Gastro-Branche Mehrwertsteuer: Preise hoch, Gäste weg?
Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wie geht es der Gastronomie in München nach der Mehrwertsteuererhöhung? Bleiben jetzt die Gäste weg?
"Ich sag immer: 'Wir leben hier auf der Insel der Glückseligen!'" Gregor Lemke kennt die Gastronomie in München aus dem Effeff. Von seinem Wirtshaus "Augustiner Klosterwirt" schaut man direkt auf den Dom der Isarmetropole, auf die weitläufig bekannte Frauenkirche. Um das Wahrzeichen der bayerischen Landeshauptstadt reihen sich urige und kernige Wirtshäuser. Bei warmem und sonnigem Wetter sind die Biergärten davor meist brechend voll.
Anfang des Jahres waren jedoch selbst hier die Wirte nervös. Die Bundesregierung hatte die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer für Speisen auf 19 Prozent beschlossen. Während der Corona-Pandemie war der Steuerersatz vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt worden. Die Wiederanhebung kam auf die Wirte zu, nachdem bereits Auflagen der Corona-Pandemie, gestiegene Energiekosten sowie die galoppierende Inflation heftig auf den Ertrag gedrückt hatten. Droht jetzt auch noch ein Rückgang der Gästezahlen, fragten sich Wirte und Gäste.
Andrang von Touristen aus aller Welt
Mitnichten. "Es wird ein gutes Jahr", sagt Gastwirt Lemke im Gespräch mit t-online und beruft sich dabei neben eigenen Erfahrungen auf Gespräche mit Kollegen aus der Innenstadt. Befürchtungen, dass Gäste wegbleiben, weil die Gastronomen die Mehrwertsteuererhöhung auf die Preise für Schweinshaxe, Leberkäs und Käsespätzle umlegen mussten, haben sich in der Münchner Altstadt bislang nicht bestätigt.
Für Lemke, der Sprecher des Vereins der Münchner Innenstadtwirte ist, hat das vor allem mit der Attraktivität der Stadt und dem Andrang von Touristen aus aller Welt zu tun. "Wir sind ja in der glücklichen Lage, dass Münchner, Leute aus dem Umland und Gäste von weit her gleichermaßen zu uns kommen. Wir sind wie in einem Brennglas: Jeder, der nach München kommt, will in die Innenstadt", erklärt er und nennt Faktoren: "Wir haben Konzerte von Weltstars, zum Beispiel von Taylor Swift oder von Coldplay. Bei der EM 2024 sind sechs Spiele in München. Erstmalig wird dieses Jahr die nordamerikanische Eishockey-Liga NHL mit den Buffalo Sabres in die Stadt kommen. Wir haben ein Event-Aufkommen, das seinesgleichen sucht. Auch jedes Heimspiel des FC Bayern beflügelt."
Was ist mit den Stammtischgästen?
Und jene Gäste, die etwa am Stammtisch sitzen? "Im Januar waren die Münchner etwas zurückhaltender, weil sie noch nicht wussten, wie sehr die Preise steigen werden. Unsere Stammgäste wissen aber, dass wir die Preise nicht erhöhen wollten, sondern mussten. Sie verstehen das", schildert der gebürtige Münchner. So kommen die, die das Wirtshaus schätzen und mögen, ungebrochen weiter.
Obwohl Lemke – wie viele andere Gastronomen – Anfang des Jahres die Preise angehoben hat. In Zahlen: Der Jungschweinsbraten in Dunkelbiersoße mit Kartoffelknödel und Speckkrautsalat kostete im Dezember noch 15,90 Euro. Seit Januar liegt das bayerische Gericht bei 17,90 Euro. Das Wiener Schnitzel vom Kalb mit Wildpreiselbeeren und warmem Kartoffelsalat oder Pommes frites kostet mittlerweile sogar 27,90 Euro.
Die 30-Euro-Marke ist somit nicht mehr weit. Trotzdem serviert Lemkes Team am Tag im Schnitt 150 Portionen Wiener Schnitzel sowie 200 Mal den Jungschweinsbraten. Die üppigen Preise sollen laut Lemke letztlich die hohen Kosten in seinem Gewerbe decken. "Es wird interessant sein, wie die die betriebswirtschaftliche Auswertung am Ende des Jahres aussehen wird. Wer die Preise nicht erhöht, der muss abwarten, was netto noch rauskommt", meint der 61-Jährige. Zur gestiegenen Mehrwertsteuer komme nämlich noch ein Kostenanstieg – den Lemke befürwortet: "Wir zahlen mittlerweile Löhne, von denen ich früher geträumt habe."
Wir zahlen mittlerweile Löhne, von denen ich früher geträumt habe.
Gregor lemke, sprecher des vereins der münchner innenstadtwirte
Personalkosten in einem Jahr um 13 Prozent gestiegen
So seien die Personalkosten zwischen März 2023 und März 2024 um 13 Prozent gestiegen, erzählt Lemke und bekräftigt: "Die Entwicklung ist leistungsgerecht. Jeder unserer Mitarbeiter arbeitet im Schichtdienst, an Sonn- und Feiertagen. Es ist eine körperlich schwere Arbeit, man muss was leisten. Da ist es das Mindeste, dass man gerecht entlohnt wird. Das konnte man früher so am Markt nicht durchsetzen."
Wer nachvollziehen will, wie sehr die Münchner Gastronomie trotz gestiegener Preise manchmal regelrecht überrannt wird, konnte dies bei sommerlichen Temperaturen an den vergangenen Wochenenden am Viktualienmarkt tun. Zwischen der Heiliggeiststraße und der Blumenstraße etwa drängten sich die Massen. Hier, in der Blumenstraße, hatte zum Jahreswechsel zum Beispiel der Giesinger Kult-Italiener Stefano D'Amato ("Feinkost Cannova") mit dem "Barissimo" ein weiteres Lokal eröffnet. Schon nach wenigen Wochen muss man frühzeitig reservieren, um überhaupt noch einen Tisch zu bekommen. Und so boomt die Gastronomie in der Münchner Innenstadt ungebremst – trotz seit Jahren deutlich steigender Preise für Schweinsbraten und andere Schmankerl.
- Telefon-Interview mit Gregor Lemke, Sprecher der Münchner Innenstadtwirte e.V.