Kothäufchen analysiert In Bayern leben mehr Gamsen als erwartet
Die Gams gehört zu den Alpen. Doch ist sie bedroht oder gibt es eher zu viele Tiere? Darüber streiten Tierschützer, Jäger und Waldbesitzer – jetzt gibt es neue Erkenntnisse.
Den Gamsen in den oberbayerischen Bergregionen geht es besser als angenommen. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), die Bestände der Tiere in Oberbayern im Karwendel und im Chiemgau an der Kampenwand untersuchten. "Es gibt dort mehr Tiere als erwartet" – das sei die Quintessenz der Untersuchung, teilte die Landesanstalt mit.
Demnach lebten in den beiden Gebieten zum Untersuchungszeitraum rund 1.300 Gamsen – dabei umfassen die beiden Projektgebiete deutlich weniger als zehn Prozent des bayerischen Alpenraums, wie es in dem Bericht des LWF heißt.
Dichte an Gamsen "beachtlich"
Die Ergebnisse belegen nun "sehr individuenreiche Wildbestände" in beiden Gebieten, erläuterte die LWF. "Im nationalen wie im internationalen Vergleich sind die Dichten, insbesondere für die Gams, beachtlich."
Neben den Populationszahlen überraschten den Forschern zufolge auch die Aufenthaltsräume der Tiere. Etwa hätten sich im Chiemgau fast 60 Prozent der Gamsböcke im Wald aufgehalten. Die Gamsgeißen seien dagegen vermehrt im offenen Land oder oberhalb der Waldgrenze anzutreffen gewesen.
Speziell im Karwendel seien bei den Gamsen mehr Tiere festgestellt worden als von Experten erwartet, sagte der Präsident des LWF, Peter Pröbstle, der Deutschen Presse-Agentur. Es sei dort aber mit viel Fels auch ein "ein optimaler Gams-Lebensraum". Auch der Gesundheitszustand der Tiere sei sehr gut.
Keine Vorgabe für Abschusspläne
Unbestritten blieb, dass eine Bestandsregulierung nötig sei. Die Studie überlässt jedoch die Entscheidung über Abschusspläne für Gams, Rotwild und Rehe den zuständigen Behörden. Diese müssten sich nun mit den Erkenntnissen befassen und sie bewerten, hieß es. Auch zu möglichen Schonzeitaufhebungen, um die immer wieder gestritten wurde, äußert sich die Studie nicht.
Aus Sicht der Wildbiologen sollten in bestimmten Bereichen die Jagdzonen für Gamsen, Rotwild und Rehe aber angepasst und optimiert werden, sagte Pröbstle. Im Chiemgau verschiebe sich der Fokus bei Abschüssen zum Schutz des Waldes auf das Rehwild. Im Karwendel müsse man wahrscheinlich auch an die sehr hohe Dichte der Gams im Wald heran. Der Schutzwald müsse eine Chance zum Aufwachsen haben.
Verbiss und Kothäufchen
Die Wissenschaftler hatten unter anderem den Verbiss im Wald unter die Lupe genommen. Um die Tiere zahlenmäßig zu erfassen, sammelten die Forscher Tausende Kothäufchen – die genetisch analysiert wurden und Aufschluss gaben über Tierart und Geschlecht.
Konkret sammelten die Forscherinnen und Forscher im Frühsommer 2018 in beiden Projektgebieten 2.674 frische Kotproben von Gams-, Reh- und Rotwild. Dabei legten die Teams im teils unwegsamen Gelände 1.046 Kilometer zurück. Im Herbst liefen die Teams noch einmal 1.269 Kilometer ab und sammelten dabei 3.714 Kothäufchen. Auf der genetischen Analyse des Kots basierend seien mittels statischer Methoden und geografischer Informationen abgesicherte Populationszahlen berechnet worden.
Studie im Auftrag des Landtags
Die Landesanstalt hatte sich im Auftrag des Bayerischen Landtags mit der Frage befasst, wie viele Wildtiere tatsächlich auf einer bestimmten Fläche vorhanden sind. Weil Wildtiere geschützte Lebensräume suchen und damit für die Menschen oft nicht sichtbar sind, gebe es teilweise die Befürchtung, dass es im bayerischen Gebirge immer weniger Gamsen, Rehe oder Rothirsche gebe, erläuterte die Landesanstalt den Anlass für die Untersuchung. Andererseits seien die Verbissschäden an jungen Waldbäumen vielerorts offensichtlich.
Etwa 60 Prozent der Gebirgswaldflächen dienen laut Bayerischen Staatsforsten zufolge als Schutzwald. Dieser soll Siedlungen, Gewerbegebiete oder Infrastruktur vor allem vor Lawinen oder Muren schützen. Einige Schutzwälder könnten diese Funktion nicht mehr erfüllen aufgrund von Nutzung, Klimawandel – oder eben Verbiss.
- Nachrichtenagentur dpa