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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kellnerin packt aus Das nervt die Wiesn-Bedienungen am meisten
Wie ist es eigentlich, auf dem Oktoberfest zu arbeiten? Ein Bericht über Bierkrug-Rekorde, Reizhusten und nationale Unterschiede im Trinkverhalten.
Bald ist die Wiesn vorbei. Am Sonntagabend ist Schluss mit O'zapft is. Doch wie erlebt eigentlich eine Wiesn-Kellnerin das größte Volksfest der Welt? t-online hat mit einer langjährigen Bedienung aus dem Hofbräu-Zelt gesprochen.
"Das erste Mal auf der Wiesn war eine Herausforderung für mich, die ich bewältigen wollte", erklärt die 40-jährige Marlene Graßl. Seit neun Jahren arbeitet sie schon auf der Wiesn. "So, wie andere einen Marathon laufen. Das hat mich schon immer gereizt, diese Anspannung, diese Herausforderung. Die ganze Welt will ins Hofbräu." Das Schöne sei für sie, dort dabei zu sein.
"Es macht total Spaß, Teil von diesem Geschehen zu sein"
Seit ihrem ersten Einsatz sei sie angefixt gewesen von dem Job auf dem Oktoberfest. "Es macht total Spaß, Teil von diesem Geschehen zu sein. Und man verdient ganz gut", lacht sie. Eine kurze Pause vom Kellnern nutzt sie, um mit t-online über ihren Job zu sprechen. Dabei sei der alles andere als einfach.
"Die Wiesn neigt sich dem Ende zu, die Nerven liegen blank." Sie könne dann nicht mehr so viel Stress und Ärger kompensieren wie noch zu Beginn, erklärt Graßl. "Zwei, drei Tage nach der Wiesn holt sich mein Körper zurück, was er braucht." Die Folge: oft eine leichte Grippe, eine leere soziale Batterie und Erschöpfung. "Ich habe dann das Bedürfnis, keine Menschen zu sehen, mich einzuigeln und die Welt gut sein zu lassen." Diese Erholungszeit plane sie schon ein. "Da mache ich keine Termine." Nach drei Tagen gehe es dann wieder los mit dem normalen Alltag.
Wichtig sei es daher, mit den eigenen Energiereserven hauszuhalten, sich nicht am Anfang der Wiesn bereits auszupowern. Außerdem helfe es Graßl, alles außer dem eigenen Bereich – in der Regel acht bis zehn Tische – auszublenden. Und vor allem immer wieder Pausen einzulegen. "Mein Geheimtipp: Wenn ich mal später anfange, vor Schichtbeginn zur Massage zu gehen. Das mache ich jedes Jahr drei bis vier Mal während der Wiesn."
Persönlicher Bierkrug-Rekord: Zwölf Maßen auf einmal
Besonders anstrengend sei es, sich schwer mit Krügen beladen durch die Menschenmassen quetschen zu müssen. Bis zu zwölf Krüge, jeder etwa 2,3 Kilogramm schwer, kann Graßl maximal tragen. Dann nutzt sie oft eine Trillerpfeife, um sich den Weg zu den Tischen freizukämpfen.
Wichtig sei es dann, in den Pausen abzuschalten, aus dem Lärm des Festzeltes herauszukommen. Dennoch bezahlt Graßl jedes Jahr einen Preis für die Wiesn. "Ich bekomme oft Reizhusten vom lauten Reden und dicke Finger." Während des Interviews muss sie mehrmals unterbrechen und laut husten. "Das Verletzungsrisiko ist leider auch beträchtlich." Bei einem Sturz mit einem vollen Tablett könne man sich schnell an Scherben aufschneiden. Auch wenn sie sich nicht in Konflikte einmischt, nerven die Kellnerin Schlägereien im eigenen Bereich sehr. "Dann fallen alle Krüge um, es wird hektisch und chaotisch." Das passiere leider immer wieder.
Ein anspruchsvoller Beruf. Den Graßl jedoch nicht missen möchte. "Für mich steht fest: Wenn ich kann, werde ich das ewig machen." Auch, weil es sich finanziell lohnt. Zum einen verdienen die Bedienungen an jeder Maß. Hinzu komme dann noch das Trinkgeld. Dabei gebe es jedoch große nationale Unterschiede. "Zum Beispiel die Italiener sind beim Trinkgeld am geizigsten, weil das dort nicht üblich ist. Am großzügigsten sind die Australier. Das ist die generöseste Trinkgeld-Nation. Die geben eh so viel für Flug und Unterkunft aus, da sitzt der Geldbeutel ohnehin locker."
"Italiener zum Beispiel werden betrunken oft unangenehm"
Auch beim Umgang mit den Kellnerinnen gibt es nationale Unterschiede, so Graßl. "Italiener zum Beispiel werden oft unangenehm und touchy, wenn sie zu viel getrunken haben. Dann ist es wichtig, wie man auftritt, dass man Grenzen setzt."
Die "Gentleman-Nation" seien indes die Holländer. "Da kommen auch meine Lieblingsgäste her. Eine Gruppe von 70 Holländern, die jedes Jahr kommen. Sie sind total lieb und höflich. Und sie vertragen auch ordentlich", lacht Graßl.
Dass sie selbst nicht privat auf die Wiesn kann, stört die Kellnerin nicht. "Ich bin zwar nüchtern, aber kann ja trotzdem da an dieser Freude teilhaben und bin ja auch Teil der Wiesn. Ich hab mit den Gästen zusammen Spaß, also mir fehlt da auch nichts."
Was sie auch nicht stört, sind die Betrunkenen. "Wir bringen ja die ganze Zeit das Bier und freuen uns über den Umsatz. Wir möchten, dass viel getrunken und konsumiert wird. Dann kann ich mich auch nicht darüber beschweren."
- Reporter vor Ort