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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gefallenes 1860-Talent "Damals habe ich gedacht, ich bin der Größte"
Einst galt Savio Nsereko als eines der hoffnungsvollsten deutschen Talente. Von München aus wollte er die Fußballwelt erobern. Doch es kam alles anders.
SC Armin München, BSC Sendling, Fortuna Unterhaching und SK Srbija München – schaut man sich die letzten Karrierestationen von Savio Nsereko an, könnte man meinen, der 35-Jährige sei ein ganz normaler Amateurfußballer gewesen. War er aber nicht. Denn geht man die Liste der Vereine, für die Nsereko in seiner Karriere auf dem Platz stand, weiter durch, finden sich noch ganz andere Kaliber.
Bis man aber auf Klubs wie Brescia Calcio, die AC Florenz, den FC Bologna (alle Italien) sowie West Ham United aus der englischen Premier League stößt, muss man weit zurückgehen. Sehr weit. Vorbei an fußballerischen Schwergewichten wie Vereye Stara Zagora, dem FK Jonava sowie dem FC Atyrau. Vereinsnamen, die wohl selbst die größten Experten noch nie gehört haben.
Und irgendwo zwischen Chernomorets Burgas aus Bulgarien und dem klangvollen FC Vaslui aus Rumänien finden sich auch die Spielvereinigung Unterhaching und 1860 München wieder. Aus dem Nachwuchs der "Löwen" heraus hatte Nserekos Aufstieg einst begonnen; als er Jahre später als gestandener Profi an die Grünwalder Straße zurückkehrte, befand er sich bereits im freien Fall.
Nsereko verdiente mit 19 schon Millionen
Im Gespräch mit dem YouTuber Kilian Jonas hat der gebürtige Ugander, der als kleines Kind mit seiner Familie aus Ostafrika nach München kam, nun auf seine Karriere zurückgeblickt. Und das durchaus kritisch, aber mit einem überraschenden Fazit: "Ich bereue nichts", erklärte Nsereko. "Aber man hätte gewisse Sachen sicher anders gestalten können." Was er konkret meint: Sich mehr auf seinen Hauptjob als Fußballer zu konzentrieren und einen anderen Lebensstil zu pflegen.
Als er 2005 aus der Jugend von 1860 zum italienischen Zweitligisten Brescia gewechselt war, habe er bereits 3.500 Euro netto pro Monat verdient. "Das war mit 16 schon extrem", sagte er. Nach dreieinhalb Jahren in der Lombardei, in denen er sich mehr und mehr als Stammspieler im Profiteam etabliert hatte und zwischenzeitlich mit der deutschen U19-Nationalmannschaft Europameister geworden war, klopften noch größere Vereine an. Unter anderem Inter Mailand habe ihn "unbedingt" haben wollen. Letztendlich entschied er sich aber für West Ham.
Fast elf Millionen Euro überwiesen die Londoner im Januar 2009 nach Brescia, machten ihn damit zum bis dahin zweitteuersten Zugang der Vereinsgeschichte. Nsereko, der zu diesem Zeitpunkt als eines der vielversprechendsten deutschen Talente galt, unterzeichnete einen Vertrag über viereinhalb Jahre, der ihm inklusive Prämien rund 115.000 Euro netto pro Monat garantieren sollte. Machte ein Jahresgehalt von fast 1,4 Millionen Euro.
Mit dem Privatjet für 160.000 Euro nach Miami
Allerdings blieb Nsereko nur ein halbes Jahr in England, ehe er im Sommer für eine Ablöse von 6,2 Millionen Euro zur AC Florenz ging. "Ich wollte weg, weil ich nicht so viel Spielzeit bekommen habe, wie ich mir vorgestellt habe", erklärte er den Schritt. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass er bei West Ham immer mehr abdriftete und den Blick für das Wesentliche verlor – nämlich den Fußball.
So flog er einmal mit einem Privatjet nach Miami und wieder zurück. Kosten allein für den Flug: 160.000 Euro. Insgesamt habe er in der Woche sogar 300.000 Euro ausgegeben, wie er im Interview mit YouTuber Kilian Jonas verriet. "Damals habe ich gedacht, ich bin der Größte. Ich war jung, ich wollte es ausleben. Rückblickend hätte ich es aber nicht in dem Exzess machen sollen."
Rückkehr zu den "Löwen" wird zum Desaster
Mit dem Wechsel nach Florenz begann schließlich sein großer Absturz. Für die erste Mannschaft der Fiorentina machte er in fünf Monaten kein einziges Spiel. Es folgte eine wenig erfolgreiche, halbjähirge Leihe nach Bologna, ehe er im Sommer 2010 ebenfalls per Leihe wieder bei 1860 München aufschlug. Doch auch in der Heimat wurde Nsereko nicht glücklich. Gerade einmal drei Einsätze absolvierte er für die "Löwen". Anschließend tauchte er unter, fehlte zwei Wochen unentschuldigt beim Training, meldete sich einfach nicht mehr.
"Ich bin erst mal nach England geflogen, zu meiner Tante, habe das Handy ausgemacht. Es war jugendlicher Leichtsinn, Dummheit. Im Nachhinein ist man natürlich schlauer. Da habe ich mir so ein bisschen selbst ins Bein geschossen", sagte er nun. Den Wechsel zurück nach Giesing bezeichnete er im Nachhinein als "wahrscheinlich nicht die richtige Entscheidung". In München habe er nicht das Umfeld gehabt, das er gebraucht hätte. Der Fußball sei nicht mehr so im Fokus gewesen.
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So zogen die "Löwen" nach nur dreieinhalb Monaten die Reißleine und kündigten Nsereko fristlos. Es folgten weitere Leihen nach Bulgarien, in die zweite italienische Liga und nach Rumänien, ehe er Florenz im Juli 2012 endgültig verließ, ohne je eine Partie für deren Serie-A-Team bestritten zu haben. Kurz darauf schlug die SpVgg Unterhaching zu, Nsereko selbst sprach damals von einem "persönlichen Neuanfang" in der Heimat. Es sollte keiner werden.
Nsereko soll eigene Entführung vorgetäuscht haben
Nach nicht einmal zwei Monaten und drei Kurzeinsätzen lösten die Hachinger den Vertrag wieder auf. Zuvor war Nsereko abgehauen – mal wieder. Mit einem Fußballer-Kumpel flog er einfach nach Thailand. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Angeblich, so wurde es damals berichtet, soll er im Ferienort Pattaya seine eigene Entführung vorgetäuscht haben, nachdem er binnen weniger Tage 25.000 Euro auf den Kopf gehauen hatte und ihm das Geld ausgegangen war.
Telefonisch soll er sich bei Verwandten gemeldet und erklärt haben, dass die Entführer 3.000 Euro Lösegeld fordern würden. Doch statt zu bezahlen, wandte sich seine Familie an die thailändische Polizei. Die soll Nsereko aufgegriffen und festgenommen haben. Eine Geschichte, die er nun ins Reich der Fabeln verwies. "Wir wurden am Flughafen für ein paar Stunden von der Polizei angehalten. Dann bin ich ganz normal zurückgeflogen. Ich war nicht im Gefängnis", beteuerte er.
Schlussstrich unter das Kapitel Fußball gezogen
Über Regionalligist Viktoria Köln, für den er in einem halben Jahr gerade einmal 284 Minuten auf dem Platz stand, tingelte er danach durch die fußballerische Bedeutungslosigkeit Kasachstans, Bulgariens und Litauens. Im Februar 2019 ging es für den inzwischen 29-Jährigen schließlich zurück nach München zum SC Armin. Zehn Jahre nach seinem Millionenwechsel zu West Ham United hieß es für Nsereko B-Klasse 4 statt Premier League.
In der bayerischen Landeshauptstadt blieb das einstige Supertalent seinem Ruf als Wandervogel treu. Vom SC Armin ging es weiter zum BSC Sendling, wohin Nsereko nach Stationen bei Fortuna Unterhaching und SK Srbija in der Saison 2022/23 zurückkehrte. Aus dieser Spielzeit datiert auch sein letzter verzeichneter Einsatz in der A-Klasse.
Heute arbeitet Nsereko als Personaltrainer im Fitness- und Gesundheitsbereich. Darin habe er seine Passion gefunden, erklärte er im YouTube-Interview mit Kilian Jonas. Mit dem Fußball hat er hingegen abgeschlossen. "Ich habe für mich einen Schlussstrich gezogen. Natürlich schaue ich noch gerne Fußball, ich kann auch noch ein bisschen kicken. Aber an sich ist das Kapitel für mich erledigt."
- youtube.de: "Vom Premiere League Star zum Skandal-Profi! (Entführung, Partys & Privatjet)"
- augsburger-allgemeine.de: "Ex-Löwe Nsereko täuscht eigene Entführung vor"
- fupa.net: "Profil von Savio Nsereko"
- merkur.de: "Savio Nsereko fristlos gekündigt"
- spvggunterhaching.de: "Vertragsauflösung mit Savio Nsereko"
- sueddeutsche.de: "Verlorene Seele in Pattaya"
- transfermarkt.de: "Profil von Savio Nsereko"