Explodierende Inzidenz Streeck vermutet Maßkrüge als Grund für Wiesn-Welle
Wer dachte, dass sich Virologen nicht auf die Wiesn trauen, hat sich geirrt: Corona-Experte Hendrik Streeck war dort – und bringt einige Erkenntnisse mit.
Beim Feiern auf dem Oktoberfest birgt nicht nur der enge Kontakt zu den Menschen eine Infektionsgefahr. Hendrik Streeck, Direktor des Institutes für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, sieht im Gespräch mit "Merkur" noch ein Risiko: es steckt in der Maß.
Streeck hatte die Wiesn-Eröffnung am 17. September besucht. Seitdem hat sich viel getan: Knapp zwei Wochen nach Beginn der Wiesn schnellt derzeit die Corona-Inzidenz in München immer weiter in die Höhe. Sie liegt an diesem Freitag bei 792,8, am Vortag wurde sie noch mit knapp unter 700 angegeben.
- Kliniken fürchten Corona-Ausfälle: München feiert sich durch die Wiesn-Welle
Am Vorabend des Oktoberfestbeginns lag die Inzidenz noch bei 199,4 – der Wert hat sich inzwischen also beinahe vervierfacht. Eine Entwicklung, vor der viele im Vorhinein gewarnt hatten. Die nun stark gestiegenen Zahlen in München überraschen Streeck wenig: "Die Menschen feiern eng gedrängt im Bierzelt. Mit Alkohol schwindet der Abstand immer weiter."
Und dabei bringt der Virologe noch einen wenig beachteten Aspekt auf: das Spülwasser, das in den Wiesn-Zelten genutzt wird.
Maßkrüge werden größtenteils kalt gespült
"Viele Gläser sind bestimmt nicht perfekt gewaschen", gibt der Corona-Experte zu bedenken. Damit könnte auch das Abwaschwasser ein Übertragungsrisiko bergen. Die Maßkrüge auf der Wiesn werden vorwiegend mit kaltem Wasser gespült: Das hatte in der Vergangenheit bereits zu Kritik bei den Wirten geführt, wie "Focus" berichtet.
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Die Wirte müssen in ihren Gaststätten aufgrund einer DIN-Norm mit heißem Wasser spülen. Auf der Wiesn gilt das nicht: Dort reicht eine kalte Spülung in Verbindung mit Chlor-Desinfektionsmittel. Das bietet jedoch laut einer Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung von 2008 keinen ausreichenden Schutz vor der Übertragung von Keimen.
Streeck zu Wiesnbesuch: "Rücksicht nehmen gehört da einfach dazu"
Trotzdem hat sich Streeck für einen Besuch im Festzelt entschieden. Warum? "Ich war kurz im Zelt. Das hatte ich mir vorher überlegt, da hier natürlich ein höheres Risiko einer Infektion besteht".
"Ich halte dies aber für vertretbar und auch eigenverantwortlich", so der Virologe zu "Merkur". Er gehöre keiner Risikogruppe an, habe sich davor und danach getestet und häufiger Maske getragen: "Rücksicht nehmen gehört da einfach dazu", appelliert er.
Ähnlich klingt der Corona-Experte in Bezug auf die Schnelltest-Pflicht, die sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor der Wiesn gewünscht hatte: "Die Antigentests schlagen häufig verspätet an. Zur Anfangsphase der Infektion sind sie meist negativ, obwohl man sich bereits krank fühlt".
Das Gebot sei deshalb, neben einem vollständigen Impfschutz: "Bleibt zu Hause, wenn ihr euch krank fühlt. Das kann einen größeren Effekt haben, als massenweise zu testen".
- merkur.de: "Virologe Streeck spricht nach Wiesn-Besuch und äußert Verdacht zu Viren-Übertragung über Masskrüge"
- focus.de: "Maßkrüge auf der Wiesn werden wegen Spül-Fehler zu Dreckschleudern"
- stadt.muenchen.de: Corona-Infoportal der Stadt München
- Eigene Recherche