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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlammschlacht mit Kraftausdrücken So lief der Prozess gegen Boateng
Jérôme Boateng ist wegen Körperverletzung verurteilt worden. Der ehemalige Fußball-Nationalspieler bestritt, seine ehemalige Freundin angegriffen zu haben. t-online war im Gericht.
Im Urlaub auf den Turks- und Caicosinseln in der Karibik hat Jérôme Boateng seine damalige Lebensgefährtin attackiert. Das sieht der Münchner Richter, der dem langen Prozesstag vorsaß, als bestätigt an. Er verurteilte den Fußballweltmeister und Ex-Spieler des FC Bayern München zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro.
Dabei war es nicht leicht dem Prozess zu folgen: Zwischen Prozessstart am Donnerstagmorgen und Urteilsspruch lagen zehn Stunden Verhandlung, Zeugenaussagen und Plädoyers der Anwälte. Die Aussagen der geladenen Personen hätten nicht unterschiedlicher sein können: Während Boateng und ein damals mitgereister Freund die Vorwürfe bestritten, belastete ihn die Freundin seiner ehemaligen Partnerin, die ebenfalls mit im Urlaub war, schwer. Richter und Staatsanwältin waren wegen der stark unterschiedlichen Versionen sichtlich genervt.
Laut der Staatsanwaltschaft soll der 33-Jährige seine heute 31-jährige Ex-Lebensgefährtin im Juli 2018 bei einem Urlaub auf den Turks- und Caicosinseln geschlagen, geboxt, ihr in den Kopf gebissen, sie auf den Boden geschleudert und dabei heftig beleidigt haben.
Boateng vor Gericht in München: "Aussage gegen Aussage"
Außerdem soll er nach Angaben der Staatsanwaltschaft "in voller Wucht" eine Glaslaterne und eine Kühltasche auf sie geworfen haben. Die Vorwürfe lauteten auf Beleidigung und gefährliche Körperverletzung. Boatengs ehemalige Lebensgefährtin hatte vor dem Prozess bei der Polizei ausgesagt, sie habe Kopf- und Nackenschmerzen sowie mehrere Hämatome davongetragen, unter anderem ein blaues Auge.
Boateng schilderte den Vorfall vor Gericht anders: Die ehemalige Lebensgefährtin sei aggressiv und beleidigend geworden, habe ihn im Streit an der Lippe verletzt und auf ihn eingeschlagen. Als er sie dann von sich habe wegschieben wollen, sei sie gestürzt.
Vor Gericht kochten die Emotionen hoch: Es kam zu einer heftigen Schlammschlacht. Immer wieder wurden vulgärste Beleidigungen zitiert. Am Vormittag hatte der Fußballstar für rund zwei Stunden Fragen beantwortet. Gegen Ende der Befragung wirkte der prominente Beschuldigte sichtlich genervt. Boateng musste einige seiner Aussagen mehrfach wiederholen – wegen Verständigungsproblemen im Saal.
Das Verfahren wurde am Nachmittag mit der Aussage der ehemaligen Freundin, die als Nebenklägerin auftritt, fortgesetzt: "(…) Er hat dann meinen Kopf gepackt, mir in den Kopf gebissen und mich an den Haaren auf den Boden gezogen. Ich bin auf die Knie gefallen." Er habe ihr in die Niere geboxt. "Mir ist kurz die Luft weggeblieben." Die Verletzung an Boatengs Lippe habe dabei möglicherweise ihr Armband verursacht.
Jérôme Boateng schaute seine frühere Lebensgefährtin während ihrer Aussage aufmerksam an. Immer wieder schüttelte er den Kopf und raunte seinem Anwalt etwas zu.
Der Urlaub sei bis zum Streit sehr schön und friedlich verlaufen, sagte Boateng. Um Treue sei es in dem Streit gegangen, um andere, frühere Partnerinnen und Partner. "Eifersuchtsfilm", sagte die Ex-Lebensgefährtin in ihrer Aussage. Boateng sagte, sie hätten damals – wie oft zuvor – auch um die Frage gestritten, wie sie das Familienleben organisieren sollen. Boateng habe in dem Sommer vom FC Bayern nach Paris wechseln wollen.
Am nächsten Tag aber hätten die beiden sich schon wieder vertragen. "Wir hatten uns ausgesprochen, vertragen, die Kinder waren glücklich, haben getanzt." Sie sei "bester Laune" gewesen, so Boateng.
Beziehung war laut Ex-Partnerin "toxisch"
Die Nebenklägerin sagte vor Gericht, sie habe später ihrer Familienanwältin erzählt, dass er sie "wieder angegriffen" habe. "Es war eine toxische Beziehung. Solche Übergriffe waren schon beinahe an der Tagesordnung." Sie habe sich zunächst dagegen entschieden, Boateng anzuzeigen – wegen "der ganzen Presse". Der Fußballstar sagte, seine Ex-Freundin wolle sich mit der Anzeige bessere Chancen vor dem Familiengericht beschaffen – ein Vorwurf, den die Frau zurückweist.
Seit 2007 führten die beiden ihren übereinstimmenden Angaben zufolge eine "On-Off-Beziehung", 2014 verlobten sie sich vorübergehend, seit 2015 streiten sie vor dem Familiengericht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder.
Vor Beginn des Prozesses hatte Boatengs Anwalt, Kai Walden, abgewiegelt: Es stehe Aussage gegen Aussage und die frühere Lebensgefährtin habe keine Beweise für ihre Vorwürfe.
- Besuch der Gerichtsverhandlung
- Mit Material der dpa