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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ohne Trinkgeld bist du am Arsch" Auf eine Zigarette mit einem Wiesnkellner
Kaum jemand prägt das Bild des Oktoberfests so sehr wie ein Kellner. Viele, viele Kilometer laufen die Bedienungen durch die Festzelte. Nur bei einer Rauchpause haben sie Zeit zum Erzählen.
Stefan Feichtner hat ein breites Grinsen im Gesicht, als er draußen vor dem Festzelt Glöckle Wirt steht und sich ein wenig ausruht. Denn gleich, nach einer Zigarette, geht es wieder los. Dann muss er wieder ins Getümmel, Dutzende Maßkrüge schleppen, große Tabletts mit Essen tragen und nebenbei noch abkassieren.
Doch ihm macht das Spaß: "Ich liebe Gastronomie. Und auf der Wiesn macht das noch mehr Spaß, hier kannst du flapsiger sein und robuster mit den Leuten umgehen." Anstrengend sei die Arbeit trotzdem. Unmittelbar vor der Wiesn sei er krank gewesen; am ersten Tag des Oktoberfests hatte er keine Stimme. Wie schafft er trotzdem seine Arbeit? "Man muss alles drumherum ausblenden und sich auf das Laufen konzentrieren", sagt er. Dann geht er wieder hinein, muss weitermachen.
Bis zu 30 Kilometer pro Tag
Die Arbeit hinterlässt schnell Spuren, etliche von Feichtners Kollegen in anderen Festzelten klagen über Schmerzen im Rücken, in den Armen, Beinen und Füßen. Das hängt auch mit dem Gewicht der Maßkrüge zusammen. Bis zu 14 Stück können die Kellner auf einmal tragen, gefüllt wiegen so viele Gläser insgesamt 32,2 Kilogramm.
Dazu legen die Bedienungen weite Strecken zurück, deren Längen aber je nach Schicht, Zelt und Arbeitsplatz variieren. Einer sagt, er laufe pro Tag 18 Kilometer, ein anderer kommt auf bis zu 24. Ein Dritter meint, an manchen Tagen schaffe er sogar über 30 Kilometer.
1.000 Euro allein für Tracht und Gürteltaschen
Die Arbeit der Kellner ist nicht nur physisch hart, auch bei der Bezahlung kalkulieren sie hart. Wie viel Umsatz und Verdienst sie machen, wollen viele von ihnen nicht sagen und dürfen es auch nicht, weil ihre Verträge mit den Wiesnwirten es ihnen verbieten.
Wirte verdienen nicht nur an den Gästen, sondern auch an den Kellnern
Eine bedienung auf der Wiesn
Einer äußert sich anonym: "Mein Verdienst für eine Wiesn liegt bei ungefähr 5.000 Euro." Davon gehen aber die Kosten für Anreise und Unterkunft ab. Neukellner müssen zudem noch etwa 1.000 Euro extra aufwenden, 500 für die Tracht und noch einmal 500 für die Gürteltaschen mit den Geldbeuteln. Taschen und Trachten kaufen die Kellner häufig vor dem Oktoberfest bei den Wiesnwirten. Eine Bedienung sagt dazu: "Die Wirte verdienen nicht nur an den Gästen, sondern auch an den Kellnern."
Kellner gehen in Vorkasse
Darüber hinaus sind die Kellner nicht bei den Wirten angestellt und erhalten kein Gehalt, sondern arbeiten selbstständig. Dazu gehen sie in Vorkasse: Sie kaufen an den Theken und in den Küchen der Festzelte die Getränke und Speisen und verkaufen sie an den Tischen für einen ungefähr 10 Prozent höheren Preis – dem Preis, der auch in den Speisekarten steht.
Das sei nur ein kleiner Gewinn, sagt einer der Kellner. "Ohne Trinkgeld bist du am Arsch." Damit sich dieses System für ihn rechnet, müsse er mit mehreren Tausend Euro in Vorkasse gehen, um viele Speisen und Getränke kaufen zu können. Dennoch: Viele der befragten Kellner sagen, dass ihnen die Arbeit Spaß mache und sich auch finanziell lohne.
- Reporter vor Ort