Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozessauftakt am Landgericht Kunstfälscher sollen kleines Vermögen verdient haben
Ein Vater-Sohn-Gespann aus München soll Gemälde und Gutachten gefälscht haben. Nun muss sich das Duo vor dem Landgericht München verantworten.
"Liegende Dame mit Hut" heißt ein Ölgemälde des US-Malers Edward Cucuel, das am 27. Juli 2019 den Besitzer wechselt. Zwei Kunstsammler aus Freising erwerben das Bild. Sie bezahlen 28.000 Euro für das 96 mal 132 Zentimeter große Werk mit der Signatur seines Erschaffers am rechten unteren Rand. Allein jene Unterschrift ist ebenso wenig echt wie das komplette Bild – davon ist zumindest die Staatsanwaltschaft München überzeugt.
Ihr zufolge hat ein Vater-Sohn-Gespann aus München das Ölgemälde selbst gemalt und sich obendrein gefälschte Gutachten zur Echtheit des Bildes verschafft. Wobei die "Liegende Dame mit Hut" kein Einzelfall gewesen sein soll. Insgesamt verkauften die Männer laut Staatsanwaltschaft circa 25 gefälschte Gemälde, die angeblich von den Malern Edward Cucuel, Leo Putz und César Domela stammten – entweder direkt an Privatpersonen oder über Auktionshäuser. Ihr Gewinn dabei: mehr als 300.000 Euro.
Selbst angefertigt oder eine Malerin beauftragt
Jahrelang blieb das Tun der mutmaßlichen Kunstfälscher unentdeckt. Doch dann kamen die Ermittlungsbehörden auf ihre Spur. Der 69-jährige Vater und sein 36-jähriger Sohn müssen sich nun vor dem Landgericht München II verantworten. Ihnen wird gemeinschaftlicher Betrug und Urkundenfälschung vorgeworfen. Die zwei Männer hätten die Bilder entweder selbst angefertigt oder eine Kunstmalerin mit den Fälschungen beauftragt, verliest die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung aus der Anklageschrift.
Anschließend hätten sie sich von "bis dahin anerkannten Kunstsachverständigen" Echtheitszertifikate ausstellen lassen und obendrein darum gebeten, die Gemälde ins Werksverzeichnis aufzunehmen. Bis dato renommierte Kunstexperten sollen darauf hereingefallen sein. "Die Geschädigten kauften jeweils die Bilder zu dem vereinbarten Preis, weil sie infolge der Täuschung irrig davon ausgingen, ein Originalkunstwerk vom Künstler selbst zu erwerben", fährt die Staatsanwältin fort.
Auch ein Galerist unter den Käufern
Das Ziel von Vater und Sohn sei es gewesen, "sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen". Im Anschluss rattert die Staatsanwältin die einzelnen Taten herunter: Mal wechselte ein gefälschter Leo Putz für 25.000 Euro den Besitzer, mal wurde das angeblich von Edward Cucuel gemalte Bild "Zwei Damen in einem Boot" bei einer Auktion für 15.000 Euro versteigert. Und mal bezahlte der Inhaber einer Galerie sogar 30.000 für das Ölgemälde "Sommertag am See", das laut einem gefälschten Gutachten von Leo Putz stammen sollte, tatsächlich aber von dem Vater-Sohn-Duo angefertigt wurde.
Vater-Sohn-Gespann saß nur kurz in U-Haft
All diesen Vorwürfen lauschen die Männer an diesem Mittwochvormittag auf der Anklagebank ohne sichtliche Regung. Vielmehr blickt der 69-jährige Antiquitätenhändler, der sich nur mühsam in den Gerichtssaal geschleppt hat, ebenso starr ins Leere wie sein Sohn, der seinen Beruf vor Gericht als "Internetverkäufer" angibt.
Nachdem die beiden Münchner aufgeflogen waren, saßen sie im Sommer 2022 nur kurz in Untersuchungshaft. Seither sind sie auf freiem Fuß – was sich freilich ändern könnte, wenn das Gericht den Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft folgt. Schließlich können sowohl Betrug als auch Urkundenfälschung mit Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Prozess war im vergangenen Jahr geplatzt
Für die mutmaßlichen Kunstfälscher ist der Prozessauftakt am Mittwoch bereits der zweite Auftritt im Landgericht. Im vergangenen Sommer hatte schon einmal ein Verfahren begonnen. Dieses musste jedoch kurz nach dem Start wieder beendet werden, da eine Richterin in den Mutterschutz ging. Jetzt wurde das Verfahren neu aufgerollt.
Zu Beginn des ersten Prozesses hatten Vater und Sohn angegeben, dass sie sich weder zu den Vorwürfen noch zu ihren persönlichen Verhältnissen äußern wollen. Dies würden beide bei der Neuauflage des Verfahrens "vorerst" wieder so handhaben, erklärt einer ihrer Verteidiger. An diesem Freitag wird der Prozess fortgesetzt, für den derzeit 20 Verhandlungstage terminiert sind. Ein Urteil könnte Mitte März fallen.
- Reporter vor Ort