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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Münchner holt den Titel Europas bester Pizzabäcker gibt Tipps für eine perfekte Pizza
Ein Deutscher ist Europameister der Pizzabäcker. Giovanni Stincone aus Garching bei München setzt bei seiner Pizza auf Tüftelei, Zutaten nur aus Italien und: "ganz viel Liebe".
Europas bester Pizzabäcker hält einen Moment inne und blickt liebevoll, ja fast schon zärtlich auf den eingemehlten Ballen vor ihm auf der Arbeitsplatte, der in seinen Augen die Grundlage einer jeden guten Pizza darstellt – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Der Teig, sagt Giovanni Stincone, sei das Wichtigste. Bei ihm enthalte er exakt 68 Prozent Wasser – im Winter. In den wärmeren Sommermonaten gehe er auf 65 Prozent runter und gebe zudem etwas weniger Hefe hinzu.
Ganz generell lasse er seinen Teig vor der Verarbeitung mindestens 48 Stunden ruhen, sagt Stincone, während er ihn nun mit wenigen Handgriffen auseinanderzieht. Denn: "Man sollte ihn so wenig wie möglich anfassen." Im nächsten Moment kleckst der 38-Jährige eine rote Soße auf den Teig, deren Tomaten nur aus Italien kommen, wie er betont. Und nach ein paar zerrupften Basilikumblättern folgt schließlich der Käse – wobei Giovanni Stincone dieses Wort nie in den Mund nehmen würde.
"Käse hat auf der Pizza nichts verloren"
Denn was er jetzt großzügig auf der Tomatensoße verteilt, sei Fior di Latte, ein Mozzarella aus Kuhmilch. "Käse", ruft Stincone und spricht die zwei Silben wie ein Schimpfwort aus, "hat auf der Pizza nichts verloren."
Sagt's, greift zum Schieber und lässt ihn unter die Teigscheibe gleiten. Nach ein paar letzten Handgriffen – ein Zupfen hier, ein Rupfen dort – landet die Pizza dann im Ofen des Restaurants "La Pergola" in Garching nördlich von München, wo sie sich zweieinhalb Minuten bei 370 Grad um die eigene Achse drehen wird.
Zeit also, um einen genaueren Blick auf jenen Giovanni Stincone zu werfen, der hier täglich 150 Pizzen zubereitet – stets ohne Käse, dafür aber "mit meiner wichtigsten Zutat", wie er sagt. Nämlich: "ganz viel Liebe."
Hose, Schürze, Hemd – alles in weiß
Auf dem Kopf trägt der in Sizilien geborene Pizzabäcker eine quietschbunte Schiebermütze, darunter – alles in Weiß – eine Hose, eine Schürze und ein Hemd, auf dessen Rücken der Schriftzug prangt: "Pizza Nationalmannschaft Deutschland". Denn diesem illustren Kreis gehört Giovanni Stincone seit 2021 an.
Damals habe ihn der Gründer und Leiter des Pizzabäcker-Nationalteams, der Gastronom Umberto Napolitano, in die Auswahl aufgenommen. Bei seinem ersten Wettbewerb wurde Stincone auf Anhieb Deutscher Meister in der Kategorie "Classica Gourmet", bei der die Teilnehmer binnen 15 Minuten eine Pizza ihrer Wahl zubereiten müssen, die anschließend von einer Jury bewertet wird.
Topinambur statt Tomatensoße
Vor Kurzem hat der Garchinger an einem zweiten Wettbewerb teilgenommen und wieder gewonnen – bei der "European Pizza Championship Germany", der selbst ernannten Europameisterschaft. Dort überzeugte Stincone die Jury mit einer Kreation aus Topinambur-Creme statt Tomatensoße, darauf kamen Streifen vom Kabeljau – "die habe ich fünf Stunden lang bei 52 Grad gebacken", erzählt er, sowie Stracciatella di Bufala, ein italienischer Käse aus Wasserbüffelmilch, Topinambur-Chips und Kaviar aus frischer Minze.
Nun muss man an dieser Stelle vielleicht anmerken, dass hinter dem Pizza-Nationalteam ein Unternehmen steht, nämlich Umberto Napolitanos Pizza-Schule, die Kurse anbietet und Pizzamehl vertreibt. Zudem gibt es nicht nur eine Europameisterschaft, sondern mehrere solcher Wettbewerbe, die meist zu Werbezwecken von Verbänden oder im Rahmen von Messen organisiert werden. So fand auch das Kräftemessen der Pizzabäcker, bei dem Stincone siegte, auf der Internorga in Hamburg statt, wo einige Dutzend Teilnehmer aus verschiedenen Ländern gegeneinander antraten.
Weniger ist mehr: höchstens noch scharfe Salami
Doch unabhängig vom wirklichen Wert eines solchen Titels ist dem frischgebackenen Europameister Giovanni Stincone seine Liebe und Leidenschaft für die Pizzabäckerei bei jedem Handgriff anzumerken, hier in der Backstube des "La Pergola", wo er gerade eine brutzelnde Pizza aus dem Ofen gezogen hat.
Diese schneidet er nun vorsichtig mit der Schere auf – schließlich würde ein Messer nur den Rand ruinieren, der knusprig und luftig zugleich sein müsse, betont Stincone. "Wenn man beim Aufschneiden sieht, dass der Rand voller Teig ist, kann man die Pizza gleich wegwerfen." In puncto Tomatensoße und Belag gelte derweil: Weniger ist mehr, sagt der 38-Jährige, auf dessen Lieblingspizza höchstens noch scharfe Salami kommt.
"Wirklich das Allerschlimmste: Pizza Hawaii"
Ungleich extravaganter war dagegen seine Kreation für die Europameisterschaft, an der er monatelang getüftelt hatte – in seinem "Pizza-Labor", wie er den Kellerraum in seinem Restaurant nennt. Dorthin steige er nahezu täglich hinab, sagt Stincone, zum Experimentieren und Probieren.
Nur eine Zutat wird man im Pizza-Labor vergeblich suchen, wenngleich sie gerade in Deutschland ihren Weg auf viele Lieblingspizzen findet: Ananas. "Pizza Hawaii ist wirklich das Allerschlimmste", sagt Giovanni Stincone und verzieht das Gesicht, als habe ihm jemand Essig in den Rotwein gekippt. Schließlich sei Ananas ein Dessert und nichts anderes. "Auf einer Pizza hat sie nichts zu suchen."
Drei Pizza-Tipps vom Europameister
Zeit lassen: Ein guter Pizzateig brauche nicht nur ausgewählte Zutaten, sondern auch Geduld, rät Giovanni Stincone. "Man sollte ihn mindestens 24 Stunden ruhen lassen, bevor man ihn verwendet."
Weniger Hefe: Ein häufiger Fehler vieler Hobby-Pizzabäcker sei zu viel Hefe im Teig, sagt Giovanni Stincone. Er rät aus Gründen des Geschmacks und der Verträglichkeit zur Zurückhaltung: "Zwei Gramm pro Kilo sind völlig ausreichend."
Hand anlegen: Wenn's an die Tomatensoße geht, empfiehlt Giovanni Stincone Handarbeit. So sollten die Tomaten weder mit der Gabel noch mit dem Kartoffelstampfer und schon gar nicht im Mixer zerdrückt werden. "Am besten macht man das mit den Händen", sagt er. Denn nur so behielten die Tomaten ihren vollen Geschmack.
- Eigene Recherche