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München

Bad Reichenhall: Rund 200 Erdbeben – LMU-Forscher will das Rätsel lösen


Wenn die Berge beben
LMU-Forscher will Erdbeben-Rätsel im Freistaat lösen

Kilian Pfeiffer

12.10.2024 - 07:00 UhrLesedauer: 3 Min.
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Die Installation eines Seismographen auf dem Gipfel des Hochstaufen.Vergrößern des Bildes
Die Installation eines Seismografen auf dem Gipfel des Hochstaufen. (Quelle: Kilian Pfeiffer)

Rund um den Hochstaufen bebt die Erde immer wieder. Was die genaue Ursache für die Schwarmbeben ist, ist noch nicht ganz klar. Ein Forscher will das Rätsel nun entschlüsseln.

Rund um den Hochstaufen bei Bad Reichenhall wurden in den vergangenen Wochen etwa 200 Schwarmbeben registriert. Einige von diesen waren spürbar. Joachim Wassermann, Geophysiker und Seismologe am Geophysikalischen Observatorium Fürstenfeldbruck der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, will das Rätsel der Erdbebenaktivität in der Region weiter entschlüsseln.

Sein Augenmerk gilt dabei nicht nur Bad Reichenhall, sondern auch dem Rest des Freistaats, den er und sein Team beobachten, um besser zu verstehen, was die Erde genau bewegt. Vorbeben, Hauptbeben, Nachbeben? "Meistens gibt es im Raum rund um Reichenhall ein Hauptbeben – mehrere gleich große Beben, die wie ein Gewitter kurz durchziehen", sagt der Seismologe. Eine Serie an Erderschütterungen könne sich manchmal gar über Monate ziehen. "Restspannungen äußern sich in kleineren Nachbeben."

Über 200 Beben hat der Erdbebendienst Bayern in den vergangenen Wochen registriert. Mit Magnituden zwischen 1,8 und 2,5 sind die Erdbewegungen zwar nicht besorgniserregend, aber dennoch eben gut spürbar. "Der ganze Alpenbogen ist aktiv", erklärt der Experte. Kleine und moderate Erdbeben erschüttern im mittleren Berchtesgadener Land immer wieder den Boden.

Erbeben richtete vor Jahrhunderten großen Schaden an

Wassermann arbeitet für den Erdbebendienst. Es ist ein Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit. Dieses wird von der Sektion Geophysik des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU München in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt durchgeführt.

Der Seismologe hat einen Fokus auf das Berchtesgadener Land gelegt, weil die seismischen Aktivitäten hier besonders sind. Vor Jahrhunderten, etwa im Jahr 1390, habe es in diesem Raum ein Erdbeben gegeben, das deutlich stärker war: "Es ist historisch überliefert, dass es damals Schäden gab", sagt Wassermann.

Schwarmbeben treten vor allem von April bis September auf

Eine vollumfängliche Antwort, wie die Beben zustande kommen, gibt es noch nicht. "Irgendwann können wir es mit Sicherheit verstehen, warum es in Reichenhall so ist, wie es ist." Fakt sei, dass der viele Regen in der Region zumindest eine große Rolle spiele. Der Hochstaufen gelte als verkarstet, es gebe viele Rissbildungen, zudem kommt viel Flüssigkeit von oben. "Sehr zügig geht das Wasser tief in den Berg", erklärt Wassermann.

Der Berg sei zu schwer – und bewegt sich zurück in seine ursprüngliche Ausgangslage. Der Spannungsabbau würde sich – als ein Teil der Erklärung – in Beben äußern. Eine Eigenart der Schwarmbeben sei, dass sie vorwiegend in den Monaten April bis September auftreten. Vor 29 Jahren konnte eine Bebenserie von mehreren hundert Mikrobeben mit bis zu sechs seismischen Mobilstationen beobachtet werden.

46 Ereignisse wurden damals genauer lokalisiert. Die Erdbebenherde lagen ausnahmslos im Staufengebirge. Auch im unweit gelegenen Bergsteigerdorf Ramsau bebt es immer mal wieder, vor allem im Wimbachgrieß. Dort gab es schon so manche spürbare Erderschütterung, wenngleich nicht ganz so häufig wie in der Reichenhaller Umgebung.

Berchtesgadener Station kann weltweite Erdbeben messen

Sogenannter Flysch, eine besondere Abfolge von Sedimentgesteinen, die oft in Gebirgsregionen vorkommt, trifft im Hochstaufen-Gebiet auf Haselgebirge und Kalkstein. All das mache die erhöhte Seismizität aus. In den Nordalpen existieren übrigens einige bekannte Störungsbahnen, die immer wieder aktiv werden – etwa die Saalach- sowie die Inntal-Störungen, wie es übergeordnet heißt.

Sieben Seismografen haben die LMU-Mitarbeiter des bayerischen Erdbebendiensts rund um den Hochstaufen in Reichenhall verbaut, so viele wie kaum sonst wo in Bayern. Seismografen sind Messinstrumente, die verwendet werden, um Erdbeben und seismische Wellen aufzuzeichnen. Sie registrieren die Bewegungen des Erdbodens.

Unter anderem ist auch auf dem Gipfel des Hochstaufen ein Erdbebenmessgerät installiert. Selbst in Berchtesgaden findet sich ein weiteres in der Nähe des Salzbergwerkes. Es steckt rund 30 Meter unter der Eingangssole in einem Blindschacht – weit weg von den Hunderttausenden Gästen, die das Bergwerk jedes Jahr besuchen. Das Gerät ist so empfindlich, dass ungewollte Störungen vermieden werden sollen. "Mit der Berchtesgadener Station ist es uns sogar möglich, weltweite Erdbeben zu messen", sagt Wassermann. Das Gerät sei dazu ausreichend empfindlich.

Größere Beben in Reichenhall eher "unwahrscheinlich"

Größere Beben in Reichenhall ausschließen kann der Seismologe im Übrigen nicht. "Sie sind aber unwahrscheinlich." Tatsache ist: In der Kruste ist eine Spannung vorhanden. Die Aktivität im Staufen sei eher moderat. Was der Fachmann allerdings weiß: "Es existiert eine Bergzerreißung. Die sieht man am Hochstaufen gut." Sogenannte Zerreißungsspalten sind dort existent. Wassermann bezeichnet eine davon als "Matratzenschacht". Begehbare Schächte und Hohlräume im Gebirge gebe es zudem. Größere Bergstürze seien aufgrund der Zerreißungsspalten nicht auszuschließen.

Beim Erdbebendienst Bayern nimmt man die Überwachungsaufgaben ernst. Allein des Protokolls wegen, selbst wenn Schäden nach Erdbeben ausbleiben. Im Münchner Raum etwa verfolgt man Tiefengeothermie. "Auch das kann Erdbeben produzieren", erklärt Wassermann. Alle Erdbewegungen würden deshalb registriert. Der Freistaat habe immerhin eine Dokumentationspflicht.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Joachim Wassermann
  • Eigene Recherchen
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