit von zehn Jahren auch die Eröffnung machen kann", soll CSU-Boss Söder im Sommer 2018 laut "Münchner Merkur" bei einer Sitzung im repräsentativen Prinz-Carl-Palais gesagt haben. Der 55-jährige Franke nannte sein Prestigeprojekt demnach "Stern des Südens". Aber: Der Wind hat sich längst gedreht.
"Wir merken doch, wie sehr sich die Welt verändert hat. Die Wahrheit ist: Die Stadt München muss ihren Kulturetat kürzen", sagte Söder nach zwei Jahren Corona-Pandemie und unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs im März der SZ: "Wir sollten uns die Zeit nehmen, noch mal in Ruhe alles zu überdenken."
Söder befürchtet eigenen Angaben zufolge Kosten von über einer Milliarde Euro. Auch sein Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume (CSU), bremst. "Wir haben im Bereich Kultur und Wissenschaft extrem viele und große Projekte in der Pipeline. Wir wollen Milliarden investieren in unsere Unikliniken, in den Ausbau der Hochschulen, in die Kultur", sagte der gebürtige Münchner dem "Merkur": "Gleichzeitig gibt es eine hohe Unsicherheit: Die Belastungen durch die Corona-Krise schlagen nach wie vor durch – und die Folgen des Kriegs gegen die Ukraine sind noch gar nicht abschätzbar."
Konzerthaus München: Scheitern wegen Corona, Inflation und Ukraine-Krieg?
Ein ursprünglich für 2025 anvisierter Baubeginn "erscheint mir angesichts der aktuellen Weltlage ambitioniert", erklärte Blume. Die Reaktionen in der Münchner Kultur reichen seither von Enttäuschung bis zu großer Verärgerung. "Es besteht weiterhin dringender Bedarf für eine eigene Spielstätte für das BR-Symphonieorchester", schrieb die Intendantin des Bayerischen Rundfunks, Katja Wildermuth, in einer Stellungnahme. "Wir hoffen deshalb, dass München einen Spitzenbau für dieses Spitzenensemble mit Top-Dirigent Sir Simon Rattle bekommt und die Planungen für den Standort Werksviertel unvermindert weiterlaufen."
Andere internationale Spitzenorchester hätten alle einen eigenen Saal, erklärte Wildermuth. Dirigent Rattle, der für die Saison 2023 aus London abgeworben wurde, stand auf Anfrage unserer Redaktion nicht für ein Interview bereit. Das Management des Symphonieorchesters verwies dagegen auf das Ministerium, aus dem verlautete: Derzeit stocken die Planungen. Die Fronten zwischen Kunst und Politik sind verhärtet.
Ein "Sterben auf Raten"?
Die Landeshauptstadt versucht indes, recht schonungslos zu vermitteln. "Dem Konzertsaal im Werksviertel droht ein Sterben auf Raten mit Finale vermutlich nach der Landtagswahl im Herbst 2023", teilte die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Die Grünen) unverblümt mit. Sie verwies darauf, dass München mit der Isarphilharmonie und der Philharmonie im Gasteig bereits zwei Konzertsäle habe. Eben jener Gasteig wird zurzeit aufwändig renoviert. Und zwar für 450 Millionen Euro – mindestens.
Dem Vernehmen nach dürften auch die veranschlagten Kosten für dieses Bauvorhaben nicht zu halten sein. Hierbei trägt die Stadt den Bärenanteil. Entsprechend groß soll das Interesse des Rathauses sein, dass der Gasteig ausgiebig genutzt wird. Söder hielt sich zuletzt bedeckt, wie zu vielen anderen Themen. Ein mögliches Konzerthaus von Weltformat – wie die Elbphilharmonie – wird der CSU-Chef als Ministerpräsident wohl nicht mehr eröffnen.
- Eigene Recherchen
- Münchner Merkur: "Bayerns Hightech-Minister Blume im Interview"
- Münchner Merkur: "Reaktionen aufs mögliche Aus für das Münchner Konzerthaus"
- Süddeutsche Zeitung: "Söder rückt vom neuen Konzerthaus im Werksviertel ab"
- Süddeutsche Zeitung: "Misstöne um Münchner Konzerthaus werden lauter"