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München

Wenn man die Wiesn 2022 absagt, darf es sie nie mehr geben


Münchner Oktoberfest
Wenn man die Wiesn absagt, darf es sie nie wieder geben

MeinungVon Christof Paulus

Aktualisiert am 19.04.2022Lesedauer: 2 Min.
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Feiernde Bedienungen beim Wiesn-Einzug (Archivbild): Womöglich wird das Fest auch dieses Jahr ausfallen.Vergrößern des Bildes
Feiernde Bedienungen beim Wiesn-Einzug (Archivbild): Womöglich wird das Fest auch dieses Jahr ausfallen. (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)

Noch immer ist unklar, ob das Münchner Oktoberfest stattfinden wird. Nicht aufgrund von Corona, aber wegen des Ukraine-Krieges denkt man über eine Absage nach. Doch mehr als symbolische Betroffenheit wäre das nicht.

2020 fiel das Oktoberfest in München erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik aus. Dass erst die öffentliche Gefahr Coronavirus wichtiger als die Wiesn war, heißt im Umkehrschluss: Als in den Neunzigern im Kosovo Menschen bombardiert wurden, wurde auf der Theresienwiese gefeiert. Als 1994 in Ruanda ein Volk ausgelöscht werden sollte, wurde auf der Theresienwiese gefeiert. Sogar kurz nachdem 1980 auf der Theresienwiese selbst Menschen gestorben waren, wurde weiter gefeiert.

Ob das 2022, nach zwei Jahren Pause zur Hochphase der Corona-Pandemie, auch so sein wird, will die Stadt München erst im April entscheiden. Für Oberbürgermeister Dieter Reiter ist es "schwer vorstellbar, zu feiern, Bier zu trinken und Karussell zu fahren", solange zugleich in der Ukraine und Münchens Partnerstadt Kiew Krieg herrscht. Da hat er recht, so geht es sicher vielen. Aber an der Wiesn darf das trotzdem nicht rütteln.

Das Oktoberfest in München ist ohne moralischen Anspruch

Man darf das Fest nicht überhöhen, der Wiesn ist keine moralische Bedeutung aufzulasten. Sie ist bayerisches Kulturgut, natürlich, aber auch Trinkgelage, Touristenmagnet und Abzocke. Verständlich, dass auch Hunderttausende Münchner darauf keine Lust haben. Sie bleiben dann eben daheim. Viele andere freuen sich, Bier für 100 Euro zu – ja – saufen.

Während im Krieg Menschen ermordet werden, mag man das ignorant finden. Übergriffig wird es, wenn das Besäufnis moralisch verurteilt wird. Lasst die Leute halt, jeder nach seiner Fasson! Reiter hat ein persönliches Empfinden, und das ist gut so. Aber daraus ist keine allgemeingültige Haltung abzuleiten.

Oft nutzen Menschen ein Totschlagargument, wenn sie im Begriff sind, etwas in ihrem eigenen Sinne zu tun, das sie grundsätzlich selbst ablehnen: An Missständen könnten sie ja eh nichts ändern, sagen sie. Oft ist das nur vorgeschoben, tatsächlich wäre häufig durchaus etwas zu bewegen – wenn auch nicht individuell, so zumindest in der Gruppe.

Oktoberfest 2022: Stadt München will bald entscheiden

Die Wiesn abzusagen, um ein Zeichen gegen den Ukraine-Krieg zu setzen, brächte aber tatsächlich nichts. Es wäre nichts als symbolische Betroffenheit. Nur: Symbolik gibt es seit Beginn des Konfliktes genug. Genutzt hat sie fast nie. Eher geschadet.

Deshalb gibt es keinen neuen Grund, der 2022 für eine Absage des Oktoberfestes spricht. Wer die Wiesn 2022 ablehnt, hat sie meist auch schon 2019, 2009 oder 1979 abgelehnt. Niemand zwingt andere dazu, zu feiern. Aber wer 2022 absagt, muss das wohl für immer tun.

Dabei ist es natürlich Quatsch zu sagen, mancher habe die alkoholgetränkte Realitätsflucht nötig. Das ist nur ein Versuch von anderer Seite, die Wiesn in einen vollen Krug Moral zu tunken. Das Oktoberfest hat die Welt wahrscheinlich selten besser gemacht. Deshalb reicht es einfach, dass es sie nicht schlechter macht, um stattzufinden. Und das dürfte auch 2022 so sein. Also: O'zapft is!

Verwendete Quellen
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