Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wahlkampf in München Süd Küng: "Die Leute haben wirklich Abstiegsangst"

Bei der vergangenen Bundestagswahl gewannen erstmals die Grünen den Münchner Süden für sich. CSU-Kandidatin Claudia Küng möchte das wieder ändern. Das hat sie vor.
Nur noch wenige Tage sind es bis zur Bundestagswahl: Am Sonntag, dem 23. Februar, wählt Deutschland ein neues Parlament. In jedem Wahlkreis können Wähler zwischen den Direktkandidaten der verschiedenen Parteien wählen.
Im Münchner Süden gewann bei der vergangenen Bundestagswahl mit Jamila Schäfer erstmals eine Grüne in dem bis dahin CSU-dominierten Wahlkreis. Die CSU-Kandidatin Claudia Küng möchte diesen wieder zurückgewinnen. t-online hat mit ihr gesprochen. Wie sie ihre Chancen einschätzt, welche Rolle die AfD spielt und was ihrer Meinung nach die größte Krankheit in Deutschland ist.
t-online: Frau Küng, schaffen Sie es, Ihren Wahlkreis zurückzuholen?
Claudia Küng: Wir haben schon bei den letzten Landtagswahlen gesehen, dass die CSU gut zugelegt hat. Das merke ich aber auch an den Infoständen und beim Haustürwahlkampf. Die Leute sind sehr positiv uns gegenüber gestimmt, wir haben viel Zuspruch.
Kommt der nur von Münchnern, die ohnehin CSU wählen würden?
Nein, nicht nur. Letztens erst habe ich mit einem Mann gesprochen, der sagte, er habe immer SPD gewählt, aber diesmal die Union. Es gibt viel Wechselstimmung zu unseren Gunsten.

Zur Person
Claudia Küng ist Volkswirtin und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Health Care Bayern e. V. Sie lebt seit mehr als 30 Jahren in München und hat sich auf das Gesundheits- und Pflegewesen spezialisiert. Seit 1991 ist sie Mitglied in der CSU. Dort war sie unter anderem im Ortsvorstand der CSU Forstenried/Fürstenried und im Kreisvorstand der CSU München Süd sowie im Bezirksausschuss aktiv.
Welche Themen sind in Ihren Augen bestimmend für diese Wahl?
Es ist gar nicht so spezifisch, sondern eher ein allgemeines Gefühl. Die Leute machen sich einfach Sorgen um Deutschland. Damit gehen auch wirtschaftliche Bedenken einher. Die Menschen haben wirklich Abstiegsangst, etwa, dass ihre Rente in Zukunft nicht reicht. Und sie machen sich natürlich auch große Sorgen um das Thema Sicherheit.
Vergangene Woche ist ein Mann aus Afghanistan in München in eine Menschenmenge gerast und hat zwei Menschen getötet. Was macht das mit Menschen so kurz vor der Wahl?
Das macht die Leute extrem betroffen und auch ein Stück weit hilflos, weil es sich ja um eine Person handelt, die ja schon zumindest in großen Teilen integriert war. Wir reden ja nicht von jemandem, der arbeitslos war, sondern der hier in Solln gelebt hat und von Nachbarn als zugänglich beschrieben wurde. Man sieht, wie die Behörden nicht wirklich reagiert haben und ein Mensch, der eigentlich ausreisepflichtig war, immer noch in unserem Land bleiben konnte. Gleichzeitig komme ich aus dem Gesundheitsbereich und weiß, dass wir Personal aus anderen Ländern brauchen.
Befürchten Sie jetzt noch mal mehr Stimmen für die AfD?
Das kann ich nicht wirklich sagen, denn die Leute sagen nicht, dass sie AfD wählen. Wenn wir mit ihnen darüber reden, sagen sie, sie wählen nicht mehr die Altparteien. Das ist so ein bisschen das Codewort. Aber ich hoffe es einfach nicht.
Haben Sie Verständnis für Menschen, die sich von den Parteien der Mitte abwenden und die Ränder wählen?
Also wenn man Frau Weidel hört, die Volkswirtin ist und aus dem Euro sowie der EU austreten will und auch sonst merkwürdige wirtschaftswissenschaftliche Vorstellungen hat, denke ich mir: Wenn man ein bisschen an diesem Lack kratzt, kommt sehr viel Laienwissen zu Tage. Damit werden wir Deutschland nicht nach vorne bringen. Was wir jetzt brauchen, sind Leute, die wirklich Ahnung haben. Kompetente Wirtschaftsminister, die entweder selbst eine Firma geführt haben oder Wirtschaftswissenschaftler sind. Am besten beides. Und deshalb stellen wir uns auf die Straße und signalisieren, dass wir mit unserem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz jemanden haben, der was von Wirtschaft versteht.
So funktioniert die Wahl
Jeder Wähler hat zwei Stimmen: Die Erststimme bekommt der Direktkandidat einer bestimmten Partei im Wahlkreis. Die Zweitstimme hingegen geht an die Partei selbst. Diese hat im Voraus eine Liste mit sogenannten Listenkandidaten erstellt. Je mehr Zweitstimmen eine Partei bekommt, desto mehr Kandidaten dieser Liste kann sie in den Bundestag schicken.
Während die Verteilung über die Liste oft eher im Hintergrund abläuft, nutzen die Parteien ihre Direktkandidaten, um sich im entsprechenden Wahlkreis zu präsentieren und Wahlkampf zu machen.
Friedrich Merz hat vor wenigen Wochen Diskussionen ausgelöst, weil er ein Punktepapier zur Begrenzung der Migration mit Stimmen der AfD durch den Bundestag gebracht hat. Es war der erste Antrag dieser Art. Ein taktischer Schritt kurz vor der Wahl?
Dabei ging es um ein Gesetz, das schon im November eingebracht worden ist. Dazu gab es viele Verhandlungsstunden mit der SPD. Deren Ministerpräsidenten hatten dem Antrag inhaltlich zugestimmt und sich dann doch zurückgezogen. Das ist ein Vertrauensverlust. Wahltaktik sehe ich daher eher auf Seiten der SPD.
In Ihren Augen wollte Merz damit also nicht versuchen, kurz vor der Wahl noch Wähler aus dem rechten Spektrum abzugreifen?
Es war wie gesagt ein Gesetz, das schon im November eingebracht worden ist und nun eben auf der Tagesordnung stand. Er hätte es zurücknehmen oder durchziehen müssen und er hat es durchgezogen. Und dazu steht er halt. Diese Klarheit ist das, was die Menschen von ihm erwarten.
Aber kann die Union für Wähler eine Alternative zur AfD sein?
Wir brauchen keine Alternative zur AfD zu sein, wir müssen den Leuten ein gutes Angebot machen. Wir haben ein sehr klar strukturiertes Programm, weil wir überzeugt sind, dass die Menschen dieses Land lieben und anpacken wollen. Dazu müssen wir Bürokratie abbauen. Deutschland braucht nicht 40 Datenschutzbeauftragte, es reicht einer.
Prognose zu München Süd
Das Portal "zweitstimme.org" entwickelt nach eigenen Angaben seit 2017 wissenschaftliche Wahlprognosen für Deutschland. Für den Wahlkreis München Süd sagt das sechsköpfige Team aus Politikwissenschaftlern aktuell (Stand: 19. Februar 2025, 11 Uhr) einen Vorsprung für die CSU-Kandidatin Claudia Küng voraus. Laut dem Portal könnte sie zwischen 25 und 39 Prozent der Stimmen erhalten. Konkurrentin Jamila Schäfer von den Grünen hingegen liegt zwischen 22 und 34 Prozent.
Sie haben nun ein paar Wochen Wahlkampf hinter sich. Gibt es einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, wir waren am Samstag auf einer Bartour und das war für mich eine neue Erfahrung, nachts in Bars zu gehen und die Leute anzusprechen. Dabei kam eine Dame auf mich zu, die meinte, sie kenne mich von den Plakaten, und dann hat sie mich umarmt. Das war schon sehr berührend. Und solche Gesten sind in diesen harten Zeiten, auch körperlich harten Zeiten, unglaublich viel wert.
Angenommen, Sie ziehen in den nächsten Bundestag ein. Was wäre Ihre erste konkrete Initiative, die Sie angehen würden?
Eine im Gesundheitssektor. Wir müssen die Notfallversorgung für Patienten klarer strukturieren. Wer ist im Gefahrenfall verantwortlich? Auch die Pflege ist ein Thema, denn es wird nie genug Pflegekräfte in Deutschland geben. Deshalb müssen sich Menschen gegenseitig unterstützen. Ich möchte, dass auch pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können. Denn Einsamkeit ist die größte Krankheit in Deutschland.
Vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Claudia Küng
- zweitstimme.org: Prognose zu Wahlergebnissen bei der Erststimme in München Süd
- claudia-kueng.de: Über Claudia Küng