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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jeremy Fragrance über seinen Erfolg "Eine KI kann mich nicht ersetzen. Wobei ..."
Mit Parfums kennt er sich aus, nun kennen ihn Millionen. Social-Media-Star Jeremy Fragrance schwingt inzwischen Reden und sagt, wie er sich "mit Geilheit füllt".
Jeremy Fragrance hat etwas geschafft, was vor ihm vielleicht noch niemand geschafft hat. Und das wahrscheinlich nicht nur einmal. Models und Werbegesichter als Testimonials für Parfüm gibt es viele, bekannt wird von ihnen kaum jemand. Entertainer findet man auf diversen Bühnen, doch nur bei den wenigsten fragt sich das Publikum, ob ihre Komik überhaupt gewollt ist.
Und auch auf Motivationstrainer trifft man inzwischen fast überall, aber wer mit Dingen wie einem "Gewinner-Mindset" und "Highperformern" nichts anfangen kann, verachtet sie meist. Nur bei Jeremy Fragrance, da weiß niemand so recht, was los ist. Beim "Rocketeer"-Kongress in Augsburg soll Fragrance darüber sprechen, wie man auf Social Media viral gehen kann, so wie er. Gelernt haben dürften das in seinem Vortrag die wenigsten. Aber das macht überhaupt nichts.
Jeremy Fragrance tritt in Bayern auf
Tatsächlich war Fragrance Mitglied einer mittelmäßig erfolgreichen Boyband, wurde dann zum Parfüm-Influencer, und das nicht nur, weil er gut aussieht, sondern auch, weil er zig Parfums am Geruch erkennen kann. Er brachte es auf über 6 Millionen Follower bei TikTok, und das eben, weil er unterhaltsam ist und sich unablässig in prolligen Angebereien ergibt. Aber ob er das alles so ganz ernst meint, weiß wohl niemand. Vielleicht nicht mal er selbst.
Auf der Bühne soll er sich eigentlich mit Unternehmer Christian Müller unterhalten. Aber Fragrance hat anderes im Sinn. Erst einmal kritisiert er den Auftritt von YouTuberin und Podcasterin Maggie Herker, die vor ihm auf der Bühne war. Dann erzählte er dem Publikum, man solle sich immer wie ein Champ fühlen. "Auch wenn man euch ins Gesicht tritt!" Um das zu belegen, flucht er plötzlich derbe los. "F*tze, H*re, Wichser", so oder so ähnlich schreit er ins Mikrofon. "Ich darf das sagen, weil ich mehr verdiene als die von Big Brother."
"Bin ich der Daniel aus Oldenburg, der von seinem Vater mit dem Gürtel den Arsch verprügelt bekommen hat?", fragt Fragrance, der bürgerlich Daniel Sredzinski heißt. "Oder bin ich der Multimillionär Jeremy Fragrance? Was du dir sagst, ist ziemlich wichtig", schließt er an. Dann darf Müller ihm tatsächlich zum ersten Mal eine Frage stellen. "Number One, let's go! Das liegt in meinen Genen", schießt es aus Fragrance als Antwort heraus. Auch wenn das gar nichts mit der Frage zu tun hatte.
Das Mantra von Jeremy Fragrance in Augsburg
Die Show geht weiter. "Fühlt euch wie ein Gewinner. Focus on the positive. Und... geile daily habits", wiederholt er dreimal seine drei Grundsätze mit kurzem Zögern. Dass man sich aufs Positive fokussieren solle und alltägliche Angewohnheiten brauche, die einem Freude machen, sind im Übrigen die Übersetzungen der beiden Anglizismen, von denen Fragrance noch viele mehr gebrauchen soll an diesem Tag – freilich ohne Übersetzungen.
Zwischendurch wirft er ein: "Es reicht auch, ein guter Mensch zu sein. Das ist auch ein guter Purpose (was wortwörtlich "Zweck" heißt) im Life (also im "Leben")". Auch Fragen, die offen lassen, ob sie zusammenhanglos oder einfach philosophisch sind, stellt der 34-Jährige. "Bin ich der geilste Influencer oder bin ich geil im Vergleich mit Justin Biber?", will er wissen, oder vielleicht auch nicht.
Da ist es keine unwichtige Information, wenn er sagt: "Übrigens: Ich gehe auch abends schlafen und so." Zur Gestaltung des Vortrags, der eigentlich ein Gespräch sein sollte, fällt ihm auf, dass der thematisch ganz schön springe. Und Fragrance stellt klar, dass er noch nie in seinem Leben Drogen genommen habe. Was er hingegen konsumiert, sind Datteln. Die brauche er zum Erholen. Und damit er sich "mit Geilheit füllt": "Ich gebe so viel Geilheit, und damit tanke ich nach!", erklärt der Influencer.
Einen wichtigen Tipp gibt er dem Publikum mit – über das er gegen Ende des Vortrags bemerkt, er wisse gar nicht, was es überhaupt so mache: "Achtet darauf, verschiedene Facetten zu zeigen." Wenn man in unterschiedlichen Rollen bekannt sei, könne man eher tun, was man wolle – und müsse nicht immer nur das Gleiche vorspielen. Und der Familie solle man Geld lieber gleich schenken, als mit ihnen ein Geschäft aufzuziehen.
Jeremy Fragrance mit Tipp, warum man Familie Geld schenkt
"Irgendwann trennt sich die Spreu vom Weizen", sagt er. Und dann sitze man beim Essen am Tisch, und es falle auf, dass der eine eine ganz andere Nummer sei als der andere. Was von Fragrance hängen bleibt – so wie bei all seinen öffentlichen Auftritten – ist keine große, eigenständige Botschaft, kein zusammenhängendes Konzept. Sondern eine lose Sammlung von Zitaten, die sein Publikum gleichzeitig belustigen wie vor den Kopf stoßen.
Man fragt sich: Was geht im Kopf des Mannes vor, der aus dem Nichts sagt: "Ich werde viel mit Christian Bale verglichen" und "ich gucke keine Nachrichten"? Er gehe bald in die USA und rät seinen Zuhörer, sich selbst zum Kapital zu machen. Mitleidig klingt er, wenn er vom Bankvorstand erzählt, der in Rente geht und dann nicht mehr angerufen wird, weil er unwichtig war und nur sein Posten ihn relevant gemacht hatte.
Argumente, um ihm zu widersprechen, wenn er sagt "Eine KI kann mich nicht ersetzen", finden sich nur schwer. "Einen Lkw-Fahrer kann man ersetzen. Eine Kassiererin auch. Aber mich nicht", ist er sicher. Und fährt fort: "Wobei – das gab es ja auch schon." Was er damit meint, bleibt offen. Und was lernen wir daraus? Nichts. Aber wer will wirklich etwas von Jeremy Fragrance lernen?
- Reporter vor Ort