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München

Zugunglück bei Garmisch: Bayerns Zugfahrer sind Scheuers größte Opfer


Immer wieder Zugunglücke
Bayerns Bahnfahrer sind Andreas Scheuers größte Opfer

MeinungVon Christof Paulus

08.06.2022Lesedauer: 3 Min.
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Einsatz- und Rettungskräfte nach dem schweren Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen (Archivbild): Fünf Menschen sind in dem entgleisten Zug gestorben, noch immer laufen Arbeiten an der Unglücksstelle.Vergrößern des Bildes
Zahlreiche Einsatz- und Rettungskräfte nach dem schweren Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen (Archivbild): Fünf Menschen sind in dem entgleisten Zug gestorben. (Quelle: Josef Hornsteiner/dpa)

Immer wieder hat man der CSU vorgeworfen, über ihr Verkehrsministerium Geld aus Berlin nach Bayern zu schaffen. Bereits das zweite Zugunglück in diesem Jahr zeigt: Auch wenn der Vorwurf stimmt – geschadet haben Andreas Scheuer und seine Vorgänger Bayern trotzdem.

Er kenne wenige, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am vergangenen CSU-Parteitag, die so viel Geld nach Bayern holen wie Andreas Scheuer. Als Verkehrsminister war der, wie zwei bayerische Parteikollegen zuvor, für Züge und Schienen in Deutschland verantwortlich. Und nun, wenige Monate nach Ende seiner Amtszeit, sterben dieses Jahr schon zum zweiten Mal Menschen in Bayern bei einem Zugunglück. Scheuer war für ganz Deutschland eine Zumutung. Bayern trifft seine Politik noch schlimmer.

Die vergangenen vier tödlichen Zugunglücke im Personenverkehr in Deutschland, sie ereigneten sich alle in Bayern. 2016 stießen zwei Bahnen bei Bad Aibling frontal zusammen, zwölf Menschen starben. 2018 fuhr in Aichach ein Zug auf einen stehenden Güterwagen auf, zwei Menschen starben. Erst im Februar verlor ein Mann sein Leben, als zwei S-Bahnen in Schäftlarn kollidierten. Und nun, am vergangenen Freitag, entgleiste bei Garmisch-Partenkirchen ein Zug, fünf Menschen starben.

Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen gibt Rätsel auf

Stimmen, die den katastrophalen Zustand des Bahnverkehrs in Deutschland beklagen, gab es schon immer. Jetzt, nach dem nächsten tödlichen Unfall, werden sie lauter. Wie schnell es zu Störungen und Verspätungen bei der Bahn kommt, das weiß jeder Fahrgast. Doch wer Züge vernachlässigt, riskiert die Sicherheit der Menschen darin.

Freilich, die Ursache des Unfalls bei Garmisch-Partenkirchen ist noch ungeklärt, fast rätselhaft. Auf menschliches Versagen der Fahrdienstleiter oder Zugführer liefen die Ermittlungen in Bad Aibling, Aichach und Schäftlarn hinaus. Auch in Garmisch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei Bahnmitarbeiter wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.

Menschen und Maschinen machen Fehler, haben Störungen. Die Häufung zeigt: Sicherheitsvorkehrungen, die tragische Konsequenzen verhindern sollen, funktionieren aber nicht so, wie sie sollten.

Warum so viele tödliche Zugunglücke in Bayern?

Warum das ausgerechnet in Bayern so häufig der Fall ist, lässt sich bisher kaum sagen. Rund die Hälfte der Bahnstrecken in Bayern ist eingleisig, ihr Anteil am Gesamtnetz etwas höher als im Bundesvergleich. Auf einer zweigleisigen Bahnstrecke wären die Frontalzusammenstöße von Bad Aibling oder Schäftlarn wahrscheinlich nicht passiert – doch auch zweigleisige Strecken bergen Risiken.

Das Unglück in Aichach hätte verhindert werden können, wenn die Streckensteuerung auf dem neuesten Stand der Technik gewesen wäre. Auf der Unglücksstrecke von Garmisch hat die Bahn demnächst Sanierungsarbeiten geplant – ob davon auch die Stelle betroffen ist, an der am Freitag der Zug entgleiste, ist unklar. Und sicher: Ähnliche Probleme gibt es in anderen Teilen Deutschlands auch. Doch unterm Strich bleibt: Nirgendwo passiert so viel wie in Bayern.

Das Problem zu erkennen und zu lösen, das wäre eigentlich Aufgabe eines Spitzenpolitikers. Natürlich ist auch unter anderem Scheuers Nachfolger Volker Wissing (FDP) nun in der Pflicht. Aber Fakt ist: Es sterben Menschen, ausgerechnet in bayerischen Zügen, nachdem die CSU zwölf Jahre lang den Verkehrsminister stellte. Und die Partei brüstet sich noch damit, über das Ministerium Geld in den Freistaat zu schaffen. Das ist erbärmlich.

Andreas Scheuer war Deutschlands unbeliebtester Minister

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Als Bundesminister Mittel so zu verteilen, dass sie der eigenen Region nutzen, ist schon an sich ein Skandal. Warum Politprofi Söder so freimütig andeutete, Scheuer veruntreue Steuergeld, ist irritierend. Dass der große Aufschrei damals ausblieb, genauso. Vielleicht, weil Scheuers Fehler die Deutschen eh nicht mehr schockieren konnten: Heute laufen Ermittlungen gegen ihn, fast 90 Prozent haben ihn als Minister abgelehnt. Aber dass selbst Bayern unter seinen Fehlern leidet, zeigt eine neue Dimension auf.

Sie kommt daher, dass die CSU-Verkehrspolitik, vor allem unter Scheuer, neben "Bayern zuerst" noch ein zweites Credo offenbarte: Straße vor Schiene. Wie der "Spiegel" berichtet, fließt seit Jahren im Verkehrsbereich nirgendwohin mehr Geld als in den bayerischen Straßenbau. Diese Bevorteilung des Freistaats gilt im Schienennetz zwar genauso – doch waren die Ausgaben dort nur halb so hoch wie für den Straßenverkehr. Und dabei ist der Nachholbedarf für die Eisenbahn in Bayern offenbar viel höher als anderswo.

Daran, dass sich die Zugunglücke nur zufällig in Bayern häufen, kann man inzwischen nicht mehr glauben. In der verfehlten Verkehrspolitik der CSU unter Scheuer und seinen Vorgängern ist nicht einmal das gelungen, was als Ziel ohnehin schon unredlich war: Den Freistaat zu bevorteilen. Die erschütternde Bilanz: Eine Klientelpolitik, die sogar dort Schaden anrichtet, wo sie mehr als erlaubt nutzen sollte.

Verwendete Quellen
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