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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sparkassenchef geht Ralf Fleischer: "Ich bin mit mir im Reinen"

Im großen Abschiedsinterview spricht Ralf Fleischer über die Herausforderungen der Bankenwelt – und erklärt, warum sein Rückzug jetzt der richtige Schritt ist
Er war Krisenmanager, Modernisierer und Strategievermittler: Ralf Fleischer verabschiedet sich nach mehr als zehn Jahren an der Spitze der Stadtsparkasse München – und spricht im Interview mit t-online offen über Digitalisierung, KI, Filialschließungen, Personalstrategien, Gebührenmodelle und die Zukunft des Bankgeschäfts in unsicheren Zeiten. Aber auch über seine Pläne im Ruhestand.
t-online: Herr Fleischer, 26 Jahre lang waren Sie Vorstandsvorsitzender bei der Sparkasse, zwölf davon in München. Bereiten Sie sich schon auf den letzten Tag Ihrer Berufskarriere vor?
Ralf Fleischer: Ja, natürlich. Ich habe mich damit auseinandergesetzt, weil es einen gesundheitlichen Grund gibt. Die Frage war, was das Beste für mich und für die Stadtsparkasse ist. Ich bin mit mir im Reinen und freue mich auf das, was jetzt vor mir liegt.
Gibt es schon Pläne? Fahren Sie jetzt erst mal ausgiebig in den Urlaub?
Ich will erst mal ankommen, ganz in Ruhe, mich sortieren. Es gibt viele Pläne, die ich nach und nach umsetzen werde, aber nicht vom ersten Tag an. Da gönne ich mir ein bisschen Zeit, erst mal runterzukommen. Es wird aber keine Weltreise geben.
Was sind die wichtigsten Aufgaben, die Sie bei der Stadtsparkasse in den letzten Tagen noch erledigen müssen?
Ich verabschiede mich von möglichst vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern persönlich. Ich mache eine Tour durch das gesamte Haus, alle Abteilungen und Filialen. Da sind sehr viele schöne und auch bewegende Momente dabei.
Die Stadtsparkasse hat 2.350 Mitarbeiter, viele der Babyboomer werden das Unternehmen ebenfalls bald verlassen. Sorgen Sie sich um die Lücke, die da gefüllt werden muss?
Wir haben uns schon früh mit der Frage beschäftigt, wie wir Digitalisierung, Prozessoptimierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz nutzen können. Denn wir wissen, in den nächsten acht bis zehn Jahren gehen mehr als ein Drittel unserer Mitarbeitenden in den Ruhestand. Wir haben auch Quereinsteigende aus kaufmännischen Berufsfeldern eingestellt. Und wir haben von extern eine Recruiterin eingestellt. Dadurch haben wir aktuell fast alle unsere offenen Stellen besetzt – zum ersten Mal in zwölf Jahren.
Werden KI und Digitalisierung Mitarbeiter bei der Stadtsparkasse am Ende überflüssig machen?
Im Gegenteil. Wir haben ein Jahrzehnt hinter uns, in dem wir aufgrund der Null- und Negativzinspolitik der EZB (Europäische Zentralbank) immer schauen mussten, wie wir Kosten einsparen können. Ich wünsche mir, dass uns KI-Nutzung und Digitalisierungsfortschritte in die Lage versetzen, wieder neue Markt- und Geschäftsfelder zu erschließen. Dort könnten wir dann investieren und weiterwachsen.
Die Null- und Negativzinspolitik der EZB hat sie von Beginn an bei der Stadtsparkasse begleitet. Wie fällt Ihre ganz persönliche Bilanz der vergangenen Jahre aus?
Es ist uns gelungen, die Stadtsparkasse zu modernisieren, zu stabilisieren und gleichzeitig die Kosten zu optimieren. Wir haben unsere Provisionsergebnisse in elf Jahren mehr als verdoppelt und unsere Eigenmittel auch deutlich von 1,4 auf 2,4 Milliarden Euro ausweiten können. Ich spreche von uns, weil es ein Erfolg des Teams war. Sie können sich als Vorstandsvorsitzender viele Maßnahmen ausdenken. Wenn die Mitarbeitenden sie nicht mittragen, dann funktioniert das Ganze nicht.
Wir haben sogar mehr Filialen als mancher Discounter in München.
Ralf fleischer
Aber auch das gehört dazu: In Ihrer Zeit wurden so viele Filialen geschlossen wie nie zuvor.
Definitiv. Aber in einer Zeit, die für Kreditinstitute ganz schwierige Rahmenbedingungen mit sich brachte, waren die Filialschließungen unvermeidlich. Mit der Null-Zins-Politik ist uns eine Seite der Erträge komplett weggebrochen. Insofern war das ein massiver Einschnitt, den nicht nur wir in München, sondern alle Finanzinstitute hatten. Wir mussten Kosten sparen. Zweitens hat sich auch das Kundenverhalten massiv verändert. Es kommen weniger Menschen in unsere Filialen, viele nutzen für Alltagsgeschäfte stärker das Onlinebanking. Außerdem sind es noch über 40 Filialen im Stadtgebiet von München. Damit sind wir mit weitem Abstand die filialstärkste Bank in München. Wir haben sogar mehr Filialen als mancher Discounter in München.
In Ihrer Amtszeit gab es aber auch eine Phase, in der Ihr Institut Negativzinsen verlangt hat.
Das stimmt, aber auch das war damals unvermeidbar. Jeden Euro, der uns gegeben wurde, mussten wir bei der EZB mit einem Negativzins anlegen. Wir hatten aber auch hohe Freibeträge, sodass fast ausschließlich Firmenkonten mit höheren Guthaben betroffen waren.
Ein Berufsleben für die Sparkassen-Finanzgruppe
Ralf Fleischer hatte seine Laufbahn 1983 als Auszubildender in der Sparkasse Mülheim an der Ruhr begonnen. Weitere Stationen waren Vorstandsfunktionen in den Sparkassen Iserlohn, Hilden-Ratingen-Velbert sowie die Geschäftsführung des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes. 2014 hatte Fleischer (60) den Vorstandsvorsitz der Stadtsparkasse München übernommen. Wegen einer koronaren Herzerkrankung verlässt er den Vorstand zum 30. April 2025.
Zuletzt gab es Aufregung um die neuen Kontomodelle der Stadtsparkasse, die mit höheren Gebühren verbunden sind. Wer nicht zustimmte, dem drohte die Bank mit Kündigung der alten Girokonten. War das auch ein unvermeidbarer Schritt?
Die neuen Modelle wurden vor zwei Jahren eingeführt. Seitdem haben wir unsere Kunden mehrfach gebeten, sich für eines der neuen Modelle zu entscheiden. Wir möchten jeden Kunden behalten. Aus technischen und rechtlichen Gründen sind wir aber gezwungen, diese Konten formal zu kündigen. Im Übrigen sind unsere Gebühren für Privatgirokonten im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich – und das in einer Stadt, in der alles deutlich teurer ist als im Rest der Republik.
Wie vielen Kunden droht denn im Moment noch eine Kündigung?
Ob es zu einer Kündigung kommt, entscheidet jeder selbst. Die Kündigung wird nichtig, sobald sich ein Kunde während der Kündigungsfrist für ein neues Modell entscheidet, oder – noch einfacher – das Konto nach Ablauf der Frist einfach weiter aktiv verwendet. Noch mal: Wir möchten jeden Kunden behalten.
Mit Blick auf die USA: Viele Menschen sorgen sich derzeit um ihre Geldanlagen oder ihre Altersvorsorge. Wie bewerten Sie die Entwicklung und was raten Sie Anlegern und Sparern?
Es ist natürlich beunruhigend, was da gerade passiert. Es sind unruhige Zeiten, und wir haben gesehen, die Märkte reagieren sehr sensibel. Wir sollten uns darauf einstellen, dass das so bleiben könnte. Wichtig ist immer, wenn man zum Beispiel am Aktienmarkt investiert ist, trotzdem nicht hektisch zu reagieren, sondern Ruhe zu bewahren. Es gibt keine allgemeingültige Anlagestrategie oder Empfehlung. Jede und jeder hat andere Voraussetzungen und Sparziele. Wenn man länger als 13, 14 Jahre im Aktienmarkt investiert bleibt, dann sind trotz solcher Verwerfungen, die ja immer wieder mal vorkommen, die Renditen am Aktienmarkt unschlagbar.
In den vergangenen zwölf Jahren habe ich hier sehr viele Kontakte geknüpft und Freundschaften aufgebaut.
ralf fleischer
Ihr Finanzinstitut engagiert sich in München und unterstützt gesellschaftliche und kulturelle Projekte sowie Vereine. Wird es dabei bleiben?
Ich möchte nicht für meinen Nachfolger sprechen. Ich kann aber sagen, es ist der Stadtsparkasse München seit Jahren ein ganz, ganz wichtiges Anliegen, gemeinnützige Vereine und Projekte im kulturellen, im sportlichen und sozialen Bereich zu unterstützen. Und wir wissen alle, wie schwer es auch gemeinnützige Vereine haben, sowohl Ehrenamtliche zu finden als auch Projekte zu finanzieren.
200 Jahre Stadtsparkasse München
Die Stadtsparkasse München wurde 1824 gegründet. Das Institut ist mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme von 22,9 Milliarden Euro die viertgrößte Sparkasse Deutschlands. Im Geschäftsjahr 2024 hat das Finanzinstitut ein Jahresergebnis von 48 Millionen Euro erzielt.
Sie sind gebürtiger Rheinländer. Werden Sie im Ruhestand trotzdem München erhalten bleiben?
In den vergangenen zwölf Jahren habe ich hier sehr viele Kontakte geknüpft und Freundschaften aufgebaut. Deshalb bleibe ich der Stadt verbunden und behalte meine Wohnung. Sein werde ich dort, wo gerade Schönes ansteht.
Also wird man Sie vielleicht beim Oktoberfest oder zu anderen Anlässen dann durchaus mal wiedersehen?
Bestimmt! Ich freue mich auf ein Wiedersehen.
- Interview mit Ralph Fleischer