München Handyverbot an Schulen wird gelockert
Das Handyverbot an bayerischen Schulen soll gelockert werden: Künftig sollen die Schulen selber entscheiden dürfen, ob sie Schülerinnen und Schülern die private Handynutzung in den Pausen oder über Mittag erlauben oder nicht. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) kündigte am Mittwoch an, dafür das bisherige strikte Verbot im bayerischen Schulgesetz zu entschärfen. "Die Schulen sollen passgenau und flexibel selber entscheiden können", sagte Piazolo der Deutschen Presse-Agentur in München. Konkret soll die Entscheidung jeweils beim sogenannten Schulforum liegen, dem Schulleitung, Lehrer, Eltern und Schüler angehören.
Die Gesetzesänderung wurde vom Kultusministerium am Mittwoch zur Stellungnahme an die Bildungsverbände gegeben. In Kraft treten soll die Neuregelung dann möglichst Anfang August. Sie würde in der Praxis also nach den Sommerferien greifen - wobei dann eben jede Schule für sich entscheiden muss, ob, wie und wo die Handynutzung erlaubt wird, ob etwa zeitlich, räumlich oder auch altersspezifisch differenziert. Eine Frist hierfür will Piazolo nicht setzen. Er sagte aber: "Ich gehe davon aus, dass die meisten Schulen das auch machen werden."
Derzeit ist die Handynutzung an bayerischen Schulen grundsätzlich verboten - wenn nicht in Ausnahmefällen ein Lehrer ausdrücklich zustimmt. "Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten", heißt es im Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Lehrkräfte können lediglich in Einzelfällen Ausnahmen zulassen, im Unterricht oder in den Pausen.
Der Vorschlag für die Neufassung sieht nun vor, dass die Schulleitung "im Einvernehmen mit dem Schulforum" die Nutzung von digitalen Endgeräten im Schulgebäude und auf dem Schulgelände auch allgemein erlauben darf. Ausgenommen bleiben Grundschulen und Grundschulstufen an Förderschulen. Einzelfallentscheidungen bleiben weiterhin möglich.
Piazolo betonte: "Die beste Lösung erreicht man, wenn man die gesamte Schulgemeinschaft vor Ort einbindet und eine einvernehmliche Lösung findet." Das sei die zentrale Erkenntnis, die man in den vergangenen Jahren in einem Schulversuch an insgesamt 135 Schulen gewonnen habe.
"Wir stärken die Eigenverantwortung der Schule. Ziel ist eine hohe Beteiligung von Lehrern, Schülern und Eltern - und dann ein großer Konsens." Das wirke sich auch positiv aufs Schulklima aus.
Wie konkrete Regelungen aussehen könnten, muss sich aber nicht jede Schule zwingend selber ausdenken. "Wir wollen die Schulen nicht alleine lassen. Wir haben, aus dem Schulversuch heraus, Muster entwickelt für Nutzungsordnungen, die man übernehmen kann", sagte Piazolo. Es werde auch "keinen Zwang und keine Frist" geben, bis wann die Schulen nach Inkrafttreten des Gesetzes aktiv werden müssen. "Die Schulen sollen in Ruhe passgenaue Lösungen finden können", betonte er. Manche wollten sich sicher auch mit Nachbarschulen abstimmen.
Handy-Regeln könnten künftig beispielsweise so aussehen wie an der Mittelschule in Neunkirchen am Brand (Oberfranken): "Privat nutzen wir unsere Endgeräte nur vor Unterrichtsbeginn und in der Mittagspause", heißt es dort. Lediglich die 8. bis 10. Klassen dürfen das Handy auch in Freistunden nutzen. Bild- und Tonaufnahmen sind maximal zu Unterrichtszwecken erlaubt, private Aufnahmen sind verboten. Auf Treppen, Gängen und in Toiletten dürfen die Geräte nicht genutzt werden. Zudem hat die Mittelschule festgelegt: "Wir verzichten bewusst immer am 1. und 15. Tag des Monats auf die Nutzung privater Endgeräte, um unseren eigenen Medienkonsum zu überdenken."
Über die Handynutzung an Schulen war bereits in der vergangenen Legislaturperiode viel diskutiert und teilweise gestritten worden. Bei einem runden Tisch des damaligen Kultusministers Bernd Sibler (CSU) mit Lehrern, Eltern und Schülern hatte sich damals herauskristallisiert, dass es den mehrheitlichen Wunsch gibt, von einem pauschalen Verbot abzurücken und den Schulen mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. Dies mündete in den Schulversuch mit 135 Schulen, der im Schuljahr 2018/19 startete. Den Anlauf für eine Gesetzesänderung hatte es aber bislang nicht gegeben.
"Es ist notwendig, das jetzt neu zu regeln. Das Smartphone ist eben längst zum ständigen Begleiter geworden, auch von Jugendlichen", sagte Piazolo und betonte: "Medienpädagogisch passen solche pauschalen Verbote wie bisher nicht mehr in die Schullandschaft."
FDP und Grüne nannten den Schritt überfällig. "Das bayerische Handyverbot ist ein Auslaufmodell aus analogen Zeiten", sagte der FDP-Politiker Matthias Fischbach. Die FDP-Fraktion habe deshalb schon einen Gesetzentwurf in den Landtag eingereicht, über den in der nächsten Plenarsitzung beraten werde. "Es freut mich, dass auch der Kultusminister endlich einen eigenen Vorstoß angekündigt hat."
Max Deisenhofer (Grüne) sagte ebenfalls: "Das ist ein lange überfälliger Schritt, denn das komplette Handyverbot war schon lange nicht mehr zeitgemäß." Jetzt müsse das Thema Medienkompetenz noch stärker in den Mittelpunkt rücken. "Wir fordern daher die Weiterentwicklung des Fachs Informatik zu Digital- und Medienkunde", sagte Deisenhofer.