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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Das ist das Drama meines Lebens" Bei Leisten-OP: Chirurg sterilisiert falschen Patienten
Ein Arzt verwechselt bei einer Leisten-Operation seinen Patienten und sterilisiert ihn dabei. In dem Prozess vor dem Münchner Landgericht geht es um die Frage: War es Körperverletzung?
Zwei Patienten, die an einem beidseitigen Leistenbruch litten und die beide Autisten waren, sind einem Münchner Arzt zum Verhängnis geworden. Bei einer Operation sterilisierte der Chirurg den 17-Jährigen versehentlich – und bemerkte seinen Fehler zu spät. Dafür musste sich der Arzt beim Revisionverfahren am Montagvormittag vor dem Landgericht München I wegen schwerer Körperverletzung verantworten.
"Das ist das Drama meines Lebens", sagte der 54-Jährige, der inzwischen in Usbekistan lebt und praktiziert, mit brüchiger Stimme vor Gericht. Damit meinte er eine Operation im März 2016. Sein damals 17-jähriger Patient kam wegen eines beidseitigen Leistenbruchs zu ihm in die Praxis am Arabellapark. Für den Arzt ein Routineeingriff. Als er jedoch nach der Operation den Bericht diktierte, fiel ihm sein Fehler auf. Er hatte den jungen Mann mit einem anderen Patienten verwechselt – und ihn fälschlicherweise sterilisiert.
Arzt verwechselt Patienten und sterilisiert den falschen
"Dieser Moment, das ist die Katastrophe des Lebens. Da ist was passiert, was nicht passieren darf." Doch wie konnte es überhaupt passieren? Das wollte auch der Richter am Montagvormittag wissen. Laut des Angeklagten war es aufgrund mehrerer Gemeinsamkeiten der beiden Patienten zu der folgenschweren Verwechslung gekommen. Beide hätten an einem beidseitigen Leistenbruch gelitten und seien autistisch gewesen. Am Tag der Operation dachte der Chirurg dann, dass er es mit dem Patienten zu tun habe, der eine Sterilisation wollte, und durchtrennte dessen Samenleiter.
Als dem 54-Jährigen sein Fehler bewusst geworden war, sei er zunächst geschockt gewesen und habe dann umgehend die Mutter des Patienten über seinen Fehler informiert. Er verwies sie an eine Klinik in Ingolstadt, die dem Geschädigten helfen sollte, wieder zeugungsfähig zu werden. "Die Ingolstädter haben es mit Erfolg refertilisiert" – also die Samenleiter wieder miteinander verbunden – sagte der Arzt vor Gericht.
Zwei weitere Prozesstage sind für die kommenden zwei Wochen angesetzt. Ein Urteil wird für Montag, den 9. Dezember, erwartet.
- Reporterin vor Ort