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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Maut-Debakel und AfD-Abstimmung Wohin führt der Weg von Andreas Scheuer?
Die negativen Schlagzeilen reißen für Andreas Scheuer nicht ab. Kehrt er jetzt der Politik womöglich den Rücken?
Was wird aus der politischen Karriere des CSU-Politikers Andreas Scheuer? Das fragen sich nicht nur viele Beobachter der Politik in Berlin, sondern längst auch Parteifreunde. Spätestens, nachdem er vor wenigen Tagen seinen Posten als Vorsitzender des CSU-Bezirks Niederbayern abgegeben hat. Nach sieben Jahren. Christian Bernreiter übernahm das Amt. Noch einmal Applaus für Scheuer. Das war's. Der Schritt war zwar schon lange nach einer persönlichen Entscheidung von Scheuer angekündigt, er folgte aber am Ende einer verheerenden Woche für den einstigen Bundesverkehrsminister.
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass im Streit um Schadenersatz für die geplatzte Pkw-Maut der Bund 243 Millionen Euro an die eigentlich vorgesehenen Maut-Betreiberfirmen zahlen wird. Die Pkw-Maut, ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung, war im Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden; damals war Scheuer Verkehrsminister. Der Bund kündigte die Verträge mit den vorgesehenen Betreibern kurz nach dem Urteil. Diese forderten zunächst 560 Millionen Euro Schadenersatz. Scheuer wies die Forderung der Firmen zurück. Daraufhin folgte ein Schiedsverfahren.
Stattliche Summe für den Ausbau der Fernstraßen in Bayern
Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass die Pkw-Maut von Scheuers Vorgänger im Amt, Alexander Dobrindt, angeschoben sowie vom damaligen CSU-Chef Horst Seehofer vorangetrieben worden war. Doch Scheuer unterzeichnete damals den Vertrag mit den Betreiberfirmen. Für immer werden die gescheiterten Maut-Pläne also als Makel mit ihm verhaftet bleiben; egal was er sonst noch an Projekten und Erfolgen aus seiner Zeit als Minister vorweisen kann, beispielsweise den Ausbau der Fernstraßen in Bayern mit der stattlichen Summe von 551 Millionen Euro. Keine guten Voraussetzungen für eine weitere erfolgreiche Laufbahn in der Politik.
Rücktrittsforderungen ließ er zwar seit dem Maut-Debakel an sich abgleiten wie eine Teflonpfanne; aber mit der Abwahl der Union bei der Bundestagswahl war Andreas Scheuer auch den Posten als Verkehrsminister los. Fünf Jahre lang, von 2013 bis 2018, war er zudem Generalsekretär der CSU. Auch mal Staatssekretär. Ganz am Anfang seiner Karriere, klassischerweise Vorsitzender der JU in seiner Heimatstadt Passau. Alles lange her. Jetzt noch nicht mal mehr der Vorsitz in Niederbayern. Was folgt? Bis 2025 hat Scheuer sein Mandat als Bundestagsabgeordneter für die CSU sicher.
Florida-Reise und Abstimmung für einen AfD-Antrag
Im Bundestag kümmert er sich derzeit vor allem um Außenpolitik. Dabei zieht er schon mal Kritik auf sich. So wie im Mai dieses Jahres, als er den erzkonservativen Gouverneur von Florida, Ron De Santis, mit einer Delegation besuchte und anschließend dessen Geradlinigkeit lobte. Den jüngsten Ärger zog er sich zu, als er im Europa-Ausschuss des Bundestags für einen AfD-Antrag gestimmt hatte. Aus Versehen, wie er später betonte.
Zieht es Andreas Scheuer vielleicht schon bald in die Wirtschaft? Schon Anfang des Jahres zitierte ihn der "Spiegel", er sei von den Innovationen junger Unternehmen fasziniert. Außerdem könne Bayern eine aktivere Außenwirtschaftspolitik vertragen, und er sei Präsident der Asienbrücke – der Kontinent umfasse noch viel mehr Länder als China. Dort wolle er Partnerschaften herstellen. Worte, denen man womöglich im Hinblick auf seine berufliche Zukunft mehr denn je Bedeutung beimessen muss.
- spiegel.de: "Ex-Verkehrsminister Scheuer gibt CSU-Bezirksvorsitz in Niederbayern ab" vom 1.2.2023
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa