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München

Schockanrufe in München: 2022 wurden rund fünf Millionen Euro erbeutet


Bandenkriminalität in München
Schockanrufe - "Druck, dem man kaum standhalten kann"

Von Jonas Voss

20.01.2023Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
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Eine Seniorin sitzt und telefoniert (Symbolbild): Kriminelle versuchen mit Schockanrufen, vor allem ältere Menschen um ihr Vermögen zu bringen. In München waren die Täter 2022 sehr erfolgreich. (Quelle: IMAGO/Fleig / Eibner-Pressefoto)

Kriminelle haben sich auf Schockanrufe spezialisiert: So erbeuteten sie alleine 2022 fünf Millionen Euro von Opfern in München. Es hilft nur eines, sagt ein Experte.

Es war ein einziges Jammern und Heulen, das die alte Dame hörte, als sie das Telefon abhob. "Oma", schluchzte eine weibliche Person am anderen Ende der Leitung, "Oma, ich habe einen schrecklichen Unfall verursacht und jetzt", wieder ein Schluchzen, "jetzt ist jemand tot. Und ich muss ins Gefängnis. Wenn du aber 50.000 Euro hast, kann ich auf Kaution freikommen."

Die Frau zögerte nicht, schließlich ging es vermeintlich um ihre Enkelin. Sie fuhr zur Bank, um das Geld abzuheben. Hier jedoch nahm die Geschichte eine Wendung: Ein aufmerksamer Bankangestellter wurde hellhörig, als die alte Dame völlig aufgelöst um diese hohe Summe bat. Er informierte die Polizei, die die Frau vor einem verhängnisvollen Fehler bewahren konnte. Die sogenannten Schockanrufer gingen diesmal leer aus.

Solche Geschichten kennt Hans-Peter Chloupek einige. Er leitet die Arbeitsgemeinschaft (AG) Phänomene, die sich mit betrügerischen Telefonanrufen beschäftigt. Noch mehr Geschichten kennt er aber, in denen die kriminellen Banden hinter den Schockanrufen erfolgreich sind. Und alte Menschen um die Ersparnisse eines Lebens bringen. "Wir arbeiten mit Banken und auch Taxiunternehmen eng zusammen, sodass die Mitarbeiter bei auffälligem Verhalten sofort die Polizei einschalten können."

In München haben Schockanrufer 2022 Millionen erbeutet

Jeder könne Opfer werden; wer einmal in diese Situation am Hörer gerate, komm kaum wieder heraus. Dann sei man wie im Tunnel, so erzählen es die Opfer oft später.

In München haben Schockanrufer 2022 reiche Beute gemacht: Rund fünf Millionen Euro konnten sie erbeuten. Eine enorme Steigerung, laut Chloupek waren es 2021 rund 250.000 Euro. Und auch die Fälle stiegen dramatisch: von etwa zehn 2021 auf rund 80 im vergangenen Jahr. "Die Fallzahlen gehen dramatisch nach oben", sagt Chloupek.

Die Täter gingen dabei "völlig ohne Unrechtsbewusstsein" vor, selbst wenn sie "Existenzen zerstören, bis hin zum Selbstmord". Chloupek und Kollegen stehen mit den Opfern und ihren Angehörigen manchmal noch lange nach der Tat in Kontakt. Immer wieder, erklärt der Schockanruf-Experte, werde ihm von Angehörigen vom raschen körperlichen und geistigen Verfall der Betroffenen berichtet.

Oft gelingt es nicht, Scham und Verzweiflung, ausgerechnet auf diese Tat hereingefallen zu sein, zu überwinden.

Experte empfiehlt, bei Schockanrufen sofort aufzulegen und durchzuatmen

Dabei, und Chloupek betont das im Gespräch mit t-online oft und nachdrücklich, hätten die Opfer niemals Schuld. Schockanrufe würden Menschen in eine "psychische Ausnahmesituation" bringen, von jetzt auf gleich entstehe "extremer Druck, dem man kaum standhalten kann". Dagegen helfe nur eines, erklärt Chloupek: Sofort auflegen, tief durchatmen und selber bei den vermeintlich in Probleme verstrickten Angehörigen nachfragen.

Bei Schockanrufen werden vor allem ältere Menschen am Telefon überrumpelt mit Geschichten von Angehörigen, die tödliche Unfälle verursacht hätten und nun einen großen Geldbetrag hinterlegen sollten, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Das Geld übergeben sie meist einem Abholer. Wenn die Polizei einen Fahndungserfolg erzielen kann, beginnt der in der Regel beim Abholer. Chloupek sagt, "die Abholer haben natürlich das größte Risiko, erwischt zu werden. Dennoch finden sich genug für diese Aufgabe."

An die Drahtzieher heranzukommen ist schwieriger, aber die AG Phänomene ist ihnen immerhin auf der Spur. "Die Haupttäter gehören zu einem deutsch-polnischen Familienclan, der früher auf den Enkeltrick spezialisiert war", erklärt Chloupek. Weil der zuletzt nicht mehr so gut funktionierte, hat der Clan eine neue Methode gefunden und verfeinert: Eben jene dramatischen Schockanrufe die mit den Ängsten der Opfer spielen. Und auf dieser emotionalen Schiene läuft das Betrugsgeschäft offensichtlich besser als je zuvor.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Hans-Peter Chloupek
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