Live aus dem Gerichtssaal Richter scherzt im Boateng-Prozess über dessen Rolle auf dem Spielfeld
In München zieht sich der Berufungsprozess gegen Jérôme Boateng lange hin: Der Richter drängt auf ein Urteil – und das kommt dann auch.
Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng ist auch in seinem Berufungsprozess wegen Körperverletzung verurteilt worden. Das Landgericht München I verhängte am Mittwoch eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro, insgesamt 1,2 Millionen Euro. Damit wäre Boateng, anders als nach dem erstinstanzlichen Urteil, vorbestraft.
Das Amtsgericht hatte im vergangenen Jahr zwar in der Summe eine höhere Geldstrafe verhängt, jedoch war die Zahl der Tagessätze nur halb so hoch – konkret: 60 Tagessätze zu je 30 000 Euro, insgesamt 1,8 Millionen Euro.
Hier lesen Sie, was vor dem Urteil geschah. Die Eindrücke unserer Reporterin vor Ort.
Der Berufungsprozess gegen Jérôme Boateng am Münchner Landgericht zieht sich am Mittwochabend immer weiter in die Länge: Der Vorsitzende Richter, Andreas Forstner, hatte angekündigt, die Sache "heute zu einem Ende zu bringen", die Verteidigung hält mit verschiedenen Anträgen dagegen. Der Vorsitzende Richter sei befangen, hieß der erste Vorwurf, nun gibt es einen weiteren Beweisantrag – doch auch der wurde abgelehnt.
Die Verteidigung hatte zuvor noch beantragt, die Aussagen von Boatengs Ex-Freundin nicht für eine Urteilsverkündung heranzuziehen: Sie sei unglaubwürdig. Richter Forstner hatte Boatengs Beistand bereits dazu aufgerufen, das Verfahren nicht künstlich mit zahlreichen Beweisanträgen in die Länge zu ziehen.
Dabei scherzte Forstner auch über Boatengs Rolle auf dem Spielfeld: "Irgendwann ist halt auch die Verteidigung mal am Ende. Das weiß der Herr Boateng als Verteidiger wahrscheinlich auch ganz gut."
Staatsanwaltschaft fordert hohe Strafe für Boateng
Boatengs Verteidiger hatten zunächst einen Befangenheitsantrag gegen Forstner eingereicht. Sie warfen darin dem Münchner Richter vor, dass "zu erkennen" sei, "dass sich zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend auswirken kann und wird", so Boatengs Anwalt Norman Nathan Gelbert.
Am späten Mittwochnachmittag wurde dann die Beweisaufnahme geschlossen. Die Staatsanwaltschaft begann ihr Plädoyer. Danach waren noch Nebenklage und Verteidigung dran, bevor das Landgericht München I möglicherweise noch am Mittwoch ein Urteil sprechen könnte.
In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwältin anderthalb Jahre Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 1,5 Millionen Euro für Boateng. Er sei wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu verurteilen. Die Bewährungszeit solle auf drei Jahre festgesetzt werden.
Die Geldauflage solle unter anderem Opfer- und Frauenhilfsorganisationen zugutekommen. Die Nebenklage schloss sich den Forderungen an und sprach von einem "David-gegen-Goliath-Kampf", den ihre Mandantin gegen ihren berühmten Ex-Freund führen müsse.
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Prozess gegen Boateng: Diskussionen über Chatverläufe
Boateng ist angeklagt, weil er seine damalige Partnerin in einem Karibik-Urlaub 2018 beleidigt, geschlagen und verletzt haben soll. Der Prozesstag startet mit fünf Videos, die zeigen, wie sie am Strand im Dunklen tanzt, offenbar gefilmt von ihrer Freundin, die bereits als Zeugin vor Gericht ausgesagt hatte. Für Boatengs Ex-Freundin ist das gezeigte Video "höchst unangenehm" so ihre Anwältin.
Die Videos wurden bereits im ersten Prozess von Boatengs Verteidigung herangezogen, um zu sehen, ob seine Ex-Freundin Verletzungen hatte. Die zwei anwesenden Sachverständigen bestätigen übereinstimmend, eine dunkle Verfärbung am Auge, aber keine weitere Verletzung erkannt zu haben.
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Die Staatsanwaltschaft warf Boatengs Anwälten vor, nur "schmutzige Wäsche waschen" zu wollen. Sie drängen auf ein umfangreiches Beweiserhebungsprogramm und wollen beispielsweise Chatverläufe von 2020 zwischen Boatengs früherer Partnerin und seiner derzeitigen Verlobten aus dem Englischen übersetzen lassen.
Ex-Freundin sagt erneut aus
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage machte deutlich, dass die Chatverläufe bruchstückartig und aus dem Zusammenhang gerissen seien. Zudem sei fraglich, was Chats aus dem Jahr 2020 mit dem Vorfall aus dem Jahr 2018 zu tun hätten, so die Staatsanwältin. Auf dem Verhandlungsprogramm des Gerichts stehen noch zwei medizinische und psychologische Gutachter, die ihre Einschätzung zu den Vorwürfen abgeben sollen.
Boatengs Ex-Freundin wird auf Wunsch der Verteidigung ein weiteres Mal befragt. Sie trägt eine blaue Bluse, spricht mit fester Stimme. Während ihrer Befragung bricht immer wieder eine Diskussion zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung aus, ob die Fragen etwas mit dem zu verhandelnden Vorfall zu tun hätten, beispielsweise zu den Mitgliedern einer Chatgruppe zwischen Boatengs Ex und ihren Freundinnen. Die Namen offenzulegen, lehnte der Vorsitzende Richter ab.
Das Amtsgericht München hatte Boateng im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt. Beide Seiten hatten jedoch Rechtsmittel eingelegt, weshalb es nun zum Berufungsprozess kommt.
- Reporterin vor Ort
- Material der Nachrichtenagentur dpa