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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Reduziert Stress und Schmerzen Münchner Start-up entwickelt virtuellen Delfin für kranke Kinder

Einmal einen Delfin streicheln: Das ist der Traum vieler kranker Kinder. Ein Münchner Start-up bringt die Tiere ins Krankenhaus und lindert so die Schmerzen der jungen Patienten.
Ein sechsjähriger Junge liegt mit schweren Verbrennungen in einem Krankenhausbett. Die Ärzte wissen nicht, ob er seine Arme noch bewegen kann. Da taucht plötzlich das Hologramm eines Schwimmreifens vor dem Krankenbett auf. Aus ihm kommt langsam ein Delfin heraus. Auch er, D3LFY genannt, ist nur ein Hologramm. Doch er wirkt täuschend echt und hat den erhofften Effekt: Langsam bewegt der kleine Junge erst den einen Arm, um das Tier zu streicheln, dann auch den anderen. Und somit wissen die Ärzte: Es funktioniert noch alles.
Das ist nur eine von vielen Situationen, an die sich der 47-jährige Markus Strobl erinnern kann. Er ist der Gründer des Programms D3LFY, das Teil des Münchner Start-ups So geht wow ist. Vor drei Jahren startete das Unternehmen mit einem virtuellen Klinik-Clown. Während der Corona-Pandemie konnten die Klinik-Clowns ihre Arbeit nicht machen. Und da kam So geht wow ins Spiel: "FrédARico" war zunächst eine 3D-Figur, die aus Büchern erschien, sobald die Kinder ihr Telefon oder Tablet darüber gehalten haben. Seine Darbietungen hatte "FrédARico" von echten Clowns gelernt.
Münchner Start-up bringt Delfintherapie in Krankenhäuser
Je mehr Strobl durch "FrédARico" mit den Kindern zu tun hatte, umso mehr interessierte ihn, was sie sich noch wünschen. "Ich dachte, vielleicht ein pinkes Einhorn oder so", sagt Strobl und lacht. Stattdessen wünschten sich viele Kinder einen Delfin. Und so entstand D3LFY. Tüftler Strobl: "Es ist keine VR (Virtual Reality), sondern ein Hologramm".
Der Unterschied ist, die Kinder sehen weiterhin den Raum und ihre Hände, nur da kommt etwas in 3D hinzu. Für Kinder, aber auch für Senioren im Demenzbereich sei das deshalb so wichtig, weil sie die Bindung zu ihren Bezugspersonen und ihrer Umgebung nicht verlieren, erklärt Strobl.
D3LFY ist das Körperdouble eines echten Delfins
Gemeinsam mit dem Grafikteam entwickelten sie einen Delfin, der "realistisch und trotzdem freundlich ist". Damit D3LFY wie ein echter Delfin wirkt und nicht wie ein Spielzeug, sprach Strobl mit einer Meeresbiologin. Von ihr bekam er Unterwasseraufnahmen zur Erstellung eines Bewegungsprotokolls. "Und jetzt ist unser D3LFY das Körperdouble eines echten Delfins – und jetzt war er kein Spielzeug mehr."
Der Hologramm-Delfin D3LFY reagiert auf Bewegungen und Stimmen. Streckt ein Kind etwa die Hand aus, kommt der Delfin zu ihm geschwommen und lässt sich streicheln. "Das Erstaunliche ist, im Kopf passiert genau das Gleiche, als würde man einen echten Delfin berühren: Es werden Kuschelhormone ausgestoßen." Das Hormon Oxytocin wird laut Strobl in der gleichen Hirnregion ausgeschüttet, in der wir Schmerz empfinden. "Durch den Ausstoß der Kuschelhormone haben die Kinder weniger Stress und weniger Schmerzen."
D3LFY soll künftig vielseitig einsetzbar sein
Mit dem Einsatz von KI werde D3LFY weiter trainiert, und spezielle Physiotherapien könnten auf den Patienten angepasst werden, sagt Strobl. Er kann sich auch vorstellen, künftig Personal aus Berufsgruppen, die unter viel Stress im Job leiden, von D3LFY therapieren zu lassen. Das hat im Moment allerdings seinen Preis: Eine Stunde Therapie mit dem Hologramm-Delfin samt Anfahrt kostet 600 Euro.
Zukünftig sei jedoch geplant, dass Kliniken eine Jahreslizenz für das D3LFY-Programm kaufen. Strobls Vision: das erste virtuelle Delfintherapiezentrum, mit Arztpraxen drumherum, die seine Technik nutzen. Derzeit führe das Start-up auch Gespräche mit Krankenkassen, die sich vorstellen können, D3LFY im Bereich der mentalen Gesundheit auch präventiv einzusetzen. Ab Sommer soll es dann bereits die ersten Tests geben.
- Interview mit Markus Strobl