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München

Cannabisclub oder Dönerbude? Münchner erwarten Millionengeschäft


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Cannabisclub-Gründer
"Markus Söder ist eine Schande für Bayern"

InterviewVon Alexander Spöri

Aktualisiert am 08.10.2023Lesedauer: 6 Min.
Luca Bartosch (links) und Philip Jendros sind die Gründer des "Cannabis Social Club Isargreen": Mit ihrem Verein möchten sie schnellstmöglich durchstarten.Vergrößern des Bildes
Luca Bartosch (l.) und Philip Jendros sind die Gründer des "Cannabis Social Club Isargreen": Mit ihrem Verein möchten sie schnellstmöglich durchstarten. (Quelle: Alexander Spöri)

Zwei Männer wollen einen Cannabisclub mit der "besten Anlage Deutschlands" aufbauen. Gestört fühlen sie sich bei ihrem Vorhaben durch Ministerpräsident Markus Söder.

Während im Bundestag in Berlin über den Gesetzesvorschlag zur Cannabislegalisierung diskutiert wird, haben sich diese zwei jungen Männer dazu entschlossen in den Markt einzusteigen. Philip Jendros (28) und Luca Bartosch (29) wollen vor den Toren der bayerischen Landeshauptstadt einen Cannabisclub mit der "besten Anbau-Anlage Deutschlands" eröffnen.

Neben Zirkusleuten, alten Autos, Treckern, einer zur Bar umfunktionierten Hütte und einer Bühne in Form eines Lkw-Anhängers planen die beiden auf einer Wiese in Allach ihre Zukunft. Auch der Name ihres Vereins – "Cannabis Social Club Isargreen" – hat dort niemanden abgeschreckt. Der Grundeigentümer, ein Bauer, unterstützt ihr Vorhaben sogar.

Cannabisclub soll im ersten Jahr zwei Millionen Euro umsetzen

Genauso wie mehr als 100 Mitglieder, die jährlich bereits einen Beitrag von 160 Euro an den Verein zahlen. Deren Cannabis könnte bald auf der Wiese im Münchner Nordwesten angebaut werden. Die beiden Gründer, die sich seit Kindesjahren kennen, haben sich ein hohes Ziel gesetzt: Bis zu zwei Millionen Euro soll "Isargreen" ihren eigenen Berechnungen zufolge im ersten Jahr umsetzen.

Doch noch dürfen die beiden nicht starten. Enttäuscht sind Bartosch und Jendros in erster Linie von "inhaltsleeren" Diskussionen, die Spitzenpolitiker in ganz Deutschland führen, und von den staatstragenden Parteien in Bayern. Dabei sind die CSU und Ministerpräsident Markus Söder den beiden ein besonderer Dorn im Auge.

t-online hat sich mit den zwei Gründern des Cannabisclubs getroffen und nachgefragt, wie der Vereinsaufbau genau abläuft und wo aktuell der Schuh drückt.


t-online: Wann haben Sie zum ersten Mal gekifft?

Philip Jendros: Das erste Mal habe ich es mit 16 probiert. Ich bin da inzwischen schon ein Feinschmecker und brauch da was richtig Schönes.

Luca Bartosch: Ich bin komplett leidenschaftslos für Gras. Ich kiffe auch, aber das ist jetzt nicht so mein Hobby. Ich finde diesen Verein und das Konzept interessant. Für mich ist das ein Hype und ich will in den Markt einsteigen.

Sie wollen also einen Cannabis-Club gründen?

Bartosch: Wir haben vor, die beste Anlage Deutschlands zu bauen. Wir ziehen das Ding professionell auf. Wir wissen, dass 500 Leute, die kiffen, eine riesige Kundenklientel sind und echt Umsatz machen. Die Grundidee, eine Community und einen Verein aufzubauen, fanden wir gut. Sobald der Anbau losgeht, rechne ich mit einem Umsatz in Höhe von 2 Millionen Euro in den ersten zwölf Monaten – mehr als ein Dönerladen.

Warum wollen Sie eine Droge legalisieren?

Jendros: Wenn man in einen Supermarkt geht, dann kaufen sich die Menschen dort hochprozentigen Alkohol, was für mich eher eine Droge ist im Vergleich zu Cannabis.

Bartosch: Aktuell wird gar nichts gegen den Schwarzmarkt getan und jeder Cent, der bei uns ausgegeben wird, ist ein Cent, der nicht im Schwarzmarkt landet.

Wie groß ist der Schwarzmarkt denn heute schon?

Bartosch: Der Schwarzmarkt ist heute schon auch gut organisiert. Den darf man nicht unterschätzen, das sind auch keine blöden Leute. Dahinter stecken jetzt keine Gangster ohne Schulabschluss, aber trotzdem Kriminelle. Die gehen zu Architekten, bezahlen und lassen sich eine Anbauanlage bauen.

Trotzdem birgt der Schwarzmarkt Gefahren. Welche denn?

Jendros: Es wird immer öfters irgendwas auf das Cannabis draufgesprüht, zum Beispiel Haze-Spray. Aber wenn man Gras streckt, ist das schon wirklich traurig. Diese Leute riskieren auch, dass man schwere Krankheiten bekommt.

Warum wollen Sie selbst aktiv werden?

Bartosch: Wir sind ein riesiger Fan vom Cannabis Social Club, weil er EU-konform ist. Außerdem dreht sich nicht nur alles ums Kiffen und den Gewinn. Wir legen großen Wert auf die Community und die Prävention. Das funktioniert besonders gut, weil wir tracken können, wie viel jemand raucht. Dann kann man anfangen, ein Gespräch zu führen. Der riesige Unterschied ist, ob man als Psychologe von oben herab mit Kiffern spricht oder wir alle eine Kiffer-Community sind, die miteinander redet.

Ist Ihr Verein im Moment legal?

Bartosch: In unserer Satzung steht, dass wir anbauen wollen, sobald es die Gesetzeslage zulässt. Wir halten uns an die Regeln, sind aber auch gespannt, wie das kontrolliert wird. Aktuell haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Behörden noch nicht einmal etwas mit einem Präventionskonzept anfangen können.


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Dieses vorsichtige Herumgetue geht mir langsam auf den Sack.


Philip Jendros, Anbaurat beim "Cannabis Social Club Isargreen"


Das klingt, als wären Sie enttäuscht.

Jendros: Dieses vorsichtige Herumgetue geht mir langsam auf den Sack. Klar, wir sind in Deutschland – da muss man manchmal ein bisschen vorsichtiger sein –, aber man müsste auch sagen, wie man sich die Legalisierung denn genau vorstellt.

Bartosch: Aktuell ist das alles eine inhaltslose Debatte, wenn ich mir Markus Lanz oder so anschaue, wie er mit Herrn Lauterbach über die Legalisierung spricht.


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Das wird ein Riesen-Chaos bei der Legalisierung.


Luca Bartosch, stv. Vorsitzender beim "Cannabis Social Club Isargreen"


Dann lassen Sie uns inhaltlich werden. Welche konkreten Probleme gibt es denn aktuell?

Bartosch: Mit dem Gesundheitsamt stehen wir schon lange in Kontakt. Die sind komplett überfordert, was Gesundheits-, Sozial- und Suchtpräventionskonzepte angeht. Es gibt keinen, der das abarbeitet. Es gibt keine Abteilung, die zuständig ist. Das wird ein Riesen-Chaos bei der Legalisierung.

Aktuell dürfen dem Gesetzesentwurf zufolge keine Vollzeitmitarbeiter bei Cannabisclubs angestellt werden. Wer übernimmt dann die Arbeit?

Jendros: Ich habe meinen grünen Daumen schon mal ein bisschen ausgetestet, aber ich würde es mir niemals zutrauen, das so richtig professionell selbst heranzuzüchten.

Bartosch: Wenn man jetzt mit 25 Kilo rechnet, dann haben wir schon Dünger-Kosten von 1.500 Euro. Damit man die Pflanzen schneiden kann, rechnet man mit drei bis vier Vollzeitgärtnern und mit zehn Hilfsarbeitern. 16 Vollzeitleute nur für den Anbau – da ist die Vereinsstruktur noch nicht einmal dabei. Aktuell steht das aber alles nicht im Gesetz.

Ist die Lage in Bayern besonders streng?

Jendros: In Berlin ist das alles kein Stress. Da wirst du als Verein schnell eingetragen. Das verstehe ich einfach nicht. Wir leben in einem Land, da sollten wir dieselben Gesetze haben. Nur, weil wir hier in Bayern sind und hier Markus Söder ist. Er ist kein richtiger Bayer, mit seinem Spezi aus dem Bierkrug. Der ist eine Schande für Bayern.

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Es geht also in Bayern wegen der CSU nicht voran?

Bartosch: Ich bin selbst CSU-Mitglied. Wenn die Partei allerdings so verschlossen bei dem Thema ist, muss man sie auch kritisieren. Aktuell passiert nichts, weil Söder und die CSU alles so runterreden. Da muss man auch mal dagegenhalten. Ich finde es in Deutschland generell traurig, dass Trends an uns vorbeigehen, weil die Gesetzgebung so lange braucht. Die Start-up-Kultur ist schon ziemlich schwach.

Abgesehen von der politischen Debatte ist der Cannabisanbau nicht gerade billig. Wie groß muss allein die Anbaufläche sein?

Bartosch: Alle Cannabis Social Clubs stehen zurzeit vor demselben Problem wegen des Investments in die Anbauanlage. 1.500 Euro wirst du pro Quadratmeter investieren müssen. Auch das ganze Inventar wird besonders teuer. Zwischen 500 und 1.000 Quadratmeter brauchen wir schon.

Diese Fläche muss man in Millionenstädten erst mal finden.

Bartosch: Du brauchst da eigentlich eine ganze Turnhalle: Anbaufläche, Trockenraum, Vorbereitungsraum. Die musst du auch erst mal mieten und wir sind in München.

Jendros: Du musst dann auch wieder gucken, dass die Wände auch dick genug sind, dann das Sicherheitskonzept, Security, Stacheldraht.

Wie viel soll ein Gramm Cannabis dann später einmal kosten?

Jendros: 6 bis 8 Euro pro Gramm sind realistisch als Verkaufspreis.

Es gibt über 18.000 Cannabis-Sorten. Welche wollen Sie anbauen?

Bartosch: Der THC-Gehalt wird zunächst nicht so hoch sein dürfen. Da fallen erst mal 80 Prozent der Cannabissorten, die so gängig sind, weg. Lemon Haze könnte vielleicht noch gehen, aber so spezielle Sachen auf gar keinen Fall.

Cannabisclubs sollen auf 500 Mitglieder beschränkt werden. Wie kann man bei Ihnen Mitglied werden?

Bartosch: Wir haben extra geschrieben, dass wir auf lustige Bewerbungen und interessante Persönlichkeiten stehen. Da kommen teilweise echt lustige Texte zurzeit bei uns an. Es ist uns aber wichtig, dass man mit beiden Beinen fest im Leben steht.

Welche Menschen haben sich bereits beworben?

Bartosch: Man muss jetzt auch mal mit dem Klischee aufräumen. Wir haben jetzt nicht nur irgendwelche depressiven Kiffer im Verein, sondern auch Unternehmer. Wir haben welche, die rauchen abartig viel, und wir haben welche, die rauchen alle zwei Monate. Ende Oktober sind wir bei 300 bis 400 Mitgliedern.

Was passiert, wenn die Legalisierung doch nicht kommen sollte?

Bartosch: Wir versuchen, den Verein jetzt aufzubauen – unabhängig von der Legalisierung. Im schlimmsten Fall, wenn die Legalisierung doch nicht kommt, sind wir dann ein Social Club, der sich für die Legalisierung einsetzt. Das Programm, darunter Workshops und gemeinsame Aktivitäten, können wir trotzdem machen.

Von welchen Aktivitäten ist dann die Rede?

Bartosch: Wir versuchen Kooperationen einzufädeln, beispielsweise mit einem Kajakverein, bei dem unsere Mitglieder Anfängerkurse bekommen können. Das ist erst mal nett und hat nichts mit Kiffen zu tun. Anstatt samstags traurig zu Hause zu sein, lernen die Leute dann lieber eine Gruppe kennen.

Und wenn die Legalisierung tatsächlich kommt?

Jendros: Das wäre mein Traum, wenn wir hier irgendwann Gras anbauen können. Mit dem Fahrrad bei schönstem Wetter hierherzufahren und zu gucken, wie es den Pflanzen geht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Philip Jendros und Luca Bartosch
  • bundestag.de: "Entwurf zur Legalisierung von Cannabis in erster Lesung"
  • Eigene Recherchen
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