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München

CSU-Abgeordneter Pilsinger im Interview: "München kann nicht ewig wachsen"


CSU-Politiker Pilsinger
Wohnungsnot: "München kann nicht ewig wachsen"

InterviewVon Patrick Mayer

07.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Blick auf die Münchner Skyline (Archivbild): Die bayerische Landeshauptstadt ist bundesweit für ihre hohen Mieten bekannt.Vergrößern des Bildes
Blick auf die Münchner Skyline (Archivbild): Die bayerische Landeshauptstadt ist bundesweit für ihre hohen Mieten bekannt. (Quelle: Heinz Gebhardt/imago-images-bilder)

Bei der jüngsten Bundestagswahl verteidigte Stephan Pilsinger sein Direktmandat knapp. Mit t-online hat der CSU-Politiker über die Wohnungsnot in München und Gegenmaßnahmen gesprochen.

Herr Pilsinger, welche Lehren zieht die Münchner CSU aus der Bundestagswahl 2021?

Stephan Pilsinger: Die wichtigste Lehre ist, dass wir nicht zu viel auf Umfragen geben sollten. Wir waren in Umfragen wie bei "election.de" in fast allen Wahlkreisen abgeschrieben. Doch wir haben nicht aufgegeben, sondern einen intensiven Wahlkampf geführt. Durch diesen engagierten Wahlkampf haben wir am Ende zumindest drei von vier Direktmandaten gewinnen können.

War das Ergebnis nicht enttäuschend? Sie hatten hauchdünne 0,1 Prozent Vorsprung auf Grünen-Kandidat Dieter Janecek. Und bei den Zweitstimmen überholten die Grünen (26,0 Prozent) die CSU (23,8 Prozent) in München.

Ich habe in einer Grünen-Hochburg kandidiert. In den Umfragen lag ich bisweilen acht Prozentpunkte hinter dem Grünen-Bewerber. Mein persönliches Ergebnis werte ich daher als Erfolg. Es braucht dennoch intensive Diskussionen für eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung der Union.

Hat die CSU zu lange menschennahe Themen vernachlässigt? Stichwort bezahlbarer Wohnraum, Stichwort Kitas?

Man muss ehrlich sein: Bei Bundestagswahlen sind hauptsächlich bundespolitische Themen und der Bundestrend entscheidend. Auch denke ich, dass die strittige Kandidatenfrage unseren Wahlkampf negativ überlagert hat.

Was ist mit der Münchner Perspektive?

Das Allerwichtigste ist, dass wir als CSU in München neue Wählerschichten erschließen müssen. Die soziale Frage muss dafür unsererseits mehr in den Fokus gerückt werden.

Wenn man sich die Ausrichtung der Grünen und der SPD in München anschaut, sieht man: Die Grünen wollen jung und urban sein, die SPD will jetzt auch jung und urban sein. Aber: Wer ist dann noch die Partei, die sich um die Anliegen jener kümmert, die jeden Tag hart arbeiten und sich München grad noch so leisten können?

Stephan Pilsinger, Jahrgang 1987, ist Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis München Zentrum/West. 2017 zog der Arzt das erste Mal für die CSU ins Parlament ein, bei der jüngsten Wahl verteidigte er sein Direktmandat mit 0,1 Prozent Vorsprung auf Grünen-Kandidat Dieter Janecek. Im vorigen Bundestag war Pilsinger wegen seiner beruflichen Herkunft unter anderem Mitglied im Ausschuss für Gesundheit.

Sie meinen den Busfahrer oder die Kassiererin?

Genau. Die sogenannten kleinen Leute werden in München von den anderen Parteien bisher wenig angesprochen. Die Datenlage besagt, dass die Grünen in München hauptsächlich von den Besserverdienenden gewählt werden. Die SPD versucht jetzt, den Grünen thematisch nachzueifern. Deswegen ist es für die CSU künftig wichtig, die Menschen mit kleineren und mittleren Einkünften in den Mittelpunkt ihrer Politik zu rücken.

Was will die CSU konkret für die kleinen Leute tun?

Wir müssen zum Beispiel aktuell für die steigenden Energiepreise einen sozialen Ausgleich schaffen. Die Lösung der Klimakrise ist unbestritten wichtig.

Aber?

Es kann nicht sein, dass besonders die Menschen mit kleinerem Einkommen überproportional dafür die Rechnung bezahlen müssen. Gerade in München sind sie schon von hohen Mieten stark betroffen. Wir dürfen sie nicht mit zusätzlichen Kosten belasten. Diesen Leuten zu sagen, du darfst nicht mehr heizen, sondern musst dich warm anziehen, halte ich für unmenschlich.

Stichwort Mieten: Die Grünen werfen der CSU vor, der Freistaat habe unter dem damaligen Finanzminister Markus Söder Tausende Genossenschaftswohnungen in München an private Investoren verkauft.

Es geht um Wohnungen, die ehemals im Besitz der Bayerischen Lande+sbank waren. Diese Wohnungen mussten damals aufgrund eines EU-Beihilfeverfahrens verkauft werden. Markus Söder hat die Wohnungen auch den Kommunen zum Kauf angeboten. Damals haben die SPD und die Grünen schon regiert, die SPD regiert in München seit fast 50 Jahren durchgehend.

Die Landeshauptstadt hat den Kauf abgelehnt. Da Wohnungsbau im Besonderen eine kommunale Aufgabe ist, ist es falsch, immer mit dem Finger auf andere zu zeigen. Sie sollten konstruktive Vorschläge zur Lösung des Problems machen.

Zum Beispiel? Jamila Schäfer, die im Süden das Direktmandat für die Grünen gewann, will sich im Bundestag für Subventionen durch den Staat einsetzen.

Wir müssen den Wohnungsbau ankurbeln. Dazu gehört, auch in München an manchen Stellen höher zu bauen. Die Höhe muss nicht gleich immer über 100 Meter liegen, aber in Neubaugebieten sollten meistens zwei bis drei Stockwerke mehr gebaut werden, um Wohnraum zu schaffen.

Dennoch bin ich überzeugt, dass keine Stadt unbegrenzt wachsen kann. München ist eine der am dichtesten besiedelten Großstädte Deutschlands. Wir sollten neue Arbeitsplätze nur noch dann aktiv ansiedeln, wenn wir gewährleisten können, dass ausreichend Infrastruktur und Wohnungen zur Verfügung stehen. Der ÖPNV gerät ja jetzt schon an seine Grenzen.

Sie wollen den Zuzug bremsen?

In Teilen Deutschlands gibt es einerseits leer stehende Wohnungen, andererseits in München viel zu wenige. Wir müssen diskutieren, ob es nicht sinnhafter wäre, die Digitalisierung so voranzutreiben, dass die Menschen woanders leben können, auch wenn sie in München arbeiten. Und nicht, dass sie für die Arbeit zwangsläufig nach München ziehen müssen.

Erhebungen der Stadt besagen, dass bis 2040 noch mal eine Viertelmillion Einwohner dazukommen werden. Aktuell leben knapp 1,6 Millionen Menschen in der Isarmetropole.

Die massive Nachverdichtung beeinflusst schon jetzt negativ die Lebensqualität dieser Stadt. Corona hat vieles geändert. Home Office und Remote werden die Arbeitswelt verändern. Ich habe zum Beispiel Bekannte, die aus dem Bayerischen Wald kommen, die sagen, dass sie gerne in ihrer Heimat bleiben würden. Aber aufgrund der beruflichen Perspektive war das bislang nicht möglich. Vieles wird sich durch die Digitalisierung in der Zukunft ändern. Eines ist aber sicher. Nichts kann ewig wachsen, auch München nicht.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Stephan Pilsinger (CSU)
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