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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess vor dem Amtsgericht 43-Jähriger vergewaltigt Frau: Wollte ihr "etwas Gutes tun"
Ein Mann und eine Frau lernen sich online über eine App kennen. Das erste Date läuft gut. Sie will es langsam angehen lassen, doch er will mehr.
Dating-Apps machen es Singles leicht, sich möglichst schnell zu verabreden. Nach dem ersten persönlichen Treffen in der Öffentlichkeit folgt oft ein zweites zu Hause. Dass das nicht immer ungefährlich ist, zeigt ein Fall, der am Donnerstag vor dem Amtsgericht München verhandelt wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 43-jährigen Angeklagten Vergewaltigung vor.
Alles beginnt im Sommer 2022: Der Angeklagte und sein späteres Opfer lernen sich online kennen. Am 21. Juni kommt es schließlich zu einer ersten Verabredung. Für ihr Date wählen sie das Café "La Vida" am Sendlinger Tor aus. Die beiden haben ein schönes Treffen, verstehen sich gut. Später gehen sie noch ein Eis essen. Hier versucht der Angeklagte laut der Aussage einer Polizeibeamtin, die Geschädigte zu küssen. Die 33-Jährige macht bereits deutlich, dass sie kein Interesse an sexuellen Handlungen hätte.
Noch am selben Tag lädt der 43-Jährige die Frau in seine Wohnung zum Übernachten ein. Die 33-Jährige, die zu der Zeit keinen festen Wohnsitz hat und mit Depressionen sowie einer Borderline-Störung lebt, will sich eigentlich in die Nußbaum-Klinik einweisen lassen, wie die Polizeibeamtin vor Gericht aussagt. Doch sie nimmt das Angebot des Angeklagten, bei ihm übernachten zu können, trotzdem an.
Erneut macht sie – wie am Nachmittag auch schon – deutlich, dass es nicht zu sexuellen Handlungen kommen wird. Der Angeklagte sichert ihr zu, dass sie allein in seinem Schlafzimmer bleiben könne. Kurz darauf nimmt sich der 43-Jährige frei, holt die Frau gegen 22.15 Uhr mit seinem Auto am Prinzregentenplatz ab und nimmt sie mit zu sich nach Hause.
Sie vertraut sich ihm an, er nutzt ihre Situation aus
Bei seiner Wohnung angekommen, zeigt der Angeklagte der 33-Jährigen seine Wohnung, in der auch sein heute fast 13-jähriger Sohn schläft. Nach der Wohnungstour setzen sich die beiden an den Esstisch und die Geschädigte vertraut dem Angeklagten ihre Vergangenheit sowie ihre Probleme an – unter anderem auch, unter welchen psychischen Erkrankungen sie leidet.
Währenddessen berührt der 43-Jährige mit seiner Hand ihren Oberschenkel und bittet sie, sich auf seinen Schoß zu setzen. Sie sagt immer wieder, dass sie das nicht wolle, er sie in Ruhe lassen solle. Doch er lässt nicht locker, drängt die damals 29-Jährige immer wieder zu Zärtlichkeiten. Sie lässt sich zu einer Umarmung überzeugen.
Kurz darauf sagt sie ihm, sie wolle schlafen gehen. Während sie im Bad ihre Zähne putzt, holt der Angeklagte ihr eine Jogginghose und ein T-Shirt zum Schlafen. Der 43-Jährige bietet ihr an, sie könne sich in seinem Wohnzimmer umziehen. Als sie gerade nur in Unterhose bekleidet im Raum steht, kommt der Angeklagte ohne Vorankündigung ins Wohnzimmer, selbst nur in Boxershorts und T-Shirt bekleidet.
Sie will, dass er den Raum wieder verlässt, er versucht stattdessen, sie zu küssen. Als die 33-Jährige sich wegdreht, umarmt der Angeklagte sie von hinten und presst sich an sie. Dabei streichelt er über ihren Bauch und fasst an ihren Po sowie an ihre Brüste. Diese knetet er, fast mit seiner Hand in den Slip der 33-Jährigen und dringt dann mit zwei Fingern in die Vagina der Geschädigten ein.
Er wollte ihr "etwas Gutes tun"
Sie versucht immer wieder, den Angeklagten von sich wegzuschieben und bittet ihn, sie in Ruhe zu lassen. Werde er das nicht tun, würde sie schreien und somit riskieren, dass der Sohn des Angeklagten aufwache. Er hingegen versucht sie zu beruhigen und soll laut Anklage der Staatsanwaltschaft gesagt haben, dass er ihr "etwas Gutes tun" wolle und er ein Mann sei, der sie "auch mal verwöhnen" wolle.
Die Frau schafft es, dass der Angeklagte von ihr ablässt, nimmt ihre Sachen und flüchtet vor das Haus in einen Busch. Von dort alarmiert sie die Polizei. Die Beamtin, die sie im Anschluss an die Tat vernimmt, sagt vor Gericht aus, dass die 33-Jährige gefasst gewirkt habe, allerdings bei der Schilderung der Tat selbst aufgewühlt war. Ein anderer Beamter gibt an, dass sie geweint und rastlos gewirkt habe.
"Ich werde dir beweisen, dass ich nicht so bin, wie du denkst"
Am Tag nach der Tat versucht der Angeklagte, die 33-Jährige zu kontaktieren. Er schreibt ihr auf WhatsApp und schickt ihr Sprachnachrichten. Immer wieder betont er darin, dass er es gut machen und sie zum Frühstück einladen wolle. Nachrichten wie "Lass uns doch wie Erwachsene reden, es gibt keinen Grund, warum ich das gemacht hab" oder "Ich werde dir beweisen, dass ich nicht so bin, wie du denkst", kommen im Minutentakt. Eine nach der anderen liest die Richterin während der Verhandlung vor.
Nach rund vier Stunden fällt dann das Urteil: Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung schuldig gesprochen und bekommt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung. Zu Beginn der Verhandlung hatte es eine Verständigung zwischen der Richterin, dem Staatsanwalt Tobias Fleißner, dem Nebenklägerverteidiger Jürgen Hadinger sowie dem Verteidiger des Angeklagten Gernot Lammel gegeben. Dabei hatten sich die Parteien auf einen Strafrahmen von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung geeinigt. Die Bedingung: Ein Geständnis des Angeklagten.
"Mein Kind sieht jetzt, dass sein Papa ein Verbrecher ist"
Dieses Geständnis bekommt das Gericht: "Ich gebe die Tat zu und will mich nochmal entschuldigen. Es war nicht leicht in der letzten Zeit für mich, ich bin alleinerziehend und habe eine Vorbildfunktion. Mein Kind sieht jetzt, dass sein Papa ein Verbrecher ist" und weiter: "Mir tut es von Herzen leid, wie das gekommen ist." Im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches schrieb der Angeklagte der 33-Jährigen außerdem einen Entschuldigungsbrief, in dem es hieß: "Hiermit möchte ich mich entschuldigen. Mit freundlichen Grüßen".
Neben der Freiheitsstrafe auf Bewährung muss der Angeklagte, der als Monteur arbeitet, als Teil des Täter-Opfer-Ausgleiches einen Geldbetrag in Höhe von 5.400 Euro an die Geschädigte zahlen. Diesen kann er in monatlichen Raten von 150 Euro abzahlen. Außerdem trägt er als Verurteilter die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten der Nebenklägervertretung.
Die Richterin nannte als Begründung für das Urteil, dass die Geschädigte immer wieder gesagt hatte, dass sie keine sexuellen Handlungen wolle. Der Angeklagte habe sich darüber hinweggesetzt und ihre Situation ausgenutzt. "Ich bin überzeugt davon, dass es so stattgefunden hat, wie es angeklagt wurde."
- Reporterin vor Ort