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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Starkoch mit krimineller Energie So funktionierte das "System Schuhbeck"
Spitzenkoch, Prominenter, zweifach verurteilter Betrüger. Alfons Schuhbeck verliert mit dem Urteil nicht nur seine Freiheit – sondern auch seinen Ruf.
Eine große Karriere endet in einer kleinen Zelle: Alfons Schuhbeck verlässt das Gericht als zweifach verurteilter Steuerbetrüger. Das Urteil des Landgerichts München I lautet: drei Jahre und zwei Monate Gefängnis für Schuhbeck. Der vielfach ausgezeichnete Spitzenkoch, der mehrere Restaurants betreibt, Bücher schrieb, im Fernsehen und für den FC Bayern kochte, soll nun – mit 73 Jahren – ins Gefängnis, muss außerdem 1,2 Millionen Euro zahlen. Er nimmt das Urteil an diesem Donnerstag stoisch zur Kenntnis.
Als Richterin Andrea Wagner ihr Urteil gesprochen und die Sitzung beendet hat, macht Alfons Schuhbeck alles wie an jedem anderen Tag: Er geht direkt aus dem Gerichtsgebäude in sein Restaurant und kocht, wie einer seiner Mitarbeiter AFP berichtet. Wie lange der frühere Sternekoch das noch am edlen Münchner Platzl tun kann, ist offen – wahrscheinlich wird Schuhbeck seine Küche bald mit einer Zelle tauschen müssen.
Mehr als 2,3 Millionen Euro an Steuern hat er hinterzogen. Mithilfe eines eigens in Auftrag gegebenen Computerprogramms ließ Schuhbeck Umsätze in seinen Restaurants manipulieren. Es war, wie sich im Laufe des Prozesses zeigte, ein Betrug mit System.
Denn Schuhbeck hat nicht das erste Mal Geld am Fiskus vorbeigeschleust: 1994 war er im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kapitalanlagen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe von 250.000 D-Mark verurteilt worden. Damals hatte Schuhbeck angegeben, selbst Opfer eines Betrügers geworden zu sein. 1994 soll es der Anlageberater gewesen sein, der Schuhbeck angeblich getäuscht hatte. Schuhbeck kam mit einer Bewährungsstrafe davon.
Schuhbeck vor Gericht: "Schnell, schnell, zack-zack und weg" das Geld
Auch in diesem Prozess behaupteten Schuhbeck und seine Anwälte zunächst, der Starkoch sei selbst das Opfer eines Betrugs geworden. Schuhbecks Verteidiger erklärten zum Start der Verhandlung, dass es "weder Indizien noch Belege" dafür gebe, dass Schuhbeck Geld aus der Kasse genommen habe. Tatsächlich sei er selbst bestohlen worden, betrogen um noch weit größere Summen als der Fiskus, behaupteten seine Anwälte Sascha König und Markus Gotzens.
Doch diese Erzählung brach schnell in sich zusammen. Der wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung mitangeklagte frühere EDV-Chef Schuhbecks belastete den Starkoch vor dem Landgericht München I schwer. Er erklärte ausführlich, wie die Steuerhinterziehung in Schuhbecks Restaurants "Orlando" und den "Südtiroler Stuben" vonstattenging: Er habe ein Abrechnungsprogramm auf Schuhbecks Anweisung so programmiert, dass es nachträglich möglich gewesen sei, verbuchte Einnahmen zu verringern, ließ der Mitangeklagte verlesen.
Mit wenigen Klicks wurden Tagesabrechnungen gelöscht
Was folgte, bezeichnete die Vorsitzende Richterin als einen "Wumms", von dem sich alle erst einmal erholen müssten: Schuhbeck gestand. Er räumte ein, die Aussage seines ehemaligen Mitarbeiters sei "im Großen und Ganzen richtig" gewesen. "Schnell, schnell, zack-zack und weg", beschrieb Schuhbeck das große Löschen von Umsätzen am Computer.
Dazu habe er nur einen USB-Stick in seinen Rechner im Restaurant "Orlando" stecken müssen, dann sei eine Maske erschienen, und er habe mit wenigen Klicks ganze Tische aus den Tagesabrechnungen löschen können. Seinen Anwälten habe er sich erst am Wochenende vor seinem Geständnis umfassend offenbart.
Er sei ein leidenschaftlicher Koch, aber unternehmerisch gescheitert, sagte Schuhbeck. Ordnung habe in seinem Büro nie geherrscht. Dort sollen tagelang Geldscheine von bar zahlenden Gästen in einem "Mapperl" auf dem Schreibtisch gelegen haben, ständig seien Leute ein und aus gegangen, berichtete Schuhbeck.
Was bleibt vom Promi-Koch Alfons Schuhbeck?
Vor mehr als zwei Jahren waren Steuerfahnder und Staatsanwälte bei einer Razzia in Schuhbecks Restaurants auf Lücken in der Buchhaltung gestoßen und hatten anschließend mühsam herausgerechnet, was an Steuern fehlen dürfte: Um rund eine Million Euro geht es beim Restaurant "Orlando" und um etwas mehr als eine Million Euro bei den "Südtiroler Stuben".
Für Schuhbeck ging es am Donnerstag nicht nur um seine Freiheit, sondern auch um sein Lebenswerk. Durch den Schuldspruch dürfte gelten, was seine Anwälte anfangs in den Besprechungen mit der Richterin sagten: "Eine Haftstrafe würde Alfons Schuhbeck ruinieren." Seinen Ruf, seine Karriere, sein Vermächtnis. Alfons Schuhbeck ist vorerst kein Koch mehr, kein Unternehmer, sondern ein zweifach verurteilter Steuerbetrüger und bald ein Gefängnisinsasse.
- Eigene Recherchen
- Reporter vor Gericht
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP