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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Weihnachten abgesagt" Wahlkampf im Schnelldurchlauf: Eine Druckerei unter Druck
Die vorgezogenen Neuwahlen bedeuten nicht nur für Politiker Stress. Alle, die daran beteiligt sind, müssen schneller arbeiten als sonst. Auch eine Druckerei in der Nähe von München.
Im Sekundentakt zieht es das Papier durch die Druckmaschinen, die Plakate mit dem Gesicht von Sahra Wagenknecht (BSW) darauf stapeln sich auf den braunen Paletten aus Holz. In der Staudigl-Druckerei in Donauwörth laufen die Maschinen genau eine Woche vor Weihnachten auf Hochtouren.
Druckerei versorgt alle Parteien – mit einer Ausnahme
Sie gehört nach eigenen Angaben zu den größten Druckereien des Landes. Eigentlich stellt sie Außenwerbung oder Kalender her. Doch in diesen Tagen konzentriert sich die Druckerei darauf, die Wahlplakate für fast alle politischen Parteien in Deutschland zu drucken – und das so schnell wie noch nie zuvor.
Eine halbe Million Euro Papier vorbestellt
Helmut König ist Vertriebler in der Staudigl-Druckerei. Er arbeitet dort bereits seit 29 Jahren, sagt er. So schnell musste der 57-Jährige noch nie ermöglichen, dass Wahlplakate gedruckt werden. "Wofür wir sonst drei bis vier Monate Zeit haben, stemmen wir jetzt in sechs bis acht Wochen", sagt König.
Dass die Druckerei diesen Auftrag überhaupt erledigen kann, verdankt sie Königs siebtem Sinn: Er hatte es schon geahnt, bevor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus seinem Kabinett warf – und damit den Bruch der Ampelkoalition besiegelte. Eine Woche, bevor endgültig klar war, dass die Bundestagswahl doch schon früher als im September 2025 stattfinden könnte, hatte der Vertriebler Papier im Wert von einer halben Million Euro bestellt. "Zur Sicherheit", sagt Helmut König.
König: "Wir haben Weihnachten abgesagt"
Der Druck ist Helmut König anzumerken. Alle paar Minuten klingelt sein Handy, während er an den Druckmaschinen vorbeiläuft. Am Telefon sind Lieferanten, Auftraggeber und Kollegen. Angestellte kommen seit wenigen Wochen zum Teil auch samstags in die Druckerei, um die Aufträge abzuarbeiten. Relativ kurzfristig hat sich die Führung sogar dazu entschieden, auch über die Feiertage und den Jahreswechsel zu arbeiten – eine Seltenheit in den 45 Jahren, in denen es die Druckerei gibt. "Wir haben Weihnachten bei uns abgesagt", sagt König.
Insgesamt bis zu 700.000 Plakate im Druck
Insgesamt werde die Staudigl-Druckerei in diesem Wahlkampf zwischen 600.000 und 700.000 Plakate drucken, schätzt der Vertriebler. Er denkt, dass das Personal noch den ganzen Januar damit beschäftigt sein wird. Immerhin bringen die Aufträge der Parteien der Druckerei laut König bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes ein.
Welche Partei die meisten Plakate in Auftrag gegeben hat, möchte König nicht verraten. Aber generell gelte: "Je größer die Partei, desto mehr Geld hat sie", sagt er. "Und je mehr Geld eine Partei hat, desto größer ist ihr Wahlkampf."
In einer Lagerhalle liegen Tausende Plakate in Übergröße auf Holzpaletten. Die Falten auf den neun Quadratmeter großen Bildern teilen das Gesicht des Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) in vier Teile. Bei diesen handelt es sich um sogenannte Spitzenkandidaten-Plakate. Darauf werden etwa die Minister oder der Bundeskanzler abgebildet. Dann folgen die Kandidaten-Plakate, auf denen Direktkandidaten der entsprechenden Wahlkreise zu sehen sind. Zuletzt druckt das Unternehmen die sogenannten Themenplakate.
Druckerei schützt sich vor extremen Inhalten
Seit fünfzehn Jahren produziert die Staudigl-Druckerei laut König bereits Wahlplakate. Angefangen haben sie mit Plakaten für den Bundestags-Wahlkampf der SPD. Seitdem hat sich viel verändert. Damals existierte etwa die AfD noch nicht. "Extreme Inhalte drucken wir nicht, das gilt sowohl für rechts als auch für links".
Auch in Hinblick auf andere Parteien ist die Druckerei vorsichtiger geworden: Aus den Aufträgen gehe oft noch überhaupt nicht hervor, welche Gesichter, Motive und Sprüche später darauf gedruckt werden sollen, sagt König. Dem will sich das Unternehmen nicht ausliefern: In diesem Wahlkampf hat die Druckerei erstmals eine spezielle Klausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufgenommen. Mit dieser könne sie auch kurzfristig noch ablehnen, Plakate zu drucken, deren Inhalt sie als zu extrem empfindet. "Wir gehen eben mit der Zeit", sagt Druckerei-Vertriebler König.
- Besuch der Staudigl-Druckerei
- Gespräch mit Vertrieber Helmut König