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München

München: Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel – Konsulin im Interview


Interview
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Israelische Generalkonsulin
"Wir werden als Monster hingestellt"

InterviewVon Sara Guglielmino

Aktualisiert am 07.10.2024Lesedauer: 5 Min.
imago images 0360874039Vergrößern des Bildes
Die Generalkonsulin des Staates Israel in München Talya Lador-Fresher im November 2023 (Archivbild): Die gebürtige Israelin ist seit September 2023 im Amt. (Quelle: IMAGO/imago)

Vor etwas mehr als einem Monat schoss ein islamistischer Terrorist auf das israelische Generalkonsulat in München. t-online hat die Konsulin zum Interview getroffen.

Heute vor einem Jahr, am 7. Oktober 2023, griff die palästinensische Terrorgruppe Hamas Israel während eines Festivals nahe dem Gazastreifen an. Erst wenige Wochen zuvor hatte die israelische Generalkonsulin Talya Lador-Fresher ihr Amt in München angetreten.

Ein Jahr danach erzählt die 62-Jährige im Interview mit t-online, wie sie den Angriff erlebt hat, wie sie zu pro-palästinensischen Aktivisten steht und wie sicher sie sich nach dem Anschlag auf ihr Konsulat Anfang September fühlt.

t-online: Frau Lador-Fresher, Sie leben nun seit etwa einem Jahr in München. Vor etwas über einem Monat hat ein Terrorist auf Ihr Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum geschossen. Wie sicher fühlen Sie sich aktuell in der Stadt?

Talya Lador-Fresher: Im Großen und Ganzen fühle ich mich sicher, aber nicht immer. Am 5. September, als die Schüsse fielen, war der 52. Jahrestag des Olympiaattentats auf die israelische Mannschaft. Deshalb war glücklicherweise keiner von uns im Generalkonsulat. Was mich aber sehr stolz gemacht hat: Am nächsten Tag sind meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotzdem alle zur Arbeit erschienen. Unsere Botschaft war: Die Terroristen werden unser Leben nicht bestimmen. Wir machen weiter.

Erleben Sie manchmal auch persönliche Angriffe?

Ich selbst stehe unter Polizeischutz. Aber natürlich bekomme ich leider auch immer wieder antisemitische Nachrichten, beispielsweise über Social Media.

Sie haben vor etwa einem Jahr Ihr Amt in München angetreten. Nur knapp einen Monat später, am 7. Oktober 2023, hat die Hamas Israel angegriffen. Gab es Hinweise, dass mit einem Terrorangriff dieser Größenordnung zu rechnen war?

Nein, überhaupt nicht. Aber nicht nur ich rechnete damit überhaupt nicht. Kein Israeli hatte am 6. Oktober die Ahnung, dass am nächsten Tag ein solch schreckliches Massaker im Süden Israels stattfinden und so viele Leute ihr Leben verlieren würden. Niemand hat geahnt, dass Tausende Terroristen den Zaun zwischen dem Gazastreifen und Israel durchbrechen würden. Auch ich hatte letztes Jahr am Abend des 7. Oktober immer noch nicht ganz verstanden, welches Ausmaß das Massaker hat. Aber dieser Tag war der Auslöser des Krieges, der eigentlich "Krieg des 7. Oktober" heißen sollte.

Heute jährt sich der Angriff der Hamas zum ersten Mal. Wie verbringen Sie als israelische Generalkonsulin diesen Tag?

Wir nutzen den Tag, um dem deutschen Publikum unsere Geschichte zu erzählen. Das tun wir immer, aber heute insbesondere. Heute Abend gibt es eine große Veranstaltung in der Synagoge auf dem Jakobsplatz. Es werden Ministerpräsident Markus Söder, Landtagspräsidentin Ilse Aigner sowie die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, und auch ich als Vertreterin des Staates Israel sprechen.

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Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel fuer Sueddeutschland Muenchen 10.07.2024 St. Jakobs-Platz,Zeichen der Solidaritaet mit der juedischen Gemeinschaft und dem Staat Israel Muenchen *** Talya Lador Fresher, Consul General of the State of Israel for Southern Germany Munich 10 07 2024 St Jakobs Platz,Sign of solidarity with the Jewish community and the State of Israel Munich (Quelle: IMAGO/B. Lindenthaler/imago)

Zur Person

Die israelische Generalkonsulin in München Talya Lador-Fresher wurde 1962 in Petach Tikwa in Israel geboren. Sie hat im September 2023 ihr Amt angetreten und ist für die israelische Vertretung in München zuständig. Davor arbeitete sie unter anderem als israelische Botschafterin in Wien. Lador-Fresher ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Sie haben die vergangenen Tage in Israel verbracht. Wo genau waren Sie und was war der Anlass?

Meine Familie wohnt in Israel. Ich war bei ihnen in Jerusalem, denn es war jüdisches Neujahr, ein sehr bedeutender Tag für uns Jüdinnen und Juden. Es war ein schreckliches Jahr in Israel, vielleicht sogar das schrecklichste, an das ich mich erinnern kann.

Wie sieht dieser Tage der Alltag in Israel aus?

In Jerusalem wie auch in Tel Aviv und generell in Zentralisrael ist das Leben praktisch normal, man fühlt sich relativ sicher. Aber im Norden Israels etwa sieht es ganz anders aus. Da hört man die ganze Zeit Sirenen und es fallen circa hundert Raketen am Tag. Dort hofft man einfach auf das Beste und dass die Luftoperationen und die begrenzte Bodenoffensive im Libanon wirkt. Es gibt zurzeit 65.000 Israelis, die aus dem Norden evakuiert werden mussten. Ziel ist es, dass diese Menschen nach Hause zurückkehren können, ohne der Gefahr von Raktenbeschuss durch die Hisbollah ausgesetzt zu sein.

Sie haben in den vergangenen Tagen ein Foto auf X gepostet, das den Bunker Ihrer Tochter in Jerusalem zeigt. Was macht das mit Ihnen, vor allem als Mutter?

Das war in der Nacht, als der Iran fast 200 Raketen auf Israel geschossen hat. Da war das ganze Land bedroht, deshalb war auch meine Tochter im Bunker. Ich mache mir natürlich die ganze Zeit Sorgen um meine Familie, Freunde und mein Land. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es unser Land gibt.

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War es für Ihre Familie jemals eine Option, auch aus Israel wegzugehen, vor allem nach den Ereignissen des vergangenen Jahres?

Sie hätten diese Option natürlich, ich wohne ja jetzt hier in München. Aber davon war nie die Rede. Einige Israelis haben das Land in den letzten Monaten verlassen, oft zum Studieren oder um im Ausland zu arbeiten. Gleichzeitig ziehen aktuell auch viele Jüdinnen und Juden nach Israel. Ich glaube, die meisten Israelis verstehen, wie wichtig es ist, in Israel zu leben. Und das wollen sie auch.

Israel greift seit fast einer Woche die Hisbollah im Libanon an, davor gab es Angriffe des Iran auf Ihr Land. Der Nahostkonflikt eskaliert immer weiter. Ist eine diplomatische Lösung noch möglich?

Am Ende wird es eine diplomatische Lösung geben. Die Frage ist nur, wann ist das Ende? Es war nicht unser Wunsch, an diesen beiden Fronten zu kämpfen. Aber jetzt kämpfen wir eigentlich an sieben Fronten. Im Süden gegen die Hamas, im Norden gegen die Hisbollah. Dazu kommen die Milizen des Irak und in Syrien, die auch wie die Huthis im Jemen Raketen auf Israel abfeuern. Auch im Westjordanland gibt es Terror. Und all das ist durch den Iran unterstützt und gesteuert. Die Palästinenser haben so viele Möglichkeiten gehabt, um die sogenannte Zweistaatenlösung zu akzeptieren, die erste 1947 bei der UN-Resolution und später dann etwa im Rahmen des Oslo-Abkommens.

Also würden Sie sagen, es gab von palästinensischer Seite nie einen ehrlichen Willen zur Zweistaatenlösung?

Genau.


Quotation Mark

Wir kämpfen eigentlich an sieben Fronten


Israelische Generalkonsulin in München Talya Lador-Fresher


Anhänger der palästinensischen Seite argumentieren mit der Unterdrückung Palästinenser durch Israel in den vergangenen Jahrzehnten. Was sagen Sie dazu?

Ich sehe die Eskalation eigentlich nur auf einer Seite. Gestern beispielsweise gab es in München eine große friedliche Kundgebung gegen Antisemitismus. Auf sogenannten "Pro Palästina"-Demonstrationen hört man immer wieder den Spruch "From the river to the sea, Palestine will be free". Was bedeutet das? Der Spruch ruft nach der Vernichtung Israels. Welchen Dialog kann ich mit Leuten führen, die uns vernichten wollen?

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Nach Ansicht vieler Palästinenser verübt Israel in ihrem Land einen Genozid.

Es gibt keinen Genozid in Gaza. Natürlich kämpfen wir dort, die Situation in Gaza ist schwierig. Ich kann das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza verstehen. Aber Worte wie "Genozid" sind falsch und dämonisieren Israel. Wir werden als Monster hingestellt. Und was macht man mit Monstern? Man will sie vernichten.

Das vergangene Jahr muss sowohl beruflich als auch persönlich sehr belastend gewesen sein. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, das Handtuch zu werfen?

Nein. Ganz im Gegenteil. Ich fühle, dass meine Position wichtiger denn je ist. Für mein Land, für mein Volk. Ich werde weiter machen. Wann immer mir jemand die Gelegenheit gibt, unsere Situation zu erklären und einen echten Dialog zu führen, werde ich es tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Generalkonsulin Talya Lador-Fresher
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