Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Debatte um Zuschauer Wie Markus Söder im Streit um die EM unter Druck gerät
In München gibt es Zoff um die Zuschauer-Kapazität bei der Fußball-EM. Während die Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt auf weitere Corona-Lockerungen warten, will Markus Söder beim Prestigeprojekt Europameisterschaft auf den letzten Drücker eine Entscheidung erzwingen. Das gefällt nicht jedem.
Wenn der Oberbürgermeister einer Millionenmetropole und die Landesregierung bei einem Prestigeprojekt das Reden vernachlässigen, wird es traditionell knifflig. So geschehen in München. Die paneuropäische Fußball-EM 2021 (11. Juni bis 11. Juli) steht bevor, offiziell EURO 2020 genannt. Samt vier Spielen in der bayerischen Landeshauptstadt.
Was wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde, soll nun, da auch Bayern sich von der zweiten Covid-19-Welle erholt, über die Bühne gehen. Unbedingt. Und so macht Markus Söder (CSU) das, was er immer macht, wenn die Zeit drängt: Er macht das Thema zur Chefsache. An diesem Freitag wird der bayerische Ministerpräsident gegen 12.30 Uhr im Prinz-Carl-Palais bekannt geben, ob, und vor wie vielen Zuschauern in München gespielt wird. Eine Woche, bevor das Turnier beginnt.
Streit um die Spiele der Fußball-EM
Wie t-online aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, kommt der bayerische Regierungschef am Freitagmorgen mit seinem Ministerrat zu einer Art Sondersitzung zusammen. Während draußen in der Isar-Metropole die Menschen die nächsten Corona-Lockerungen herbeisehnen, soll drinnen in der Bayerischen Staatskanzlei zumindest eine Entscheidung zur Europameisterschaft fallen.
Elf Tage vor dem ersten Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich (15. Juni, 21 Uhr). Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte zuletzt im Gespräch mit dem BR kritisiert: "Das ist eine Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung im Rahmen der Corona-Regelungen, und ich versuche seit Wochen auf diese Frage, die mich als Oberbürgermeister, aber auch als Fußballfan interessiert, eine Antwort zu bekommen."
Die Situation ist verzwickt, das Thema hochbrisant. Seit Wochen macht es den Eindruck, als ob das Rathaus und die Landesregierung aneinander vorbeireden.
Ein Rückblick: Am 23. April erklärte die Uefa, dass München EM-Gastgeber bleibe, weil es eine Zusicherung von Seiten der Bayerischen Staatsregierung für mindestens 14.500 Zuschauer gebe. Wenige Tage zuvor hatte OB Reiter jedoch t-online erklärt: "Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie zulässt, im Juni Zuschauer zuzulassen oder nicht. Klar ist aber, dass Veranstaltungen mit Zuschauern nach den aktuellen Vorschriften der bayerischen Infektionsschutzverordnung nicht erlaubt sind."
Markus Söder ist wohl für Zuschauer
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration teilte seinerzeit wiederum mit: "Wir sind insgesamt zuversichtlich, dass sich die Infektionslage bis Mitte Juni soweit entspannt, dass für das gesamte öffentliche Leben zahlreiche Lockerungen stattfinden können, so dass auch Zuschauer wieder zugelassen werden könnten."
Damals lag die 7-Tage-Inzidenz zeitweise über 160. An diesem Donnerstag war der Wert dagegen am dritten Tag in Folge unter 30 gesunken. Und während das Wetter sommerlich wird, strömen die Einwohner zu Zehntausenden in die Isarauen, den Englischen Garten und die vielen Biergärten. Aber: Besagte Biergärten und die Außengastronomie müssen um 22 Uhr schließen, was die Menschen in Scharen wieder auf die Straßen treibt, was eigentlich verboten ist.
Sonderstellung für die Fußball-EM?
Dass es nun ausgerechnet für die Fußball-EM eine Sonderlösung geben soll, stößt im Stadtfunk auf wenig Gegenliebe. Bei manchen Bürgern ist der Unmut groß. Ein Beispiel: Jüngst kritisierte der bekannte Münchner Wirt Michael "Michel" Jachan im Gespräch mit t-online, dass "der Uefa Versprechungen gemacht" würden, "damit man die vier Spiele in der Arena nicht verliert! Das ist beim besten Willen wirklich nicht das größte Problem, das wir in Deutschland haben!"
Gemeinsam mit seinem Wirts-Kollegen Holger "Holle" Britzius betreibt Jachan in der Maxvorstadt das unter Fußball-Fans deutschlandweit bekannte "Stadion an der Schleißheimer Straße". Da die beiden Gastronomen aber keine Terrasse oder einen Schanigarten haben, können sie die EM-Spiele nicht zeigen. Während die Frage ungeklärt ist, wann es für die Innengastronomie wieder losgeht, kümmert sich Landeschef Söder erstmal um die Fußball-EM. Schließlich haben andere EM-Gastgeber große Zuschauer-Kapazitäten längst geplant.
Fußball-EM 2021: Spiele in München
- Dienstag, 15. Juni, 21 Uhr: Frankreich - Deutschland
- Samstag, 19. Juni, 18 Uhr: Portugal - Deutschland
- Mittwoch, 23. Juni, 21 Uhr: Deutschland - Ungarn
- Freitag, 2. Juli, 21 Uhr: 2. EM-Viertelfinale
So sollen zum Beispiel in Budapest, dem zweiten Spielort der deutschen Gruppe F, 61.000 Zuschauer ins Stadion dürfen, das damit ausverkauft wäre. Rom sicherte für das Olympiastadion mindestens 16.000 Fans pro Spiel zu, London mindestens 22.500 Zuschauer, was 25 Prozent der Kapazität des Wembley Stadions entspricht.
"Es besteht eine große Chance", erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU), dass auch die drei Gruppenspiele und das zweite EM-Viertelfinale in München vor Publikum stattfinden können. Vieles deutet nun darauf hin, dass Ministerpräsident Söder am Freitag die von seinem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) geforderten 15.000 Zuschauer verkünden wird. Während in München etliche Corona-Fragen weiter ungeklärt sind.
- Anfrage an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
- Anfrage an die Stadt München
- "AZ München": "Debatte um Öffnung in München: Kippt die Sperrstunde!"
- BR24: "Aiwanger: Bei EM jeden fünften Platz in der Arena München nutzen", "Münchner EM-Spiele: Organisatoren wollen Klarheit über Zuschauer"
- "Faz.net": "München plant mit bis zu 50 Prozent Zuschauern"