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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuer Verein startet in Spitzenliga American Football in Deutschland: Mehr als Kommerz?
American Football boomt in Deutschland. Davon profitiert ein Verein aus München, der bald in der European League of Football startet. Das sehen einige kritisch.
Das derzeit wohl spannendste Sportprojekt in München, das bundesweit hohe Wellen geschlagen und auch zu Unmut geführt hat, ist nicht eben leicht zu finden. Zunächst einmal muss man die Stadt verlassen und in Unterhaching – das ja eher für Fußball bekannt ist – hinter einem Discounter in eine Seitenstraße einbiegen. Dort geht es an Baracken und Containern vorbei, ehe man vor einem Sportplatz steht, auf dem sich hünenhafte Gestalten in schwarzen Trikots und mit schwarzen Helmen gerade aufwärmen.
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Es sind dies die Footballer der Munich Ravens, des neu gegründeten Teams in der European League of Football (ELF). Diese semiprofessionelle Liga wurde 2021 aus der Taufe gehoben – nach dem Vorbild der National Football League (NFL) in den USA. Sie hat in den vergangenen Jahren hierzulande einen regelrechten Football-Boom ausgelöst. Jüngster Höhepunkt war im November das Ligaspiel der Seattle Seahawks gegen die Tampa Bay Buccaneers in München, für das sich 750.000 Menschen um Tickets bemühten.
Deutschland hat größten Football-Markt Europas
Laut NFL hat Deutschland inzwischen Großbritannien als größten europäischen Markt für American Football überholt. Allein die hiesige German Football League (GFL), in der München mit den Munich Cowboys vertreten ist, konnte von dem Boom kaum profitieren. Und in diese Lücke will nun die EFL stoßen, deren Chef Patrick Esume den deutschen Verband mehrfach dafür kritisiert hat, das Fanpotenzial nicht auszuschöpfen.
2021 startete die ELF mit acht Teams; im Folgejahr waren es zwölf – sieben davon aus Deutschland. Heuer soll die Saison mit 17 Clubs über die Bühne gehen, darunter der Neuling aus München, dessen Einstieg im August verkündet wurde.
Munich Ravens tragen Spiele im Fußballstadion aus
Gesellschafter der Franchise, wie das im Football heißt, sind der Sportunternehmer Thomas Krohne und Finanzinvestor Christian Binder. Als Manager haben sie Sebastian Stolz verpflichtet, der zuletzt beim Eishockeyteam von Red Bull Salzburg und davor jahrelang für den NFL-Club Oakland Raiders gearbeitet hat.
Der 45-Jährige steht an diesem regnerischen Abend in Unterhaching am Seitenrand und beobachtet das Training seiner Mannschaft. Ob ihm einen Monat vor Saisonstart die sportlichen oder die organisatorischen Herausforderungen mehr Schweißperlen auf die Stirn treiben? Bei dieser Frage lächelt Stolz – schwarzer Vollbart, schwarze Daunenjacke, schwarzer Kapuzenpulli. Dann sagt er: "Ich bin generell ein sehr ruhiger Mensch." Aber ja, organisatorisch gebe es noch viel zu tun, zumal man erst vor einigen Wochen final geklärt habe, dass die Ravens ihre sechs Heimspiele im Sportpark Unterhaching austragen werden. Dort hoffe man auf mehrere Tausend Zuschauer pro Partie, sagt Stolz. "Der Ligaschnitt lag letzte Saison bei 3500. Und das ist das, was wir auch gerne hätten."
Munich Ravens rekrutierten Spieler aus vielen Ländern
Aus sportlicher Sicht mache er sich weniger Gedanken, sagt der Manager. "Sehen Sie diesen Trainer?", sagt Stolz und zeigt auf Chefcoach John Shoop, der seinen Schützlingen auf dem Rasen gerade einen Spielzug erläutert. "Er hat 30 Jahre in der NFL und bei Top-Colleges gearbeitet. Und natürlich hat er auch hier den Anspruch, vorne mitzuspielen." Sprich: Die Ravens wollen in ihrer Debütsaison direkt in die Playoffs.
Schaffen soll das ein Kader, der – ergänzt um zehn ausländische Spieler – laut Stolz ein "bayerisches All-Star-Team" ist. Tatsächlich haben die Ravens ihre Mannschaft vornehmlich von den umliegenden GFL-Vereinen rekrutiert – aus Ingolstadt, Straubing und allen voran von den Munich Cowboys, die ganze 15 Spieler an den Stadtrivalen verloren haben. Entsprechend erbost ist man dort über das Agierens des Neulings, was er ein Stück weit auch verstehen könne, sagt Sebastian Stolz – einerseits.
Der internationale Markt reizt
Andererseits sei es für die Spieler nun mal verlockend, "auf einem anderen Level zu spielen". Zudem klingen Duelle gegen Barcelona oder Mailand deutlich reizvoller als Auswärtsfahrten nach Ravensburg oder Schwäbisch Hall. Und nicht zuletzt gibt's bei den Ravens – wenngleich sie kein reines Profi-Team sind – auch mehr Geld zu verdienen. Stolz zufolge liegt das Budget des Clubs in seiner Debütsaison im siebenstelligen Bereich.
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Mit Blick auf den Verband und die GFL sagt der Manager: "Der deutsche Football hat in den vergangenen Jahren viele Chancen vergeben. Ich verstehe deshalb, wenn man sagt: Die EFL ist besser, weil ..." Diesen Satz lässt Stolz unbeendet und betont stattdessen, dass seine Ravens mittelfristig eine "gute Beziehung" zu den Nachbarclubs aufbauen wollten. Aktuell jedoch stehen erst mal die Vorbereitungen auf den Saisonstart im Vordergrund. Los geht's am 4. Juni mit einem Heimspiel gegen die Raiders Tirol.
- Eindrücke vor Ort
- Gespräch mit Manager Sebastian Stolz
- Pressemitteilungen der Munich Ravens