Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Frauen in der Justiz Münchener Justizpalast stellt 17 Jüdinnen vor
Dass Frauen studieren und ein Jurastudium absolvieren konnten, war lange Zeit nicht selbstverständlich. Besonders für jüdische Frauen. Diese Münchnerin war eine der ersten.
Dr. Elisabeth Kohn ist eine von 17 jüdischen Frauen, die sich ihr Jurastudium sowie ihre juristische Berufstätigkeit in Deutschland hart erkämpfen mussten. Über das Schicksal der Münchnerin ist in der Wanderausstellung "Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft" im Justizpalast in München viel zu erfahren.
Kohn wäre heute 123 Jahre alt. 1902 geboren, lebte sie zunächst mit ihrer Eltern, die Inhaber der "Getreide- und Futtermittelgroßhandlung Otto Engl" waren, im Stadtteil Neuhausen, bis die Familie später dann in die Maxvorstadt zog. 1912 ging sie auf das heutige Luisengymnasium, machte ihr Abitur und wollte anschließend studieren.
Ein Jurastudium zu beginnen, war damals allerdings deutlich schwerer als heute, machte die Juristische Fakultät es den Frauen damals besonders schwer. Als Kohn mit dem Studium begonn, konnte sie zwar das erste Staatsexamen machen, durfte sich aber nicht Referendarin nennen. Das änderte sich erst 1920, als zwölf Frauen sich für eine Gesetzänderung im Reichstag einsetzten. Trotzdem blieb der Weg für Kohn steinig. Als sie 1924 promovierte, konnte sie das nur an der Philosophischen Fakultät, nicht an der Juristischen.
Ein Jahr später bestand sie dann ihr erstes Staatsexamen, 1928 dann ihr zweites. Doch das war lange keine Selbstverständlichkeit. Lange beendeten Juristinnen ihr Studium mit einem Doktortitel. Was heute zwar gut angesehen ist, war damals nutzlos, konnten sie weder als Richterin, Staatsanwältin oder Notarin arbeiten. Erst mit dem "Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen in der Rechtspflege" aus der Weimarer Republik, vom 11. Juli 1922, wurden die Frauen zum ersten und zweiten Staatsexamen zugelassen.
Immer mehr Frauen, insbesondere jüdischer Herkunft, entschieden sich für einen juristischen Beruf. Das war vielen ein Dorn im Auge. "Die erste Generation von Juristinnen wurde auch als Heuschreckenplage bezeichnet", erzählt Julia Obermeier, stellvertretende Pressesprecherin des Landgerichts München I, im Gespräch mit t-online.
Am 7. November 1928 wurde Elisabeth in München am Landgericht I und II sowie am Oberlandesgericht zugelassen. Bis zu ihrer Verhaftung arbeitete die Münchnerin in einer Kanzlei, die in vielen Prozessen Sozialdemokraten, Juden und Pazifisten gegen die Nationalsozialisten verteidigte.
Viele jüdische Frauen mussten ihren Beruf wieder aufgeben
Im April 1933 erhielt Elisabeth Kohn ein Vertretungsverbot vor Gericht. Ihr Antrag, dieses Verbot wieder aufzuheben, wurde abgelehnt. Die Begründung: "Elisabeth ist jung und ledig und kann in irgendeinem Frauenberuf unterkommen".
Aus Liebe zu ihrer Mutter verzichtete Kohn auf jede Fluchtmöglichkeit. Sie beriet ab 1940 jüdische Bürger in Emigrationsangelegenheiten. Nur ein Jahr später wurde die Münchnerin gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester in den Osten deportiert. In Litauen wurde sie kurz darauf, wie weitere knapp 3000 Münchner Juden, erschossen.
Auch wenn Kohn den Zweiten Weltkrieg nicht überlebte, so taten es einige der anderen jüdischen Juristinnen, deren Schicksal im Justizpalast ausgestellt ist. Viele bewarben sich nach Kriegsende wieder für den Justizdienst. "Diese Frauen sind Vorbilder für junger Richterinnen", sagt Obermeier. Die Arbeit in der Justiz sei besonders frauendominiert, da der Beruf eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf biete.
Die Ausstellung ist bis zum 21. Dezember im Münchner Justizpalast zu sehen. Der Eintritt ist frei.
- Pressemitteilung Landgericht München I (Stand: 16. November 2023)
- Erinnerungswerkstatt München: Dr. phil. Elisabeth Kohn
- Eigene Recherche