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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Haustürwahlkampf in Bayern So kämpft ein Grüner um die Wählerstimmen

Mitte März wird in allen Kommunen Bayerns gewählt – auch in München. In einem Vorort versucht ein Grüner Wahlkämpfer, die Wähler von seiner Partei zu überzeugen. t-online.de hat ihn begleitet.
"Oh no, not you again!" steht auf der Fußmatte im ersten Stock. Das trifft es ganz gut. Viel besser als all die "Welcomes" und "Bienvenidos" vor den anderen Türen. Denn eingelassen wird David Grothe nie. Stattdessen hat er Blumensamen und eine Prise schlechtes Gewissen dabei.
Es ist früher Mittwochabend. Vor einer Stunde noch hat es geschneeregnet und sogar kurz gehagelt. Wer kann, bleibt zu Hause. Nur Grothe zieht durch den dämmrigen Riegerweg, von einem baugleichen Mietshaus zum nächsten. David Grothe ist Bürgermeisterkandidat in Taufkirchen bei München. Seit Januar klopft und klingelt sich seine Partei, die Grünen, durch die 20.000-Einwohner-Gemeinde. Und Grothe weiß: Wenn sich jede zweite Tür öffnet, ist das ein ziemlich guter Schnitt.
Wer aufmacht, hört schnell die Frage: "Haben Sie sich schon Gedanken über die Kommunalwahl gemacht?" Zack! Da ist es, das schlechte Gewissen. Denn am 15. März wählt Bayern: Kreistage, Stadträtinnen, Bürgermeister, Bezirksausschüsse und noch mehr. Es sind zu viele Gremien, um alle aufzuzählen. Doch die Karten in den bayerischen Kommunen werden neu gemischt. Und obwohl das Neubaugebiet oder die Umgehungsstraße oft direkt vor dem eigenen Fenster liegen, schenken die wenigsten Wähler den Kommunalwahlen große Beachtung.
Häuserwahlkampf schafft persönlichen Bezug
Um das zu ändern, machen die Parteien seit Jahresbeginn mobil. Straßenzüge werden aufgeteilt, Teams zugeordnet und dann Flyer, Einkaufswagenchips oder Tütchen mit Blumensamen verteilt. Selten kommt man dem Wähler näher, weiß auch Kajetan Haeusgen. Für die CSU möchte er in den Münchner Stadtrat einziehen. „Politik ist häufig etwas sehr Abstraktes. Der Häuserwahlkampf schafft einen persönlichen Bezug, weil man mit den Menschen spricht.“ Aus einer Partei wird ein Gesicht, ein Name mit einem Standpunkt verknüpft. Da will man Eindruck machen: "Der Kommunalwahlkampf ist ein besonders intensiver Wahlkampf."
Deshalb klingeln Kandidaten auch noch in Zeiten von Social Media an Haustüren. "Mit dem Haustürwahlkampf erreicht man andere Wählerschichten", weiß Martin Gross. Der 33-Jährige ist Experte für Kommunalpolitik an der LMU München. Eine Nachricht in den Sozialen Netzwerken ist schnell erstellt, aber ältere Menschen bekommen davon meist wenig mit. "Und gerade unentschlossene Wähler kann der direkte Kontakt zu Politikern überzeugen."
Mit lokalen Themen überzeugen
David Grothe und die Taufkirchner Grünen machen deshalb nicht weniger, sondern mehr Haustürwahlkampf als noch 2014. Dafür haben sie sich von erfahrenen Haustürwahlkämpfern schulen lassen: "Bei Mehrfamilienhäusern immer im Erdgeschoss klingeln." Dort würde eher aufgemacht. Außerdem einen bürgernahen Gesprächsaufhänger finden, um die eigenen politischen Positionen mit der Lebenswelt zu verknüpfen: "Gibt es Themen für Taufkirchen, die Sie auf dem Herzen haben?"
Die Strategie geht auf. Auch wenn die einen gerade das Kind ins Bett bringen, andere Nudeln auf dem Herd haben oder sich grundsätzlich nicht für Politik interessieren: Ein Großteil der Menschen, die David Grothe die Tür öffnen, sind freundlich und positiv überrascht. "Die persönliche Vorstellung macht schon was her." David Grothe muss sich von der "Oh no, not you again!"-Fußmatte wohl doch nicht angesprochen fühlen.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit den Protagonisten