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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sexualmord vor 30 Jahren Polizei zum Fall Sonja Engelbrecht: "Wir geben alles"

Vor 30 Jahren verschwindet die 19-jährige Sonja Engelbrecht aus München spurlos. Die Aufklärung des Falls hängt jetzt an einem alten Fundstück.
An diesem Freitag vor 30 Jahren verabschiedet sich Sonja Engelbrecht tief in der Nacht am Stiglmaierplatz von einem Freund. Die zwei Teenager sind gemeinsam mit weiteren Bekannten erst in einer Gaststätte und später in einer Privatwohnung gewesen. Nun will sich die 19-Jährige auf den Heimweg machen. Was weder sie noch ihr Begleiter ahnen: Bei jener Verabschiedung am 10. April 1995 um 2.30 Uhr wird die junge Münchnerin letztmals lebend gesehen.
Drei Jahrzehnte später ist der Fall Sonja Engelbrecht einer der bekanntesten Cold Cases des Landes. Die Polizei ermittelt bis heute. Doch auch nachdem ihre Leiche vor gut drei Jahren in einem Wald im Landkreis Eichstätt gefunden wurde, gibt es nach wie vor keine heiße Spur zum Täter.
Bislang sind 512 Hinweise: DNA mutmaßlich vom Täter
Anlässlich des 30. Jahrestags des Verschwindens von Sonja Engelbrecht hat die Münchner Polizei nun den aktuellen Stand der Ermittlungen vorgestellt – und einen neuen Zeugenaufruf gestartet. Bislang seien in dem Fall 512 Hinweise eingegangen, woraus sich 827 Ermittlungsspuren ergeben hätten, sagt Armin Ritterswürden, der Leiter der Münchner Mordkommission.
Diese habe man "weitgehend abgearbeitet"; zudem konnte bei den sterblichen Überresten von Sonja Engelbrecht mutmaßlich vom Täter stammende DNA sichergestellt werden. Eine konkrete Spur zu einem Verdächtigen gibt es jedoch nicht. "Der Leichnam war nackt", sagt Armin Ritterswürden. "Wir gehen von einem Sexualmord aus."
Zudem erachtet es die Polizei als wahrscheinlich, dass der Täter zumindest im Jahr 1995 einen Ortsbezug zu Kipfenberg oder der umliegenden Region hatte – also dort wohnte, arbeitete oder Urlaub machte. Schließlich befand sich der Ablageort der Leiche eher abseits in einem nur schwer zugänglichen Waldstück. "Da geht man nicht zufällig vorbei", sagt Ritterswürden.
Sterbliche Überreste von Sonja Engelbrecht in einer Felsspalte
Nur wenige Hundert Meter entfernt waren Forstarbeiter bereits im Sommer 2020 auf einen menschlichen Oberschenkelknochen gestoßen, der mittels DNA-Abgleich der verschwundenen Sonja Engelbrecht zugeordnet werden konnte. Nach mehreren aufwendigen Suchaktionen fand die Polizei schließlich im März 2022 ihre sterblichen Überreste in einer Felsspalte.
Die Leiche war laut Ritterwürden in Müllsäcke und Planen gehüllt. Eine Analyse ergab, dass diese zuvor bei Bau- oder Renovierungsarbeiten verwendet wurden. "Es kann daher vermutet werden", heißt es seitens der Polizei, "dass der Täter im Jahr 1995 entweder privat renoviert oder gebaut hat oder aber auch in diesem Bereich beruflich tätig war."
Zudem fanden die Ermittler in der Felsspalte die Überreste einer schwarz-blauen Decke mit einem auffälligen Motiv. Dieses zeigt ein Pärchen auf einer Bank, das unter Bäumen die Köpfe zueinander neigt.
Hoffen auf Tipps zur schwarz-blauen Decke
Nicht zuletzt zu dieser Decke erhofft sich die Polizei nun Hinweise aus der Bevölkerung. Dabei sollten sich potenzielle Zeugen nicht davon abhalten lassen, dass ihr Tipp womöglich nicht in allen Punkten zu den Annahmen der Ermittler passe, betont Armin Ritterswürden. "Schon einzelne Mosaikteile reichen aus."
Für den abermaligen Zeugenaufruf hat die Polizei ein neues Fahndungsplakat gestaltet. Dieses soll im Raum Kipfenberg ausgehängt sowie im Internet veröffentlicht werden. Das Plakat zeigt nicht nur ein Foto von Sonja Engelbrecht sowie eine Karte mit dem Leichenfundort, sondern auch die schwarz-blaue Decke – sowohl ihre Vorder- als auch die Rückseite.
Für Hinweise, die zur Klärung der Tat oder zur Ergreifung des Täters führen, ist eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt. Zeugen können sich unter der Telefonnummer 089/2910-0 an das zuständige Kommissariat wenden.
Wie groß seine persönliche Hoffnung sei, nach all den Jahrzehnten doch noch den oder die Täter zu finden? Diese Frage will der Chef der Münchner Mordkommission nicht beantworten. "Hoffnung lasse ich da nicht einfließen", sagt Armin Ritterswürden stattdessen. "Wir haben den Auftrag, diesen Mord zu ermitteln. Und auch, wenn wir wenig Hoffnung haben, geben wir alles."
- Reporter vor Ort bei der Pressekonferenz der Münchner Polizei