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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ich habe ihr eine Lektion erteilt" Angehender Lehrer schockt im Netz mit Frauenhass
Ein YouTuber verbreitet in seinen Videos nicht nur Schachtipps: Er verachtet Frauen, stachelt frustrierte Männer an – und will womöglich ins Lehramt.
"Das ist ein Angriff. Das toleriere ich nicht, Schätzelein." Mit diesen Worten kommentiert Felix Funk eine der vielen Geschichten, die der selbsternannte Männerrechtsaktivist in einem seiner YouTube-Videos erzählt. Eine Frau habe ihn in einem Bus angestarrt, woraufhin er die Frau "verfolgte" – "ob es dir passt oder nicht". Sie sei vor ihm "geflüchtet", doch "ich bin ihr gefolgt und auf die Pelle gerückt". Sie sei "komplett eingeschüchtert" gewesen. "Das war eine Lektion, die ich dieser Frau erteilen musste. Und so solltet ihr, liebe Männer, anderen Frauen Lektionen erteilen." Funk grinst.
Was tun, wenn man in der Öffentlichkeit bedrängt wird?
Sollten Sie in der Öffentlichkeit bedroht, bedrängt oder verfolgt werden, rät die Polizei dazu, hör- und sichtbar zu reagieren: "Sagen Sie laut, damit möglichst viele Fahrgäste es hören: 'Lassen Sie mich in Ruhe!'" Sollte die Verfolgung sich nach dem Ausstieg aus Bus oder Bahn fortsetzen, sei ein sofortiger Wiedereinstieg oder das Aufsuchen belebter Orte ratsam. "Wenden Sie sich bei einer akuten Bedrohung sofort an die Polizei unter 110." (Quelle: Polizeiliche Kriminalprävention)
Viel Aufregung gibt es nicht nur um dieses, sondern auch um ein anderes von Funks Videos. In diesem erklärte jüngst "Der Gesellschaftskritiker", wie er sich bei YouTube nennt, warum Männern in einer heterosexuellen Beziehung von Natur aus eine dominante Rolle zukomme. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. Felix Funk bedient für seine rund 6.500 Abonnenten so gut wie ununterbrochen frauenfeindliche Klischees, teilweise mehrere pro Minute: "Die Frauen" seien verzogen, schätzten die Männer in ihrem Leben nicht, seien von Emotionen gelenkt und bei der Verteilung der Intelligenz "ganz natürlich nicht auf den vorderen Plätzen dabei".
Schachlehrer und angehender Schulpsychologe
"Nur" 6.500 Abonnenten? Das Argument dürfte kaum beruhigen. Denn Felix Funk ist nach eigenen Angaben Lehramtsanwärter. Zudem war er im Verein "Schachfreunde München" Trainer für den Nachwuchs, wie der Schachclub t-online bestätigte. In einer Kurzbiografie Funks, die bis zu seinem Ausscheiden auf der Internetseite der "Schachfreunde" stand, hieß es, er studiere auf Lehramt.
In einem älteren, inzwischen überarbeiteten Profil in den sozialen Medien schrieb Funk, er studiere Mathematik und Schulpsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Diese Behauptung unterlegt auch ein Forschungspapier der LMU aus dem Jahr 2021, das Felix Funk als Autor listet. Dieses Papier liegt t-online vor.
Auf t-online-Anfrage bestätigt die Universität indirekt, dass Funk an der LMU eingeschrieben ist. Seine Immatrikulation lässt Sprecherin Claudia Russo zwar offen, deutet sie aber an: "Die Äußerungen sind indiskutabel und entsprechen nicht den Werten der LMU." Die Exmatrikulation von Studierenden (...) sei jedoch streng geregelt. Für einen Exmatrikulationsgrund gebe es gegenwärtig keine Anhaltspunkte. Der YouTuber selbst erklärte auf t-online-Anfrage, er wolle sich nicht äußern.
"Der Gesellschaftskritiker" ist nicht sein erstes YouTube-Projekt. Funk führt außerdem einen Kanal namens "Ledator", auf dem er Tipps zum Schachspiel gibt. Dort hat er fast 10.000 Abonnenten. Bei einem Interview nennt ihn der Moderator "einen der bekanntesten Schach-YouTuber Deutschlands".
"Das hat einen Schlag getan"
Dass Funk auch körperlich übergriffig wird, berichtet er in einem Video aus dem Februar: In diesem beschreibt Funk in epischer Breite ein Erlebnis, bei dem eine augenscheinlich junge Frau (er nennt sie durch die Bank "Mädel") ihm bei einem Spaziergang "auf meiner Seite" des Weges entgegenkommt. Sie sei nicht aus dem Weg gegangen – "und ich habe das dann auch nicht eingesehen. Sehen wir mal, wer so 'ne Kollision eher übersteht – so 'ne Jacht wie ich oder 'n kleines Fischerboot. Du bist eine Frau und ich bin ein Mann und du scheinst vergessen zu haben, dass Männer körperlich besser gebaut sind und eine Kollision meistens für die Frau nicht so gut ausgeht."
Die Frau sei gegen seine Schulter gelaufen, offensichtlich schmerzhaft gestürzt (Funk erklärt an dieser Stelle ausführlich, dass seine Schulter "wie eine Mauer, nicht wie ein Wattebausch" sei) und habe "dann mich gesehen und gemerkt, dass sie zu mir besser nichts sagt". Was er daraus gelernt habe: "Manche Frauen brauchen es, dass man ihnen die Grenzen aufzeigt und ihr respektloses Verhalten nicht toleriert."
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Als die Frau ihm gegen die Schulter gelaufen sei, "das hat ihr schon wehgetan. Das hat einen Schlag getan". Funk kichert, grinst, als er seelenruhig über etwas spricht, das, wenn seine Erzählung stimmt, nicht weniger als ein körperlicher Angriff auf eine junge Frau gewesen sein muss. Der Titel des Videos lautet übrigens: "Wenn Frau es wagt, respektlos gegenüber dir als Mann zu sein."
Kritik an Felix Funk? "Beta"
Der Versuch, den Zusammenstoß zu vermeiden, nennt Funk "den typisch weiblichen Weg", den er selbstverständlich nicht gegangen sei. "Wenn ich weiblich reagiert hätte, hätte ich meinen Selbstrespekt verloren und ihr keine Lektion erteilt." Denn, und das sei nicht seine Bewertung, "die Frauen denken das so": "Die sehen das und denken: was für ein Lappen."
Funks Frauenbild zielt nicht nur auf die Abwertung der Frau ab, sondern auch auf die Überhöhung dessen, was er als Maskulinität an sich versteht: Einen ARD-Journalisten, der einen Beitrag über frauenfeindliche Männlichkeitsbewegungen in Deutschland moderiert, nennt Funk "einen Beta-Mann" – im Gegensatz zu Männern wie ihm selbst natürlich, dem "echten" Mann, dem "Alpha".
Anschluss an die "Querdenker"
Männer, die ihn kritisieren, seien "white knights" (weiße Ritter), die den Frauen gefallen wollten "und sie so in ihrem respektlosen Verhalten bestärken". "Es geht hier nur um eine natürliche Dominanz des Mannes", sagt Funk in einem Video vom 23. Februar 2023.
Abgesehen von seinen frauenfeindlichen Ansichten ist Funk anschlussfähig an das Milieu der "Querdenken"-Bewegung. Auf seinem Twitter-Account bezeichnet er Feminismus als "Bullshit", leugnet die Existenz von trans Menschen und wähnt sich in Deutschland in einer "Meinungsdiktatur". Auch die Covid-Pandemie sei erfunden – Funk nennt sie konsequent die "Bombona Plandemie".
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Die Reaktionen bei Twitter zeugen vor allem von Entsetzen. "Ich bin so unfassbar wütend", schreibt beispielsweise @MelliTrue. "Als Person, die sich auch schon verfolgt und bedrängt gefühlt hat/wurde, kann ich berichten, dass mich dieses Video fertig gemacht hat."
Eine andere Frau richtet sich an die Männer, die Funk mit seinen Videos erreichen will: "Diese Typen verstärken den Hass zu Frauen enorm und verunsichern euch im Umgang mit anderen", twittert @n3ll41. "Weder Frauen noch Männer müssen irgendwelchen Anforderungen, Maßen oder Idealen entsprechen."
- twitter.com: Thread von @n3ll41
- youtube.com: Kanal von "Der Gesellschaftskritiker"
- youtube.com: Kanal von "Ledator"
- youtube.com: "Schach-YouTuber Ledator im Interview" vom 22. April 2019
- belltower.news: "SUPEREXTREME – YOUTUBER, MÄNNERRECHTLER, LEHRAMTSSTUDENT" vom 7. März 2023
- Heureka! Autismusforschungsforum (2021): Autismus und Schule. Ein Wegweiser für Lehrkräfte
- Anfrage an die Schachfreunde München e.V.