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München

Oktoberfest München: Ordner würgt Wiesnbesucher – aber die Polizei winkt ab


Im Würgegriff
Ordner misshandelt Wiesnbesucher – aber die Polizei winkt ab


04.10.2024 - 17:24 UhrLesedauer: 5 Min.
Nachrichten
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Das Schützenzelt auf dem Münchner Oktoberfest: Der Vorfall ereignete sich am Ausgang des Biergartens vorne links an der Ecke.Vergrößern des Bildes
Das Schützenzelt auf dem Münchner Oktoberfest: Am Biergarten kam es zu einem gewalttätigen Vorfall. (Quelle: Alexander Pohl/imago-images-bilder)

Er wollte nur sein Bier austrinken, dann setzte die Gewalt ein: Ein Gast wurde im Schützenzelt von einem Ordner angegriffen. Als er den Fall anzeigen will, lässt die Polizei ihn im Stich.

Ein Sicherheitsmann des Schützenzelts auf der Wiesn hat einen Gast in den Würgegriff genommen und ihm das Handy entrissen. Zudem trat der Ordner zwei Gästen in den Rücken, wie ein t-online-Reporter vor Ort beobachtete. Als der Gewürgte die Tat zur Anzeige bringen wollte, nahmen ihn die Polizisten auf der Wiesnwache nicht ernst und wimmelten ihn ab.

Kürzlich hatte es drei ähnliche Fälle gegeben: Im ersten soll ein Ordner einen Gast hinter einen Zaun gezogen und geschlagen haben, im zweiten soll ein Sicherheitsmann einer Schwangeren in den Bauch getreten haben. Und im dritten Fall soll ein Ordner einem Mann das Bein gebrochen haben. Mehr zu den Fällen lesen Sie hier und hier.

Der aktuelle Vorfall ereignete sich spät am Abend des Freitag, 27. September. Obwohl noch etwas Zeit vor der Schließung des Zeltes war, trieben die Sicherheitsleute des Schützenzelts die Gäste bereits an, ihre Bänke zu verlassen und nach Hause zu gehen.

Der Ordner zerrte einen Mann am Hals zurück ins Gebäude

Ein Ordner der Firma Security Event Management Support verhielt sich dabei besonders aggressiv. Er trat zwei langsamen, betrunkenen, aber friedlichen Gästen in den Rücken, sodass sie aus dem Zelt stolperten. Ein weiterer Besucher war ebenfalls auf dem Weg nach draußen. Er wollte noch die letzten Schlucke aus seiner Maß austrinken, aber der Sicherheitsmann war nicht dazu bereit, das zuzulassen. Der Gast schlug vor, er könne das Glas in Ruhe an einem der leeren Biertische nahe dem Ausgang austrinken, um nicht im Weg zu stehen. Aber der Sicherheitsmann wollte auch das nicht. Er packte den Mann direkt am Arm und schrie: "Raus!" Dann begann er, ihn durch die Tür zu zerren.

Als der Wiesnbesucher monierte, dass er viel Geld für das Bier bezahlt habe und fragte, warum der Ordner so aggressiv sei, sagte der Sicherheitsmann: "Ist mir scheißegal, raus." Der Mann stellte daraufhin sein Glas auf einem Tisch ab und sagte, dass er Journalist sei und sich vorbehalte, über den Vorfall zu berichten. Zudem werde er den Ordner fotografieren, um ihn wegen der Tritte gegen die anderen Gäste anzuzeigen. Er sagte: "Man tritt nicht jemandem in den Rücken und kommt damit davon."

Der Ordner sagte, ihn interessiere das alles nicht, und zerrte den Gast gewaltsam durch die Tür nach draußen. Der Besucher zog daraufhin sein Handy aus der Tasche und machte durch das Türfenster ein Foto von dem Sicherheitsmann. Daraufhin öffnete der Ordner erneut die Tür und stürzte sich auf den Mann. Er entriss dem Gast das Handy, nahm ihn in einen Unterarm-Würgegriff, auch als "Schwitzkasten" bekannt, und zerrte ihn so am Hals wieder ins Gebäude.

Wegen der Bedrohung musste der Gast das Beweisfoto löschen

Der Reporter von t-online, der das Geschehen beobachtete, fragte, was der gewalttätige Übergriff solle, und forderte, den Wiesngänger loszulassen. Weitere Sicherheitsleute sperrten den Reporter aber aus. Er beobachtete die Szene daraufhin durch die Fenster des Biergartens, konnte aber nicht hören, was drinnen gesprochen wurde.

Drinnen hing der Mann weiter im Würgegriff des Ordners. Der Ordner gab ihm das Handy zunächst nicht zurück. Der Gast verhielt sich die ganze Zeit passiv, streckte seine Arme mit offenen Handflächen von sich und redete augenscheinlich ruhig auf den Sicherheitsmann und dessen herbeigeeilte Kollegen ein. Erst als ein Vorgesetzter des Schützenzelts hinzukam, bei dem es sich anscheinend um den Pressebeauftragten handelte, ließ der Ordner den Mann aus dem Würgegriff. Später gab er auch, wieder erst nach Anweisung seines Vorgesetzten, dem Gast sein Handy zurück.

Als der Mann wieder herauskam, sagte er zu t-online, der Ordner habe ihn gedrängt, das Foto zu löschen, das er von dem Sicherheitsmann gemacht hatte. Der Gast gab an, der Forderung nachgekommen zu sein, um angesichts der körperlichen Bedrohung nicht erneut angegriffen zu werden.

Stecken Polizei und Sicherheit unter einer Decke?

Zudem habe der Besucher dem Pressesprecher und den Sicherheitsleuten gesagt, er denke darüber nach, von dem Fall zu berichten und den Ordner anzuzeigen. Laut dem Gast habe der Sprecher sich dann für den Vorfall entschuldigt und gesagt, es sei ganz normal, dass ein Mitarbeiter mal über die Stränge schlägt. Auch zu den Tritten in die Rücken der zwei anderen Gäste hatte der Besucher den Vorgesetzten gefragt. Dieser habe aber nichts Konkretes geantwortet, abgesehen davon, dass es schon in Ordnung gehe.

Der Gast habe erwidert, dass er trotzdem eine Anzeige erwäge. Daraufhin habe der Vorgesetzte gegrinst und gesagt, das könne er zwar gerne tun. Dem Besucher zufolge gab der Sprecher ihm aber zu verstehen, dass die Polizei ohnehin auf der Seite der Sicherheitsleute sei und Anzeigen gegen die Ordner nur selten ernst nehme. Den Würgegriff anzuzeigen, sei daher zwecklos. Es gebe jeden Tag solche Situationen wie diese, sie würden aber nie ein Problem für das Sicherheitspersonal werden, soll der Vorgesetzte dem Wiesngänger gesagt haben.

Schließlich ließen sie ihn gehen. Der Mann ging dennoch kurz darauf zur Polizeistation auf der Theresienwiese, um den Ordner anzuzeigen. Der Reporter von t-online begleitete ihn dabei.

Die Polizei protokollierte nicht mal den Namen des Geschädigten

Die Aussage des Vorgesetzten im Schützenzelt schien sich zu bewahrheiten: Die beiden Polizisten am Schalter der Wiesnwache schienen den Gast von vornherein nicht ernst zu nehmen, als er ihnen von dem Vorfall berichtete. Weder zeichneten sie seine Aussagen auf, noch protokollierten sie seinen Namen oder andere Daten zur Person; sie fragten auch gar nicht erst danach.

Stattdessen hinterfragten sie viele seiner Angaben, bevor er ausgeredet hatte, und versuchten, Widersprüche in seinen Aussagen zu konstruieren, obwohl er den Sachverhalt nach Einschätzung des t-online-Reporters korrekt wiedergab.

Generell entstand der Eindruck, sie wollten ihn abwimmeln. Als er sich nicht in Widersprüche verwickeln ließ, fragten sie ihn, was er denn mit einer "Anzeige gegen Unbekannt" überhaupt erreichen wolle. Wenn er unbedingt wolle, könne er warten, bis jemand Zeit für ihn habe. Dann werde jemand die Anzeige aufnehmen, allerdings habe eine Anzeige gegen Unbekannt keine Aussicht auf Erfolg.

Der Mann ging, ohne Anzeige zu erstatten

Der Mann entgegnete, dass es für die Polizei doch leicht zu ermitteln sein müsste, welcher Ordner zu welcher Zeit an welcher Tür gearbeitet hat. Die Polizistin am Schalter antwortete nur: "Gegen Unbekannt!"

Daraufhin verließ der Mann die Wache, ohne Anzeige gegen den Ordner erstattet zu haben. Die Beamten ließen ihn wortlos gehen. Im Nachgang sagte der Mann zu t-online: "Das Verhalten der Polizisten hat meinen Glauben in den Rechtsstaat stark erschüttert."

Erst nach Anfrage von t-online beginnt die Polizei zu ermitteln

Christian Drexler, Sprecher der Polizei München, sagte auf Anfrage von t-online, der Fall sei den Behörden noch nicht bekannt. Die Polizei werde nun, nach der Anfrage, wegen des Verdachts der Körperverletzung gegen den Ordner ermitteln. Zudem wolle die Polizei intern prüfen, ob sich die beiden Polizisten auf der Wiesnwache falsch verhalten haben. Sollten sich die beiden gar der Strafvereitelung schuldig gemacht haben, würde die Staatsanwaltschaft ermitteln.

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Bezüglich der Behauptung der zwei Beamten, eine Anzeige gegen Unbekannt habe keine Aussicht auf Erfolg, sagte Drexler: "Es spielt keine Rolle, ob die Identität eines Verdächtigen bekannt ist oder nicht, es ist die Aufgabe der Polizei, ihn zu ermitteln." Zudem gebe es Faktoren, die das Ermitteln auf der Wiesn erleichtern: Alle Sicherheitsmitarbeiter seien registriert und in Dienstpläne eingetragen. Weiterhin seien die Zelte videoüberwacht.

Der Sicherheitsdienst äußerte sich auf Anfrage von t-online nicht zu dem Vorfall. Die Leitung des Schützenzelts teilte mit, dass ihr der Vorfall unbekannt sei, sie ihn aber gemeinsam mit dem Sicherheitsdienst prüfen werde.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Anfrage an die Polizei München
  • Anfrage an das Schützenzelt
  • Anfrage an die Sicherheitsfirma
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