Rolle rückwärts bei der Kernkraft Als Söder für den Atomausstieg zurücktreten wollte
"Söder wechselt Positionen wie Unterhosen", wirft FDP-Vize Johannes Vogel dem bayrischen Ministerpräsidenten angesichts der Atomdebatte vor. Stimmt das?
Um 23.52 Uhr am vergangenen Samstag war es so weit: Mit dem Atomkraftwerk Isar 2 ging die Atomkraft in Bayern zu Ende. Viele sind erleichtert, vorbei ist das Zeitalter der umstrittenen Hochrisiko-Technologie. Doch nicht Markus Söder (CSU): Er will auf eigene Faust die Kernenergie voran- und das Kraftwerk Isar 2 weiterbetreiben. Dabei widerspricht er sich selbst grundlegend.
Denn der CSU-Politiker und bayrische Ministerpräsident drohte vor ein paar Jahren noch zurückzutreten, sollte der Atomausstieg 2022 nicht kommen. Er war einer derjenigen, der 2011 innerhalb der schwarz-gelben Regierung den Ausstieg vorantrieb. Heute klingt das anders: Er will angesichts der Energiekrise eine Verlängerung der Atomkraft bis zum "Ende des Jahrzehnts".
Kein Atom-Aus 2022: Söder deutete Rücktritt an
Die Union ist also für Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft verantwortlich. Dabei kam es 2011 im bayrischen Kabinett zu turbulenten Szenen: Dort versuchte man, sich auf einen Zeitpunkt für den Atomausstieg zu einigen. Damals regierte die CSU in Bayern gemeinsam mit der FDP: Die CSU wollte 2022 raus aus der Atomkraft, die FDP blieb vage, sprach frühestens von der "Mitte des nächsten Jahrzehnts".
- FDP-Vize bei "Anne Will": "Söder wechselt Positionen wie Unterhosen"
In einer Sitzung ging Söder offenbar sogar so weit, seinen Rücktritt anzudeuten, sollte bis 2022 kein Ende der Atomkraft in Bayern kommen. Dann gebe es "tiefgreifende Konsequenzen" auch für "ihn ganz persönlich", zitierte damals die "Süddeutsche Zeitung". Das Kraftwerk Isar 2, welches er jetzt in bayrischer Eigenregie weiterbetreiben will, sollte seinem damaligen Energiekonzept zufolge bereits 2020 abgeschaltet werden.
Erste Kehrtwende nach Fukushima
Seine Überzeugung gegen die Atomkraft kam damals nicht von ungefähr: "Die Katastrophe in Japan hat alles verändert – auch mich", schrieb Söder am zweiten Jahrestag der Nuklearkatastrophe in Fukushima. Knapp ein Jahr zuvor hatte er noch für die Atomkraft als "Brückentechnologie" plädiert, mit der sich CO2 einsparen ließe. Nach Fukushima sprach er gar von einem "Wettbewerb" unter den Bundesländern: Wer schafft es zuerst "ins Zeitalter der erneuerbaren Energien"?
Mit dieser Kehrtwende war der heutige bayrische Ministerpräsident damals nicht allein: Noch im Oktober 2010 hatte die schwarz-gelbe Koalition die Verlängerung der Atomkraftwerke beschlossen. Nach der Reaktorkatastrophe in Japan bekräftigte die Regierung unter Angela Merkel den Atomausstieg: Am 30. Juni 2011 beschloss sie, aus der Atomenergie auszusteigen. Neben Isar 1 gingen der Reihe nach noch zehn weitere Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz.
Nun ist der wahlkämpfende Söder offenbar wieder bei seiner Haltung von vor Fukushima angekommen: Er will Isar 2 zurück und fordert in der "Bild am Sonntag", das Atomgesetz noch einmal zu ändern. Solange die Energiekrise nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen sei, müsse bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie genutzt werden.
Die Bundesländer sollten dann die Zuständigkeit bekommen, damit Bayern den abgeschalteten Meiler in eigener Regie betreiben könne, bis die alternativen Kraftstoffe in der Lage seien, zu übernehmen. Dies gilt allerdings als politisch ausgeschlossen: Die Zuständigkeit liegt dem Grundgesetz zufolge beim Bund – was Söder wissen dürfte.
- sueddeutsche.de: "Kernschmelze im Kabinett"
- sueddeutsche.de: "'Ich bin kein Atomfetischist'"
- welt.de: "Söder will Wettrennen um Ausstieg aus Atomkraft"
- base.bund.de
- twitter.com/Markus_Soeder
- Eigene Recherche