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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Polizei erschießt Frau in Supermarkt "Überhaupt keine Zeit für einen Warnschuss"
Eine Frau wird in einem Münchner Supermarkt von zwei Polizisten mit vier Schüssen getötet. Aus Sicht der Polizeigewerkschaft war das Verhalten der Beamten verhältnismäßig.
Am Montagabend ist im Münchner Stadtteil Sendling eine 31-Jährige in einem Supermarkt von zwei Polizisten erschossen worden. Zuvor soll sie am Goetheplatz einen Mann mit einem Messer attackiert haben. Als die Beamten dann auf die Frau trafen, soll diese sie mit einem Messer bedroht haben.
Zunächst setzten die Polizisten Pfefferspray ein – ohne Erfolg. Daher griffen zwei der vier Polizisten zur Waffe und gaben vier Schüsse ab. Die Münchnerin starb noch vor Ort.
"Notwendig waren die Schüsse auf jeden Fall"
Thorsten Grimm, der stellvertretende Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sagt dazu: "Notwendig waren die Schüsse auf jeden Fall. Natürlich wird auch immer die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt. Diese Frage bemisst sich danach, ob die Maßnahme geeignet und auch erforderlich ist. All das trifft zu."
Die Polizisten hätten die Frau verbal aufgefordert, das Messer abzulegen. Dies sei ein milderes Mittel im Bereich der Kommunikation gewesen. Dann sei anschließend als weiteres milderes Mittel das Pfefferspray zum Einsatz gekommen. "Pfefferspray ist häufig nicht Erfolg versprechend – so auch in diesem Fall. Und dann bleibt am Ende, nach dem jetzigen Stand, nur noch die Schusswaffe", sagt der Landesvorsitzende der DpolG.
Einsatz von Pfefferspray nicht immer erfolgreich
Dass das Pfefferspray nicht gewirkt habe, sei nicht außergewöhnlich. "Wir haben ganz viele Erfahrungen in diesem Bereich. Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie körperliche Konstitution sowie Betäubungsmittel- oder Alkoholeinfluss." Das alles sei ausschlaggebend dafür, ob Pfefferspray wirke oder nicht.
Die Beamten reagierten am Montagabend letztlich mit vier Schüssen. Normalerweise hätten die Polizisten laut Grimm zuerst einen Warnschuss abgeben können, jedoch sei dies in einer solchen Situation nahezu unmöglich gewesen, da sich die Szene in einem Supermarkt abgespielt habe und die Distanz sehr kurz gewesen sei.
Polizeisprecher Andreas Franken sprach am Dienstag von ein bis zwei Metern Abstand zwischen der Frau und den Beamten. Laut Grimm ist jedoch ein Mindestabstand von sechs bis sieben Metern nötig, um einen schnellen Messerangriff mit der Schusswaffe abwehren zu können. "Also überhaupt keine Zeit für einen Warnschuss, selbst bei gezogener Dienstwaffe", meint der Polizeigewerkschafter.
Taser hätte Situation vielleicht verhindern können
Die Polizisten müssen laut Grimm in so einer Situation einschätzen, ob sie eine Trefferwirkung erzielt haben oder nicht. Jedoch unterbindet der erste Schuss, auch wenn er treffe, oftmals nicht den Angriff. Deshalb kann es, wie am Montag auch, zu weiteren Schüssen kommen. "Auch wenn diese Situation mit dem Tod der Frau durch die Schusswaffen endete, war die Abwehr des Angriffs im Rahmen der Notwehr verhältnismäßig."
Laut Grimm hätte ein Taser die Situation vielleicht verhindern können. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert deshalb in Bayern den flächendeckenden Einsatz von Tasern. Das in der Fachsprache als Distanz-Elektroimpulsgerät (DEIG) bekannte Einsatzmittel sieht aus wie eine Elektroschock-Pistole. Es wirkt allerdings auf den Muskelapparat des Körpers und kann eine Person für fünf Sekunden außer Gefecht setzen, so Grimm. In dieser Zeit könnten dann weitere polizeiliche Maßnahmen folgen. Derzeit ermitteln das Landeskriminalamt (LKS) und die Staatsanwaltschaft, ob der Schusswaffengebrauch rechtmäßig war.
- Telefonat mit Thorsten Grimm
- Eigene Recherche