Resolution am Gletscher Protestgipfel: "Das ist der Ausverkauf der Alpen"

Ein breites Bündnis hat eine Resolution zum Schutz der bayerischen Bergwelt verfasst. Unterzeichnet wurde das Papier an einem symbolträchtigen Ort.
Inmitten von Geröll erstreckt sich eine kaum hundert Meter lange Rutschbahn aus weiß-braunem Schnee, der von Pistenraupen mühsam zusammengeschoben wurde. Auf der kurzen Abfahrt schlittern an diesem Vormittag einige Kinder mit Zipfelbobs hinab – hier oben auf der Zugspitze, Deutschlands höchstem Berg. Das Juchzen der Mädchen und Buben passt so gar nicht zu den ernsten Worten, die Wilfried Hagg nur einen Steinwurf entfernt spricht.
Der Glaziologe von der Hochschule München steht vor dem Nördlichen Schneeferner, einem von zwei Gletschern auf der Zugspitze, der freilich nur noch ein kümmerlicher Rest früherer Tage ist. In wenigen Jahren werde der Schneeferner komplett verschwunden sein, sagt Hagg. Und auch andernorts im Freistaat sei die Zeit des ewigen Eises bald vorbei. "Bayern hat in diesem Jahrtausend zwei Drittel seiner Gletscherfläche verloren", betont der Experte.
Dies habe dramatische Folgen – nicht nur, weil ein wichtiges Ökosystem verschwinde, sondern auch wegen der Bedeutung von Gletschern für den Wasserhaushalt. Dabei ist das Schwinden des Eises nur ein Indiz dafür, unter welch großem Druck die bayerische Bergwelt durch den Klimawandel steht.
Vor dem Gipfelkreuz der Zugspitze
Um auf diese Bedrohung für den Alpenraum hinzuweisen und mehr Schutzmaßnahmen zu fordern, sind an diesem Donnerstag Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Naturschutz auf die Zugspitze gekommen. Dort unterzeichnen sie – symbolträchtig vor dem Gipfelkreuz auf 2.962 Metern – eine Resolution mit dem Titel "Unsere Gletscher, unsere Berge: Heimat bewahren!" Letzteres ist eigentlich ein Slogan, den die CSU für sich gepachtet hat.
Hier auf der Zugspitze ist die Regierungspartei jedoch das Ziel von Kritik, Vorwürfen und Appellen. So bemängelt etwa Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Landtag: "Die Staatsregierung müsste längst im Alarmmodus sein, doch stattdessen tut sie immer noch so, als könne man den Klimawandel mit Nichtstun aussitzen."
Bayerns Klimaziel auf der Kippe
In Bayern gilt laut Gesetz bisher das Ziel, die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Im vergangenen Winter hatte aber unter anderem auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betont, dass das Ziel ohne eine Rückkehr zur Kernenergie nicht erreichbar sei und daher wie im Bund auch in Bayern das Ziel 2045 gelten solle. Dieser Plan wurde bisher aber nicht gesetzlich verankert.
Neben den Grünen gehören auch SPD, ÖDP und etliche Naturschutzverbände zu den Unterzeichnern der Resolution. Viele, die heute auf die Zugspitze gekommen sind, haben schon zwei Wochen zuvor und gut 2.000 Meter tiefer protestiert – bei einer Kundgebung auf dem Münchner Marienplatz unter dem Motto "Rettet die Berge".
Neue Skipisten, Lifte, Schneekanonen
Dort stand vor allem das dritte Modernisierungsgesetz der Staatsregierung unter Beschuss, das aus Sicht der Kritiker dem Bau neuer Skipisten, Lifte und Beschneiungsanlagen Tür und Tor öffnet – zulasten des Naturschutzes. Demgegenüber sieht die CSU in dem Gesetz einen notwendigen Bürokratieabbau. "Wir schaffen Luft zum Atmen für Engagement, Ehrenamt und Unternehmergeist", betonte Fraktionschef Klaus Holetschek.
Und mit Blick auf die Kritik seitens "Rettet die Berge" ergänzt sein Parteifreund Alexander Flierl, Vorsitzender des Umweltausschusses: "Diese künstliche Empörung hat keinerlei Bezug zur Realität vor Ort. Bayerns Natur steht seit Jahrzehnten unter starkem Schutz, und daran wird sich mit uns auch nichts ändern."
"Ausverkauf der Alpen"
Ganz anders bewertet das Friedl Krönauer vom Bund Naturschutz (BN). Er spricht auf der Zugspitze von einem "Ausverkauf der Alpen nur für Partikularinteressen", den die Staatsregierung "unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus" vorantreibe. Dabei brauche es vor dem Hintergrund des Klimawandels dringend entschlossene Maßnahmen, um Bayerns Bergwelt zu schützen. Konkret fordern die Initiatoren der Resolution, dass die Staatsregierung das Ziel eines klimaneutralen Freistaats bis 2040 mit konkreten Schritten hinterlegt.
Überdies müssten Bergwälder und Wasserressourcen besser geschützt sowie ein "naturverträglicher Tourismus" entwickelt werden. Letzteres treibt vor allem die Menschen im Alpenraum um, die vielfach mit und von den Urlaubern leben. Sie sähen die Forderungen der Naturschutzverbände oftmals skeptisch, sagt Friedl Krönauer, der beim BN den Landarbeitskreis Alpen leitet. Und doch gibt es für ihn keine Alternative zu einem Umschwung hin zu einem nachhaltigen Tourismus.
Dieser Weg sei "im Interesse von Natur, Umwelt und vor allem der hier lebenden Menschen", sagt Friedl Krönauer. Er betont: "Gesellschaft und Politik müssen die Alpen in ihrer Schönheit und Unverfügtheit als Erholungs- und Erfahrungsraum für uns, aber insbesondere unsere Kinder und Enkel erhalten."
- Reporter vor Ort
- csu-landtag.de: Mitteilung vom 23.6.2025