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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ausflugstipp beim Starnberger See Stoa 169: Kunst für alle in freier Natur

Gemeinde Polling in der Nähe vom Starnberger See: Auf einem Feld stehen 121 außergewöhnlich gestaltete Betonsäulen. Ein Welt-Kunstprojekt.
Mitten in der Natur, zwischen Wiesen, Wäldern und dem Fluss Ammer, stehen am Rande der Gemeinde Polling bei München viele farbige Säulen mitten in der Landschaft. Jede Säule wurde von einer Künstlerin oder einem Künstler von irgendwo auf der Welt gestaltet. Alle Säulen tragen ein gemeinsames Dach. Heute ist die Stoa 169, so heißt das Kunstprojekt, ein beliebtes Ziel, das viele Besucher anzieht. Am Anfang aber gab es in der Gemeinde Bedenken.
Besucher sollen die Natur rund um die Stoa 169 genießen
Die Idee des Initiators Bernd Zimmer hinter dem Projekt: "So viele Künstler aus so vielen Ländern wie möglich hier zusammenbringen. Jeder Künstler sollte eine Säule gestalten. Die Säulen tragen ein gemeinsames Dach." Teil seiner Idee war es auch, dass die Besucher zugleich die Natur genießen können. "Sie sollen sich mit der Schönheit der oberbayerischen Landschaft beschäftigen und großartige Kunst erleben."
Das Konzept hatte Bernd Zimmer bereits seit 1990 im Kopf. Bis zur finalen Umsetzung sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. In seiner anfänglichen Version hätten es 13 mal 13 – also 169 – Säulen sein sollen. Am Ende waren es 11 mal 11, also 121. Gemeinsam mit einer Jury, die unter anderem mit der Kuratorin der Pinakothek der Moderne besetzt war, luden sie Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt ein und ließen sich deren Säulen-Kunst-Entwürfe präsentieren.
Als er der Gemeinde Polling sein Konzept vorlegte, schien diese ebenfalls von der Idee begeistert zu sein – und erteilte Zimmer die Baugenehmigung. Die ersten Artikel erschienen in der Zeitung, und plötzlich bekam das Projekt viel Aufmerksamkeit – und Gegenwind. Die Landwirte waren nicht einverstanden damit, dass mitten auf den Feldern ein Kunstprojekt entsteht. Nach langem Hin und Her sowie einem Bürgerabend, an dem Bernd Zimmer noch einmal sein Vorhaben erklärte, bekam er schließlich die Zusage.
121 Säulen aus der ganzen Welt in der Stoa 169
Wenn Bernd Zimmer in der Stoa 169 von Säule zu Säule geht, saugt er deren Geschichten förmlich auf. Hier streicht er mal über die glatte Oberfläche, da schwelgt er in der Erinnerung an den turbulenten Aufbau. "Diese Säule ist mit echtem Blattgold belegt", sagt er. Dass es letztendlich "nur" 121 statt geplanten 169 Säulen geworden sind, stört Zimmer nicht: "Das sind auf jeden Fall genug." An dem Namen für sein Kunstprojekt hat er trotzdem festgehalten – weil es das ursprüngliche Konzept war.
Die 121 Säulen, die heute in Polling stehen, stammen von Künstlern aller sieben Kontinente. Eine der Säulen beispielsweise wirkt wie aus Holzklötzen gestapelt. Sie repräsentiert ein Grabmal, wie es sie auf den Tiwi-Inseln gibt. Die sogenannten "Pukumani-Pfähle" werden dort traditionell für die Zeremonie nach dem Tod eines Menschen gemacht. Laut Bernd Zimmer darf man für diese Gräber nur vier Farben verwenden, Ocker, Rot, Weiß und Schwarz.
Etwas weiter hinten sticht eine Säule besonders ins Auge: Aus einer Vielfalt an Farben ragen drei Giraffenköpfe heraus. "Die ist besonders bei Kindern sehr beliebt", sagt Zimmer. Dabei ist sie viel mehr als nur bunt und schön anzusehen. Hinter ihr steckt ein besonderes Projekt.
Wer genauer hinschaut, der erkennt, dass die Säule nicht etwa aus buntgemischten Farbklecksen besteht, sondern aus Plastikabfällen. Das Künstlerunternehmen aus Nairobi, das die Säule gestaltet hat, nennt sich Ocean Sole. Sandalen und Flip-Flops aus dem Meer vor Kenia verarbeitet es zu bunten Tierskulpturen. Die Künstler wollen damit deutlich machen, wie klein die Erde geworden ist und dass die Folgen unseres Lebensstils uns wieder einholen.
Wenn man Bernd Zimmer so durch sein Säulenreich begleitet und das Funkeln in seinen Augen sieht, fragt man sich, ob der Initiator des Projekts nicht auch eine eigene Säule hat. Und tatsächlich, es gibt sie – die Bernd-Zimmer-Säule.
Seine Säule repräsentiert genau das, wonach sie auf den ersten Blick auch aussieht: das Weltall. "Ich habe mit meiner Säule den Kosmos in die Halle hereingeholt und erinnere damit daran, dass wir alle gemeinsam auf der Erde wie in einem Raumschiff leben", erklärt er seinen Gedanken dahinter. "Wir verdanken dem Weltall die Natur. Die Glocke ist Teil meiner Säule, sie soll gute Geister in die Stoa 169 holen."

Was ist die Stoa 169?
Bernd Zimmer, der Initiator des Projekts, beschreibt das Kunstwerk in Polling so: "Das Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen von Kunst – gedacht und erfahrbar in der Form einer Säule oder Stele – zeugt in der Stoa 169 vom Denken der Künstlerinnen und Künstler sowie der bildenden Kunst in unserer Welt. Es entsteht eine Insel des freien Diskurses." Zu der Idee inspiriert wurde Zimmer bereits 1990 auf seiner Reise durch Südindien, wo die Säulenvorhallen der hinduistischen Tempel individuelle Ausformungen haben. Der Begriff Stoa stammt aus dem Griechischen und bedeutet Säulenhalle.
Die Besucher vor Ort kommen von überall her – und sie sind begeistert von dem Kunstprojekt. Ein älteres Ehepaar aus München ist nicht zum ersten Mal hier: "Die Idee ist etwas ganz Besonderes", sagt die ältere Dame. "Wir waren schon öfter hier und jetzt sogar mit Enkel. Wir bringen die ganze Familie mit", sagt sie mit einem Lachen. Sie sei immer wieder aufs Neue von den Säulen fasziniert.
Sogar ein Ehepaar aus Augsburg ist extra nach Polling gekommen. "Die Stoa stand schon lange auf unserer Liste." Die beiden sind sehr beeindruckt von dem Kunstwerk. Aber auch ein wenig überfordert: "Eigentlich müsste man sich vier Säulen heraussuchen und sich nur mit denen beschäftigen. Es sind einfach so viele."
- Reporterin vor Ort
- Interview mit Bernd Zimmer