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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Geschäftsführung hat uns verarscht" Sport Scheck: Nach der Hoffnung kommt die Kündigung
Zuerst gab es Hoffnung für die Mitarbeiter der Sport-Scheck-Filiale in der Münchner Innenstadt, nun wird allen gekündigt. Die Gewerkschaft Verdi vermutet dahinter eine Taktik.
In der Sport-Scheck-Filiale in der Münchner Fußgängerzone herrscht an diesem Freitagvormittag Normalbetrieb – noch. Denn zum 15. Juni schließt das Traditionsgeschäft seine Türen. Das Unternehmen musste letzten November Insolvenz anmelden, nachdem sein Besitzer, die Signa Gruppe des Österreichers René Benko, ebenfalls pleitegegangen war.
Mit der Schließung müssen nicht nur die Hunderten ausgestellten Sportschuhe, -jacken und -pullis weichen, sondern auch die rund 110 Mitarbeiter der Filiale. Am Mittwochabend habe Ihnen die Geschäftsführung mitgeteilt, dass sie Ende März die Kündigung zum 15. Juni bekämen, sagt ein Mitarbeiter der Filiale t-online vor Ort. Dafür seien die Chefs persönlich in der Filiale vorbeigekommen. Zuvor berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) über mutmaßliche Entlassungen im Geschäft.
Ein Mann, der schon seit elf Jahren bei Sport Scheck arbeite und anonym bleiben möchte, habe kein Verständnis für die Entlassungen. "Die Geschäftsführung hat uns verarscht", sagt er. Noch am Mittwochvormittag, keine zwölf Stunden vor der Kündigung, habe es einen Videocall mit den Chefs gegeben. Dort habe die Geschäftsführung noch freudig verkündet, dass Sport Scheck gekauft worden sei – für die Mitarbeiter war dies die Hoffnung, der Kündigung doch noch zu entkommen.
Italienische Sportkette will Sport Scheck kaufen
In der Tat wurde Mitte der Woche bekannt, dass der italienische Sportfachhändler Cisalfa einen Zuschlag erhalten hatte, um Sport Scheck zu übernehmen. Zuvor hatte es Verhandlungen mit dem britischen Handelskonzern Frasers (Sports Direct) gegeben, die jedoch mit der Insolvenz gescheitert waren.
Übernahme von Sport Scheck durch Cisalfa
Die Übernahme durch Cisalfa erfolgt im Wege einer Sanierung mittels Insolvenzplan, über den Ende April eine Gläubigerversammlung am Amtsgericht München abstimmt. Cisalfa betreibt in Italien mehr als 150 Filialen und mit dem Tochterunternehmen Sport Voswinkel 50 Läden in Deutschland.
Cisalfa wollte die Marke nach eigenen Angaben weiterführen. Ob aber alle 34 Filialen bestehen bleiben, war von Anfang an ungewiss. Die Kündigung der rund 110 Mitarbeiter des Geschäfts in der Münchner Innenstadt könnte nun eine Tendenz zeigen.
Kündigungen sollen bis Ende März erfolgen
Nachdem der Eigentümer von Sport Scheck den Mietvertrag im Joseph-Pschorr-Haus zum Ende des Jahres gekündigt hatte, hatte das Unternehmen im gleichen Zug angegeben, einen neuen Standort in München suchen zu wollen. Damit scheiterte es nun offenbar.
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"Auf dem Münchner Vermietungsmarkt gibt es derzeit kein adäquates Mietobjekt, das den hohen Ansprüchen von Sport Scheck an ein erstklassiges Flagship-Sporthaus gerecht wird", sagte Insolvenzverwalter Axel Bierbach am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Das Unternehmen sei aber weiterhin bestrebt, ein Mietobjekt in der Münchner Innenstadt zu finden.
Verdi fürchtet Intrige der Geschäftsführung
Gewerkschaften vermuten hinter diesem Schritt vielmehr eine Intrige als eine wohlwollende Geste: "Mit dem Insolvenzrecht kann man Menschen schnell und billig entlassen", sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Dominik Datz der "Süddeutschen Zeitung". Sobald eine neue Filiale gefunden sei, könnte die Firma einen Teil der Beschäftigten wieder einstellen – allerdings zu schlechteren Konditionen.
Den Mitarbeiter aus der Sport-Scheck-Filiale in der Innenstadt würde das nicht wundern. "Bisher haben sie uns ja auch belächelt und belogen", sagt er. Neben der Münchner Filiale sind von den rund 30 Geschäften in Deutschland auch die in Aachen, Augsburg, Bremen und Unterhaching betroffen. Laut Insolvenzverwalter konnten sie nicht profitabel gemacht werden. Die strukturellen und personellen Einschnitte seien notwendig, um das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen.
Niedrige Abfindungen unter dem Deckmantel der Insolvenz
Was für die entlassenen Mitarbeiter besonders bitter ist: Eigentlich stehen ihnen im Kündigungsfall Abfindungszahlungen zu, die sie finanziell erst einmal absichern sollen. Pro Beschäftigungsjahr müsse das Unternehmen seinen Mitarbeitern ein Brutto-Monatsgehalt zahlen, wie ein weiterer Mitarbeiter der Filiale in der Innenstadt t-online erklärt.
Beschäftigten, die schon mehrere Jahre bei Sport Scheck arbeiten und Abfindungszahlungen in Höhe mehrerer Zehntausend Euro erhalten müssten, machte das Unternehmen ein ernüchterndes Angebot: Zweieinhalb Monatsgehälter Abfindung sollte es etwa nach elf Jahren Arbeit geben, erzählt der Mitarbeiter, der mit t-online sprach und anonym bleiben wollte. Die Insolvenz nutze die Geschäftsführung dabei als Deckmantel, ganz nach dem Motto "Wo nichts ist, gibt es auch nichts zu holen". Die Mitarbeiter wollen nun ihre Rechte prüfen.
Sport Scheck eröffnete kurz nach dem Krieg erstmals in München
Für viele Münchner dürfte die Schließung der Sport-Scheck-Filiale ein Schock gewesen sein, schließlich hat der Laden Geschichte: 1946 eröffnete ihn der Münchner Otto Scheck, damals noch als Schneiderei von Winterausrüstung. Ab 1991 übernahm das Hamburger Versandhaus Otto die Marke.
Nach sich häufenden Verlusten kaufte der österreichische Investor René Benko Sport Scheck im Jahr 2020 auf, bis er mit seiner Signa Gruppe zuletzt jedoch selbst pleiteging.