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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mordprozess vor dem Landgericht 90-Jährige soll beste Freundin mit Kochtopf erschlagen haben

Weil sie ihre beste Freundin mit einem Kochtopf erschlagen haben soll, steht eine 90-jährige Münchnerin vor Gericht – wegen Mordes. Zum Prozessauftakt schweigt sie.
Wären da nicht der Ort und die Umstände, es würde wie eine gemütliche Spazierfahrt wirken. Eine alte Dame mit grau-schwarzen Haaren sitzt eingepackt in einen dicken Mantel in einem Rollstuhl, den eine jüngere Frau langsam vor sich herschiebt. Sie trägt eine Uniform mit der Aufschrift "Polizei" auf der Brust. Sie rollt an diesem Vormittag eine 90-Jährige in den Gerichtssaal des Münchner Strafjustizzentrums. Die betagte Frau ist von der Staatsanwaltschaft München I wegen Mordes angeklagt.
Die Tat, wie sie vor Gericht geschildert wird, lässt sich nur schwer verbinden mit der schmächtigen Frau, der es scheinbar schon Mühe bereitet, einen Ordner hochzuhalten, um damit ihr Gesicht vor den vielen Fotografen zu verbergen. Als die Verhandlung wenig später losgeht, spricht Brigitte W. mit klarer Stimme – aber nicht lange. Seine Mandantin mache von ihrem Schweigerecht Gebrauch und äußere sich nicht zur Sache, erklärt ihr Verteidiger Johannes Makepeace. Zu ihren persönlichen Verhältnissen werde sie zu einem späteren Zeitpunkt womöglich noch etwas sagen.
In der Küche kam es zum Streit zwischen den beiden Frauen
Zuvor hat Staatsanwältin Simone Müller die Anklageschrift verlesen. An einem Julitag 2024 waren die beiden Frauen einkaufen, so die Staatsanwaltschaft zum Tathergang. Danach seien sie in die kleine Wohnung der Angeklagten gegangen. Dort wollte das spätere Opfer eine Kühlbox vom Einkauf in die enge, zugestellte Küche der 90-Jährigen bringen. Doch das wollte diese nicht.
Als ihre jüngere Freundin dennoch die Küche betrat und dabei mehrere Gegenstände zu Boden stieß, kam es zum Streit. "Voller Ärger und außer sich vor Wut", so die Staatsanwältin, habe Brigitte W. nach anfänglichem Ohrfeigen und Schubsen einen schweren Kochtopf ergriffen und damit mehrfach auf den Kopf ihrer Freundin eingeschlagen.
Angeklagte informierte die Polizei selbst
Die Schilderung dieser Tat verfolgt die Angeklagte mit starrem Blick und regungslos. Erst als die Staatsanwältin berichtet, wie Brigitte W. anschließend das Blut wegwischte, die tote Freundin entkleidete, ihren Leichnam mit einem Laken bedeckte und zwei Tage später die Polizei verständigte, schüttelt Brigitte W. den Kopf und schließt ihre Augen.
Die Staatsanwaltschaft bewertet den Tathergang als Mord. Die 90-Jährige sei in der Beziehung – die Frauen waren seit 40 Jahren befreundet – "dominant und herrisch" aufgetreten. Regelmäßig sei es zu Streitigkeiten gekommen, "die auch häufig mit körperlicher Gewalt und Demütigungen gegenüber der späteren Geschädigten einhergingen". Die Verteidigung räumt zwar Handgreiflichkeiten ein. Jedoch werde "die Herausforderung in dem Prozess sein, den genauen Tathergang zu rekonstruieren – und wie es zu der Tat kam", sagte Anwalt Makepeace im Vorfeld der Nachrichtenagentur dpa.
90-jährige Angeklagte sitzt in U-Haft im Frauengefängnis
Die 90-Jährige sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft im Frauengefängnis Stadelheim. Das hat ihr Verteidiger im Vorfeld der Verhandlung kritisiert. Dass die stark geh- und sehbehinderte Frau fliehen könnte, "dafür fehlt mir die Fantasie", sagte der Anwalt. "Man kann auch menschenwürdiger mit Verdächtigen umgehen."
Am ersten Prozesstag lässt das Gericht den Notruf abspielen, den Brigitte W. zwei Tage nach der Tat abgegeben hat. Erstaunlich ruhig erzählt die 90-Jährige dabei am Telefon, was passiert ist. "Sie hat mich geschlagen, ich habe sie zurückgeschlagen", sagt da Brigitte W. "Ich habe einen Kochtopf genommen, und sie ist gestorben. Sie liegt bei mir in der Küche in der Wohnung."
Für den Prozess sind neun Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte demnach Ende Mai fallen.
- Reporter vor Ort